Leserbriefe:
Leben am Strom
Unerbittlich diese digitalen Personenwagen, 80,4 zu jeder Tageszeit, ein- oder zweibeinig, muss wohl meine Flatrate sein. Der letzte Versuch mit Ernährungsumstellung von Chablis auf Apfelwein hat zwar die Haushaltskasse entlas-tet, aber nicht die Hüfte. Jetzt hilft nur noch Bewegung. Joggen vor dem Wachwerden..? Nein, ich mache den Arbeitsweg zur Gesundheitsmeile. Die 18 km in die Stadt werde ich doch wohl mit dem Fahrrad schaffen.
Na ja, also morgens mit dem Zug und abends mit dem Fahrrad zurück. Die 500 m zum Bahnhof gelingen wunderbar, beim Hochtragen des Rads auf den Bahnsteig macht sich die Inves-tition in ein leichtes Rad angenehm bemerkbar. "Fahrradabteil ist immer hinten", hatte der Schaffner im letzten Jahr gesagt, also ans Ende des Bahnsteigs schieben. Zug kommt, Abteil heute natürlich vorn. Die Reststrecke zum Arbeitsplatz mit Blick auf den Strom gelingt recht gut, eine Einbahnstraße, zwei rote Fußgängerampeln - und die Laterne vor der Tür hat noch einen Platz zum Anketten frei. Zur Mittags-pause noch ein prüfender Blick, ja genug Luft im Reifen, und die -Vorfreude auf die Heimfahrt. 17:30 Uhr Anruf, dringendes Meeting um 18:30 Uhr, um 19:10 Uhr kommt die Mail, heute kein Meeting mehr. Jetzt aber, Helm auf, Handschuhe an; Hosenklammer vergessen!
Bei dem schönen Wetter am Fluss entlang., auf den Gedanken sind wohl viele gekommen. Ich umkurve den Nachwuchsfahrer mit roten Stützrädern, dem Papa gerade beibringt immer schön rechts zu fahren. Papa hätte sein Rad aber nicht unbedingt quer auf den Weg stellen müssen. Der chillende -Nadelstreifte mit dem, -geschätzt, 5. Caipirinha verlangt da schon mehr fahrerisches Können. Das unter dem Helm gut geschützte Kleinhirn beginnt diesen Slalom in Zusatzkilometer hochzurechnen, halt dich raus Kleinhirn, das hier ist mein Abendvergnügen. Am Stadtrand wird es ruhiger, aber es folgt ja noch die geliebte Nachbarstadt. Vorbei am Parkplatz mit den frisch frisierten Autos und rollenden Diskotheken und schon kommt mir eine Joggergruppe mit den "Jeden Tag ein bisschen besser" T-Shirts entgegen. Zu viert nebeneinander. Ich betätige vorschriftsmäßig meine Klingel, und siehe da, es entsteht eine etwa 40 cm breite Lücke. Diese nutzt sofort ein Inline Skater zum Überholen der Jogger. Ich weiche in die Wiese aus und bevor ich mich fragen kann wer den roten Strich da hingemalt hat, entpuppt sich der als Laufleine. Oma B. an einem Ende, Chiwawa Schnucki am anderen. Schnucki erlebt die Beschleunigung seines Lebens, Oma B. hält die Leine, um sie dann unter ausstoßen eines Todesschreis frei zu geben. Schnucki parkt um schnauzesbreite neben meinem linken Fuß. Aufgeschreckt durch den Schrei wenden die Jeden Tag ein bisschen besser Jogger die Köpfe, was allerdings fatale Folgen für die soeben ausparkende Kinderwagengruppe "Latte Macchiato" hat. Harry Schnellbein mit Rückennummer 7, was rennt der auch vorne, rempelt den blauen Buggy gegen den Sportwagen mit dem Aufkleber "Lisa inside", der dann bedrohlich auf eine S-Klassenausführung der Fa. Geiermühle zurollt.
Tagesmutter Edwina reißt das Baby aus der S-Klasse, macht zwei Schritte rückwärts und landet gut gedämpft auf dem Po. Das Baby ist gerettet.
So weit noch mal gut gegangen, nur nicht für Paul den Gänserich, er wollte dem Chaos entfliehen, streckte die Flügel aus, jetzt sitzt Edwina drauf.
Der Fährmann, der mich später auf die andere Seite des Stroms bringt, meinte noch: "Entspannend so eine Radtour bei Sonnenuntergang am friedlichen Fluss."
"Na ja" antworte ich etwas einsilbig.
Friedrich Bals
Radeln auf dem Mainuferweg
Es ist ein warmer, sonniger Sonntagnachmittag am Mainufer. Wir sind in Frankfurt gestartet und auf dem Weg nach Seligenstadt. Im gemütlichen Tempo von ca. 17 km/h. radeln wir dahin, genießen das schöne Wetter, den Fluss, die Landschaft und den gut ausgebauten Radelweg. Doch nicht alle Radler sind Genussradler! Da sausen die Kurzstreckensprinter an uns vorbei, die schnell zum nächsten Ort gelangen wollen, und die Mountainbike-Raser, die ihre kräftigen Wadenmuskeln trainieren und aus dem Mainuferweg eine Rennstrecke machen. Ist ja okay, aber wenn man dann als Genussradler unterwegs ist und 10 wild gewordene Biker an einem vorbeidrängeln ohne rechts und links zu schauen, trübt das doch etwas den Radelgenuss. Ja, und dann kommen da noch die Gruppenradler, die zu zweit oder mehreren nebeneinander radeln und lustig klingeln, damit alle anderen an die Seite spritzen und der Radelfront Platz machen - schließlich wollen sie sich ja weiterhin unterhalten und nicht stumm hintereinander dahinradeln.
Vielleicht denkt doch der oder die Eine oder Andere einmal ein bisschen über sein Radelverhalten nach. Ein bisschen mehr Rücksichtsnahme aufeinander wäre schön, denn wir wollen ja schließlich nicht auch auf den Fahrrad-wegen Verkehrsregeln einführen nach dem Motto: Mindestgeschwin-digkeit 20 km/h auf Asphaltwegen, immer ganz scharf rechts fah-ren oder gar absteigen und freie Bahn machen für Sprinter und Raser, oder?
Eva Hofmann