„Friede“ in Ausgabe Nr. 5/2009
Der Artikel von Fritz Biel hat mir aus dem Herzen gesprochen:
Um das Verkehrsklima zu verbessern und für ein besseres Miteinander im Verkehr zu sorgen, sind aber auch Politik und Verbände gefordert: Statt die Verkehrsarten zu trennen und damit ein Konkurrenzverhalten zu schaffen, wenn mal doch einer auf der Fläche des anderen fährt, sollten die Verkehrsarten weniger getrennt werden – das gilt insbesondere für den Rad- und Autoverkehr. Radwege und andere Formen der Separation verschlechtern das Verkehrsklima. Mal ganz abgesehen davon, dass auch Studien belegen, dass Mischverkehr die sicherere Variante ist. Grundsätzlich gilt: Jeder sollte sich so verhalten, dass er sich und andere so wenig wie möglich behindert oder gar gefährdet (§ 1 StVO). Dazu gehört als Radfahrer insbesondere Rücksichtnahme auf „schwächere“ Verkehrsteilnehmer und auch mal der Verzicht auf die eigene Vorfahrt, wenn die Situation es erfordert. Dagegen sind Regelverstöße dann legitim, wenn niemand durch sie behindert oder gar gefährdet wird. Manche Regelverstöße erhöhen sogar die Verkehrssicherheit (Fahren entgegen von Einbahnstraßen, da sich Radfahrer und Autofahrer sehen). Wichtig im Straßenverkehr ist die visuelle Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern, das Erfassen von Verkehrssituationen und ein entsprechendes, der aktuellen Situation angepasstes Handeln und Verhalten. Stephan Popken Radverkehrsbüro eine Männerdomäne Auf mich wirkt es sehr befremdlich, daß das Team des Fahrradbüros mit vier Männern und nicht zur Hälfte mit Frauen, zur Hälfte mit Männern besetzt ist. Die pure Männerdomäne Radverkehrsbüro widerspricht der EU-Genderpolitik, der Gleichstellungspolitik. Dabei hat sich die Stadt verpflichtet, bei allen Personalentscheidungen die Genderthematik zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu beachten. Als Stadtverordnete hatte ich frühzeitig nach der gendergerechten Besetzung des Fahrradbüros gefragt. Zur Förderung der Nahmobilität hätte es aus meiner Sicht ganz fortschrittlich ein Vierer-Frauenteam geben können, damit sowohl der Radverkehr als auch der Fußverkehr in der Verkehrspolitik der Stadt jeweils die bedeutende Rolle spielen, die sie – umweltfreundlich wie der ÖPNV – am Gesamtverkehr in Frankfurt haben. Die Mobilität von Frauen, ihre Wegeketten, ihr Problembewußtsein, ihre subjektiven Sicherheitsgefühle werden Männerinteressen weiter hinten angestellt, sie werden jedenfalls im Verkehrsdezernat nicht von Frauen selbst vertreten. Für Männer funktioniert die Identifikation Rad und Technik. Fußverkehr hat nichts mit Technik zu tun, ist unter der Männerwürde, ist frauenspezifisch und läuft so nebenbei von selbst. Daß der Verkehrsdezernent also ein von mir und anderen gefordertes Fußwegbüro verweigert, ist aus seiner männlichen Sicht nur konsequent. Eine Fortsetzung der guten Ansätze aus dem Pilotprojekt Nahmobilität im Nordend und eine Übertragung auf andere Stadtteile werden wir deshalb unter seiner Regie leider nicht erwarten können, weil kein Personal von ihm dafür eingesetzt wird. Dabei wäre es so notwendig. Vor allem auch, damit die vielfältigen Konflikte zwischen Fußverkehr und Radverkehr systematisch erkannt und gelöst werden. Auffällig ist auch im Zusammenhang mit dem Radverkehrsbüro die fast durchgängig männliche Sprachform, die von Radfahrern spricht und die Radfahrerinnen verschweigt. Das findet sich auch in diskriminierender Weise in der FR vom 9.10.2009 in der Überschrift „Portal für die Radfahrer“ und dort im gesamten Text. Diese Sprache ist sexistisch und Frauen diskriminierend. Frauen und Männer haben ein unterschiedliches Mobilitätsverhalten. Es gibt in Frankfurt eine charakteristische, geschlechtsspezifische Verkehrsmittelwahl. Das wissen wir seit über 20 Jahren. Das Frauenreferat hatte seinerzeit eine Studie zur geschlechtspezifischen Mobilität erstellt. In der Verkehrsuntersuchung von 2003 hat es sich bestätigt, daß beim Modal Split Frauen mehr zu Fuß unterwegs sind als Männer. Männer dagegen haben einen höheren Anteil am Radverkehr. Die Zahlen sind: 37 % Frauen zu Fuß, 31 % Männer zu Fuß, 8 % Frauen mit Rad, 14 % Männer mit Rad. Während sich also Männer trotz gefährlichem Autoverkehr mit 14 % Radverkehr einigermaßen gut in der Stadt behaupten, sind Frauen 6 % weniger auf Rädern präsent. Weshalb? Was sind die Gründe? Es wirkt doch im Stadtverkehr anders? Ist aus Sicht der meisten Frauen das Radfahren in Frankfurt zu gefährlich? Und übertragen sie diese Sicht auf ihre Kinder, so daß diese viel zu spät Radfahren lernen, wenn überhaupt? Es wäre zu erforschen, ob Frauen sich gefährdeter fühlen, mehr mit Kindern unterwegs sind, z.B. von daheim zur Schule, von daheim zur Musikschule usw. gibt. Oder ob Frauen der Generation 50+ für sich das Radfahren als besonders gefährlich einstufen und deshalb lieber laufen, auch lange Strecken oder andere Verkehrsmittel benutzen. Das wäre konsequent zu erforschen, um viel mehr Frauen aufs Rad zu bringen. Ich bezweifle jedenfalls, daß ein Männerbüro dafür ein Feeling und einen selbstverständlichen Arbeitsansatz hat.
Gisela Becker, ADFC-Mitglied
und Stadtverordnete
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