Adalbert-Stifter-Radweg – auf alter Bahntrasse nach Passau
alle Fotos: Bertram Giebeler
Wagner, Wald und Watzmann
Das Radreiseerlebnis Ostbayern
Unser südöstliches Nachbarland hat für den Frankfurter Radtouristen drei große Vorteile: sehr gute Erreichbarkeit mit dem Bahn-Regionalverkehr, günstige Preise in Hotellerie und Gastronomie und für deutsche Verhältnisse viel Platz. Man kann es mal mehrere Tage rollen lassen ohne auf Autobahnen oder ICE-Trassen zu stoßen. Besonders gilt dies für den Osten Bayerns entlang der Grenze zu Tschechien und Österreich.
Wir begannen daher unsere Sommertour mit einer gemütlichen Bahnfahrt – nur 1 x umsteigen – nach Hof in den Nordostwinkel Bayerns. Ausgerüstet mit der Übersichtskarte des "Bayernnetz für Radler" und den 3 ADFC-Radtourenkarten RTK 18, 23 und 27 ging es auf Bayernnetz-Radwegen nach Süden. Es stellte sich heraus, dass die Beschilderung trotz einiger Schwächen doch so vollständig ist, dass die recht grobmaschige RTK 1:150.000 ausreichte.
Unser erstes größeres Ziel war die Wagnerstadt Bayreuth, die Mitte Juli nicht von prominenten Festspielbesuchern, sondern von ihren vielen radelnden Studenten geprägt ist. Von Bayreuth aus ging es dann hoch ins Fichtelgebirge. Beim Anstieg zum Wintersportort Bischofsgrün zeigte sich der Segen der neuen Bahntrassen-Radwege: auf frisch asphaltierter Piste bei gleichbleibender moderater Steigung in sanften Kurven mitten durch den Wald – Genussradeln geht auch bergan!
Auf der anderen Seite des Fichtelgebirges rollten wir nach einer kurzen steilen Passage wieder auf einer alten Bahntrasse, diesmal bergab: der Fichtelnaab-Radweg ist über 40 km lang, nagelneu trassiert und asphaltiert, wunderschön durch die Waldlandschaft geführt. Absolut ein Genuss. Zusammen mit dem südlich bei Neustadt/ Waldnaab beginnenden 50 km langen Bockl-Radweg, der auf einer Bahntrasse in sanften Kurven durch die oberpfälzische Agrarlandschaft führt, ergibt sich eine fast 100 km lange zusammenhängende Bahntrassenfahrt.
Bei allen schönen Radwegen haben Fichtelgebirge und Oberpfalz halt das Problem, dass sie als Feriendestinationen nicht so populär sind wie Oberbayern oder Allgäu. Dagegen anwirken kann eine kulinarische Eigenart dieser Region: die "Zoigl"-Bierkultur der dörflichen Hausbrauereien in Oberfranken und der Oberpfalz. In speziell dafür eingerichteten Lokalen, ähnlich den Straußwirtschaften in den Weingegenden Rheinhessens, wird selbstgebrautes Bier ausgeschenkt. Es schmeckt vorzüglich, und erst der Preis – 1,60 (in Worten: einskommasechzig) Euro für einen gepflegten halben Liter vom Fass – in Frankfurt hat es das zu Zeiten von Rudi Arndt und Jürgen Grabowski gegeben!
Südöstlich der Oberpfalz kommt irgendwann unweigerlich der Bayrische Wald ("der Wald" für die Einheimischen), und es geht bergauf, und zwar richtig. Hier können wir nicht immer empfehlen, den Bayernnetz-Radwegen zu folgen. Rampen mit 15 % Steigung auf Schotter sind bergauf schon kein Spaß, bergab mit Gepäck erst recht nicht. Wir sind, wenn es die Verkehrsbelastung zuließ, im zentralen Teil des Bayrischen Waldes um Arber, Rachel und Lusen auf die Straße ausgewichen.
Burghausen - lebendiges Zentrum mit italienischem Flair
Vom entlegensten Winkel der Republik (Haidmühle beim Dreiländereck Bayern-Tschechien-Österreich) führt der Adalbert-Stifter-Radweg auf alter Bahntrasse in Richtung Passau. Im Gebiet um Donau und Inn nimmt der Radtourismus schlagartig Massencharakter an, was eine Weile auch mal Spaß macht. Ab dem Inn-Salzach-Dreieck unweit des Papst-Geburtsorts Marktl wird es die Salzach aufwärts, am Radweg "Salzhandelsweg", wieder ruhiger. Besonders zu erwähnen ist die Stadt Burghausen. Wirtschaftlich wohlsituiert durch einen großen Chemieindustrie-Komplex am Stadtrand präsentiert sich die historische Innenstadt unterhalb der längsten Burganlage Europas als lebendiges Zentrum mit italienischem Flair. Auch die Kleinstädte Tittmoning und Laufen weiter südlich an der Salzach lohnen einen Besuch.
Nach Süden ins Berchtesgadener Land hinein kommt man in eine ganz andere Tourismusregion, es beginnt das populäre, volle Oberbayern mit seiner Jodelfolklore. Der hier unter dem Watzmann beginnende Bodensee-Königsee-Radweg, den wir dann bis Lindau gefahren sind, ist ein komplett anderes Thema. Nur eins dazu: die Innenstadt von Füssen war so voll mit fahrradschiebenden Radtouristen, dass die Einheimischen fast nicht mehr zu ihren Geschäften durchkamen.
Dieses Überfüllungsproblem hat Ostbayern ganz und gar nicht, und es wäre wünschenswert, wenn es etwas von dem abbekäme, was Oberbayern zuviel an Touristen hat. Wir empfehlen, sich die Bayernnetz-Karte im Internet anzusehen oder im Infoladen zu besorgen. Wer ein paar Steigungen verträgt –man kann außerdem die höchsten Gebirge vermeiden – für den bietet Ostbayern einen schönen, erholsamen Sommerurlaub auf dem Rad, und das für wenig Geld.
Bertram Giebeler