Was nützt die Fahrrad-Codierung? Dies ist eine regelmäßig gestellte Frage, wenn unser Codierteam in Aktion ist. Selbst alte ADFC-Hasen sind skeptisch, wie ich beim ADFC-Forum in Oberwesel zu spüren bekam. Einerseits irritiert das, andererseits gibt es die Chance, unsere Erfolge vor einem größeren Publikum zum Besten zu geben. Hier eine Auswahl eher ungewöhnlicher Beispiele aus der Praxis: Fall 1: Polizei Obernburg (Bayern) spricht auf Anrufbeantworter des ADFC Hessen, sie habe seit Wochen ein codiertes Fahrrad in Verwahrung und bitte um Rückruf. Dieser erfolgte, nach drei Minuten konnte ich der Polizei mitteilen, dass der Eigentümer in Aschaffenburg, xy-Straße 30 wohne. Das Einwohnermeldeamt könne die Initialen entschlüsseln. Zwischenzeitlich googelte ich selbst, fand eine Nachbarin und rief an. Von der Eigentümerin bekam ich zu hören, die Polizei habe sie gerade verständigt, dass sie ihr Fahrrad abholen könne. Fall 2: Fundamt Elmshorn fragte per Mail, ob ich eine Hamburger Codierung entziffern könne. Das Rad sei seit zwei Monaten in Gewahrsam, die Polizei habe anhand der Rahmennummer und des Codes keinen Eigentümer ermitteln können. Zugegeben, die Codierung war unorthodox. Auch hier über das Internet eine Nachbarin ermittelt und angerufen. Ein Blick auf die Briefkästen und es fanden sich die Initialen der abwesenden Eigentümerin. Zwischenzeitlich steht das Rad wohlbehalten wieder in der dortigen Garage. Fall 3: Auf sehr verschlungenen Pfaden über Hamburg und Bremen kam die Anfrage der Polizei Ulm (Baden-Württemberg). Dort war ein Rad gefunden worden mit der seltsamen Codierung AO/935530AIH. Grübel Grübel. Ein Kfz-Kennzeichen AO existiert nicht. Könnte es A0 sein, also Augsburg? Anruf in Hannover, wo der frühere Chefcodierer seinen Ruhestand verbringt. Gemeinsam fanden wir, dass das Rad nach Augsburg gehört. Fall 4: Mail aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz): Ein in Pirmasens gekauftes Gebrauchtrad trage, wie er erst jetzt bemerke, eine Codierung PS… Könnte es gestohlen sein? Der Händler wisse nicht mehr, von wem er das Rad in Zahlung genommen habe. Anruf bei der zuständigen Gemeindeverwaltung, ob jemand, auf den die Initialen zutreffen, an besagter Adresse wohne. Drucksen, schließlich fällt das unter den Datenschutz. Mit Hilfe der eingeschalteten Polizei konnte der Anfrager eine Antwort bekommen und schläft seither wieder ruhiger. Es war nicht geklaut. Fall 5: vor einigen Wochen codierte ich ein nagelneues Fahrrad in Frankfurt. Die Eigentümerin erzählte, dass mehrere an- bzw. abgeschlossene Räder aus dem Fahrradkeller ihrer Wohnanlage geklaut wurden, darunter auch eines der ihren. Ihr weiteres, jedoch codiertes Rad, sei dagegen in der Garage unbehelligt stehen geblieben. Jahr für Jahr werden in Frankfurt etwa viertausend Räder als gestohlen gemeldet, die nicht gemeldeten Diebstähle dürften ähnlich hoch sein. Die Aufklärungsquote ist unter 5%. Gleichzeitig werden vom Fundamt der Stadt jedes Jahr 500 Räder versteigert, weil ihre Eigentümer nicht ermittelt werden können. Darunter befand sich nur ein codiertes Rad. Hier stand nach Recherchen der Polizei fest, dass an der ermittelten Adresse nie jemand gemeldet war, auf den die Initialen zutreffen. Da sind auch wir mit unserem Latein am Ende. Übrigens: Uns ist bundesweit noch kein Fall bekannt geworden, wo die Codierung zu einem Rahmenbruch geführt hat. Bei etwa einer Million codierter Räder ist das bemerkenswert. Wenn einzelne Händler und Hersteller darauf verweisen, dass ihre (freiwillige) Garantie bei Codierung erlösche, frage ich mich immer, ob sie ein uncodiertes, aber gestohlenes Rad ersetzen würden. Im Übrigen: die gesetzliche Gewährleistungspflicht wird nach Ansicht der juristischen Experten davon überhaupt nicht tangiert, außer die Codierung wäre ursächlich für die Reklamation. Das ist aber, wie erwähnt, in 13 Jahren noch nicht vorgekommen. Alfred Linder Der Autor, hoch konzentriert und tief gebeugt, bei der (Codier-)Arbeit auf dem Radreisemarkt. Foto: Peter Sauer |