Ausriss aus der Frankfurter Rundschau vom Freitag 28. Mai 1982
Liebe Grüße zum Geburtstag
Der Frankfurter Grüngürtel wird 20 Jahre jung
In sehr bescheidenem Rahmen feiert die Stadt ein Jubiläum, das zu den wenigen Glanzstücken der Frankfurter Stadtplanung zählt. Eine Buchvorstellung und der alljährliche FahrRad!-Sonntag im Mai - das war's schon zu Ehren des Grüngürtels, der in diesem Jahr 20 Jahre jung wird und blüht und gedeiht, weil die Bevölkerung ihn als einen wertvollen Besitz beschützt. Als Geburtshelfer und Taufpate wünscht der ADFC Frankfurt dem grünen Jubilar ein langes Leben.
Einstimmig haben die Stadtverordneten am 14. November 1991 die Verfassung des Grün-gürtels angenommen. Damit band sich die Stadt politisch selbst daran, die verbleibenden Grünflächen in "Verantwortung für die nachkommenden Generationen" nicht zu bebauen. Noch wichtiger war drei Jahre später der rechtliche Schutz durch die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet. Da musste mancher Landwirt in den nordwestlichen Stadtteilen und mancher Bauherr schmerzlich erfahren, dass sich Acker oder Streuobstwiese nicht mehr als Bauland vergolden ließen. Solche Begehrlichkeiten konnte der Grüngürtel in 20 Jahren fast immer abweisen, sonst sähe er heute in weiten Teilen so aus wie Eschborn.
"Ein neuartiges kartographisches System für den Freizeit-Radler" und "Immer der Nase nach. Braunewells Pläne: erst kompliziert, dann hilfreich" titelte die "Rundschau" am 28. Mai 1982
Jetzt bevölkern täglich viele Tausende Spaziergänger, Wanderer, Gassi-Geher, Skater, Jogger, Drachenbauer, Floß-Kapitäne und Radfahrer "ihren" Grüngürtel und würden ihn um keinen Preis mehr hergeben. Sie erleben Natur und gestaltete Landschaft, Landwirtschaft und Kleingärten, Sportflächen und Grillwiesen, Aussichtspunkte und komische Kunst der Frankfurter Schule in unmittelbarer Nähe der Stadt. Einer, der die Vision vom Grüngürtel schon viele Jahre vorher hatte und sie mit Leidenschaft und nächtelanger Arbeit in die Wirklichkeit umsetzte, war Dr. Harald Braunewell, Mitbegründer des ADFC Frankfurt 1980 und des ADFC in Hessen vor 25 Jahren. Der Pfarrer und spätere Mathe-Lehrer war ein engagierter Naturschützer und sehr sportlicher Radfahrer, der mit Freunden gern auch mal 300 Kilometer am Stück zurücklegte. "In den Pausen wird langsamer gefahren", hieß sein legendärer Spruch, wie sich Michael Bunkenburg erinnert. Er verwahrt viele Erinnerungsstücke an seinen Freund Braunewell, darunter einen halbseitigen Artikel aus der Frankfurter Rundschau anno 1982. Darin wird "ein neuartiges kartografisches System für den Freizeit-Radler" gewürdigt, das "die Fahrradfahrer autofrei aus Frankfurt heraus und um Frankfurt herum" führt.
Harald Braunewell im Jahre 1999
Der 75 Kilometer lange Rundkurs ist exakt das, was später der Grüngürtel-Radweg wurde. Braunewell hat damit sein Meisterstück vorgelegt als Kartograf im Selbststudium, "ein Profi unter den Freizeit-Amateuren", wie ihn die FR nennt. Seine Rundtour um Frankfurt hat er selbst mit einem gelben Punkt an Zäunen und Bäumen, Hausmauern und Bordsteinen markiert. Bereits Anfang der 80er Jahre hatte Braunewell die Öffnung des Grüngürtels in die Region Rhein-Main vorgezeichnet, mit 15 Touren aus der Stadt heraus wie "Niddabrücke - Opel-Zoo" oder "Bonames - Sandplacken".
Radwegebeschilderung im GrünGürtel
Die Wegeführung und Markierung im späteren Grüngürtel und die Kartografie der Grüngürtel-Freizeitkarte sind Braunewells Werk. Sie wird in diesem Jahr neu aufgelegt, zehn Jahre nach Braunewells Tod. Seine Idee des autofreien Naturerlebens hat auch den zweiten grünen Gürtel um Frankfurt herum inspiriert: Die große Fahrrad-Rundtour im Regionalpark Rhein-Main, die in diesem Jahr auf 190 Kilometer Länge ausgeschildert sein wird. Er hätte sie auch im hohen Alter noch locker an einem Tag geschafft.
Wehrhart Otto