Es stand in der Frankfurter Rundschau: Interview mit Fritz Biel
Gleichberechtigung auf dem Weg
Frankfurter Rundschau: Nutzt das Konzept von Shared Space Radfahrern oder brauchen wir dennoch getrennte Räume für Radler und Fußgänger, damit es weniger Konflikte gibt?
FR: Wie muss die bauliche Anpassung, von der Sie sprechen, aussehen?
Fritz Biel: Die gemeinsam nutzbare Verkehrsfläche muss für Fußgänger, Rad- und Autofahrer klar als solche erkennbar sein . Solange ich Bürgersteige und Straßenflächen habe, habe ich erst mal ein Problem, wenn ich Shared Space einrichten will. Wenn Bürgersteige da sind, dürfen Fußgänger nach der Rechtslage nicht ohne weiteres auf die Fahrbahn. Der Fahrverkehr hat Vorrang. Da gibt es Probleme, die der Gesetzgeber erst noch lösen muss. Bislang kann das nur über Ausnahmegenehmigungen der Obersten Straßenverkehrsbehörde geregelt werden. Bei Shared Space geht es ja nicht zuletzt auch darum, dass alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind und das auch so empfinden.
FR: Wie bekommen wir das hin?
Fritz Biel: Das ist ein entscheidender Punkt. Wir können nicht alle Tempo-30-Zonen in Shared Spaces umwandeln. Ich schlage vor, sich gezielt geeignete Orte rauszusuchen, etwa den Martin-Luther-Platz im Nordend. Der liegt in einer Tempo-30-Zone, das heißt, ich habe kein hohes Tempo und die Verkehrsmengen sind nicht zu groß. Bei der Neuplanung hat man ja bisher leider nicht den Mut gehabt hat zu einer zukunftsweisenden Lösung. Der ADFC hatte vorgeschlagen, einen Modellversuch nach dem Schweizer Vorbild der Begegnungszone durchzuführen. Das verbindet Tempo 20 mit dem Recht der Fußgänger, ungehindert die Fahrbahn zu betreten – ein wie ich meine guter Kompromiss auch für eine Fahrradroute. Die jetzt vorgesehene Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereichs ist eine Lösung von gestern. Sie bedeutet Schritttempo wie in einer Fußgängerzone und bringt damit gravierende Nachteile für den Radverkehr. FR: Schritttempo und Radroute beißen sich? Fritz Bile: Das beißt sich auf jeden Fall, wenn ich auf einer Hauptverkehrsroute für Radler nur Schritttempo fahren kann. FR: Sind Routen für Radler und Shared Space vereinbar? Fritz Biel: Ja, weil hier nicht Schritttempo vorgeschrieben ist, sondern Interaktion und Kommunikation die zentrale Rolle spielen. Alle müssen gucken und aufeinander Rücksicht nehmen. Bei der Schritttempo-Lösung, die derzeit favorisiert wird, läuft alles darauf hinaus, dass sich die Fußgänger als Könige fühlen, sich entsprechend verhalten und ohne zu gucken über die Straße gehen, wenn sie kein Motorgeräusch hören. Wenn es dann zu einem Unfall kommt, bin ich als Radfahrer immer in der unangenehmen Lage, dass jeder davon ausgeht, dass ich zu schnell gewesen bin. FR: Wie schaffen wir Bewusstsein, dass alle aufeinander Rücksicht nehmen müssen? Fritz Biel: Monderman, der Erfinder der Shared Space-Zonen, sagt ja nicht ohne Grund, dass eine der ganz zentralen Geschichten im Zusammenhang mit Shared Space die Öffentlichkeitsarbeit ist, damit das in die Köpfe reinkommt. Natürlich müssen wir dann noch eine Weile üben, damit das eingespielte Verhaltensweisen werden. Da muss auch Einfluss auf die Verkehrserziehung genommen werden, damit Radfahrer als gleichberechtigt wahrgenommen werden.
Interview: Jürgen Schultheis
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