Hierhin, nicht dort rüber!
Immer wieder ist die Rede davon, mit welchen Gefahren die Nutzung „linker“ Radwege verbunden sein kann. Gefährlicher jedoch ist das Befahren von auf der Fahrbahn abmarkierten Radstreifen entgegen der Fahrtrichtung. Diese lebensgefährliche „Unsitte“ ist häufig zu beobachten. Leider manchmal mit fatalen Folgen. An einem frühsommerlichen Freitagmorgen, auf dem Weg nach Offenbach, rolle ich auf dem Radstreifen der Saalburgallee in Richtung Ratsweg. Die Saalburgallee hat an dieser Stelle zwei Fahrspuren je Richtung, die durch einen Grünstreifen mit den Gleisen der Straßenbahn voneinander getrennt sind. In Richtung Bornheim, vor der Postniederlassung, gibt es einen Radweg in mäßiger Qualität, in Richtung Offenbach einen auf der Fahrbahn deutlich markierten Radstreifen. Nach Querung der Einmündung Freiligrathstraße kommt mir ein junger Mann auf dem Fahrrad entgegen, der diesen Radstreifen entgegen der Fahrtrichtung befährt. Er tut dies offensichtlich recht unbekümmert und selbstverständlich, radelt flott und weicht nur sehr zögerlich von seiner Fahrlinie inmitten des Radstreifens ab, um mir im Begegnungsverkehr Platz zu machen. Wahnsinn, schießt es mir durch den Kopf, der spinnt, hoffentlich geht das gut an all den Einmündungen und Hofausfahrten mitsamt dem zweispurigen entgegenkommenden Kraftfahrzeugverkehr. Der Gedanke an die Lebensgefährlichkeit dieser Fahrweise ist noch nicht zu Ende gedacht, da höre ich hinter mir schon das scheppernde Geräusch einer Kollision, das typische Knirschen von Metall auf Metall. Ich stoppe, wende und rolle die wenigen Meter zur Freiligrathstraße zurück. Ein PKW-Fahrer hat den von Rechts kommenden Radfahrer schlicht übersehen – weil der Autofahrer nicht mit Verkehr aus dieser Richtung rechnet, weil ein parkender Kombi die Sicht beeinträchtigt, weil kurze Momente der Unaufmerksamtkeit auf Fahrlässigkeit und Dummheit stoßen. Der Unfall ist glimpflich abgelaufen, Personenschäden sind nicht zu erkennen. Das Fahrrad hat Reparaturen nötig, die Luftpumpe liegt in der Mitte der Straße. Der sichtlich angegriffene Autofahrer steht zitternd neben seinem Wagen, entschuldigt sich wieder und wieder für den Zusammenstoß und nimmt voreilig alle Schuld auf sich. Ein junger Passant meldet sich sofort als Zeuge, er habe alles gesehen, sein Bruder sei neulich gerade von einem Auto umgenietet worden, es habe lädierte Rippen gegeben, der Radfahrer solle sich umgehend ins Krankenhaus begeben, und er, der Zeuge, habe genau gesehen, wie der Autofahrer den Radfahrer angefahren habe. Punkt.
Ich kann mir nicht verkneifen, den offensichtlich unverletzten, aber erschrockenen Radfahrer, der per Handy sein verspätetes Erscheinen am Arbeitsplatz ankündigt, auf den Irrsinn seiner Fahrweise hinzuweisen. Die Benutzung von Radwegen entgegen der Fahrtrichtung ohne die dafür nötige Vorsicht gehöre zu den häufigsten Unfallursachen zwischen Autofahrern und Radfahrern. Mein Kurzvortrag stößt auf irritierte Blicke und führt umgehend zu der Frage, wo ich denn fahren würde, an seiner Stelle. Ich deute auf die gegenüber liegende Straßenseite mit ihrem Radweg vor der Post. Die Antwort kommt prompt: er wolle ja „hierhin“, und nicht dort rüber.
Text und Foto: (ps) |