Stadtumbau Mitte
Nichts geht mehr seit Anfang Februar für die Radfahrer am Eschenheimer Tor, zumindest für die, die stadtauswärts rollen. Auf der Eschersheimer Landstraße wurde an der U-Bahn-Haltestelle Grüneburgweg gleich in beiden Richtungen kurzer Prozess gemacht mit dem Radverkehr. Die neu eingerichtete Großbaustelle räumt auf mit der Illusion, dass sich seit dem ADFC-Fahrradklimatest vor drei Jahren etwas zum Positiven geändert hätte beim Umgang mit dem Radverkehr an Baustellen. Radverkehr an Baustellen, das ist ein Dauerthema. Ende 2005 stand an dieser Stelle ein Bericht über den letzten Fahrradklimatest des ADFC. Neben vielen Fortschritten wurden darin für Frankfurt zwei Schwachpunkte ausgemacht: „Bei der Vergabe der roten Laterne für die schlechteste Einzelnote gibt es ein knappes Rennen zwischen der Überwachung von Falschparkern auf Radwegen (4,95) und der Führung des Radverkehrs an Baustellen (4,93). Diese Bewertung trifft in beiden Fällen nicht die Falschen. Immerhin hat sich die Note für die Baustellen seit 2003 um 0,7 Punkte verbessert. Das lässt für die Zukunft hoffen.“ Damals waren die Zuständigkeiten hoffnungslos verteilt auf verschiedene Dezernenten. Weil das nicht gut war und auch nicht so weitergehen sollte, wurde vor eineinhalb Jahren ein neues Dezernat Verkehr geschaffen. Stadtrat Lutz Sikorski (Die Grünen) vereinte im neuen Haus alle Zuständigkeiten, die man braucht, um es besser zu machen. Dauerbaustelle am Turm Noch vor reichlich einem Jahr hatte der ADFC gelobt, dass es dem neuen Dezernenten gelungen war, den jahrelang unter dem Baustellendreck von „Frankfurt Hoch Vier“ – Pardon, das heißt ja jetzt „Palais Quartier“ – verschütteten Radstreifen in der Großen Eschenheimer wieder herzustellen. Und jetzt das! Seit Anfang Februar steht mitten im Weg an der engsten Stelle ein Schild und verkündet, dass hier der Weg für Radfahrer ein Ende hat. Dahinter erstreckt sich über 200 Meter ein Irrgarten von Zäunen, Leuchtbaken und Markierungen - ein Hindernisparcour, der durch den bis zur Hauptwache zurückreichenden Stau nicht übersichtlicher wird. Nun ist gerade die Engstelle, die jetzt das besagte Schild ziert, bislang ein Beispiel dafür, wie man bei gutem Willen mit einfachen Mitteln auch auf engstem Raum sicherstellen kann, dass sich Autofahrer und Radfahrer nicht mehr als unvermeidlich in die Quere kommen. Auf einer Breite von weniger als vier Metern sorgt eine einfache Fahrstreifenmarkierung dafür, dass rechts von den rollenden oder stehenden Autos genug Platz bleibt für die Radfahrer, um am Stau vorbeizufahren, wenn sich nicht gerade ein dicker LKW dort breit macht. Mit dem schon erwähnten guten Willen wäre es mit Sicherheit auch im Bereich der neu eingerichteten Baustelle möglich, den nach Norden strebenden Radfahrern einen solchen Schutzstreifen anzubieten. Das würde nicht nur den nötigen Platz schaffen, sondern auch den Radfahrern im Baustellenbereich als Orientierung dienen. Da die Baustelle uns in wechselnder Form sicher einige Zeit erhalten bleiben wird, sollte hier schnellstens nachgebessert werden. Bei der Gelegenheit ließen sich auch gleich die zahlreichen rot-weißen Hindernisse am rechten Fahrbahnrand durch eine weniger gefährliche Baustellenabsicherung ersetzen. Nun könnte man einwenden, dass es doch dem radfahrenden Volk durchaus möglich und zuzumuten wäre, sich einen anderen Weg zu suchen, als ausgerechnet mitten durch die Baustelle. Schauen wir uns die Alternativen in diesem Bereich daraufhin einmal genauer an, stellen wir unschwer fest, dass sie alle im gleichen Flaschenhals enden. Wer etwa den Weg über die Stiftstraße wählt, steht spätestens ab der Einmündung der Stiftstraße am Eschenheimer Tor vor dem selben Problem. Und auch der Weg über die Schillerstraße führt nicht weiter als bis zum Turm. Die Empfehlung des Straßenverkehrsamtes auf den Internetseiten der Stadt, den Bereich „weiträumig zu umfahren“ ist denn wohl auch eher der Windschutzscheibenperspektive zuzurechnen. Hinweise und Tipps für den Radverkehr sucht man dort vergeblich. Wenn es denn trotz aller Anstrengungen des Verkehrsdezernenten nicht möglich ist, während der Bauzeit eine durchgehend befahrbare Markierung für den Radverkehr anzubieten, sollte zumindest ab der Stiftstraße eine Führung in Richtung Eschersheimer Landstraße bzw. Oeder Weg eingerichtet werden. Dann fänden wenigstens die Radfahrer aus der Stiftstraße und der Schillerstraße einen einigermaßen sicher befahrbaren Anschluss in Richtung Norden. Unabdingbar wäre aber auch in diesem Fall, dass schon an der Hauptwache ein deutlicher Hinweis auf das Ende des Radweges und die möglichen Alternativen aufgestellt wird. Die einschlägigen Internetseiten der Stadt müssten um entsprechende Hinweise für den Radverkehr ergänzt werden. Barrierefreie Eschersheimer Nun ist die Baustelle am Eschenheimer Tor keineswegs die einzige, die derzeit von der chronischen Missachtung des Radverkehrs Zeugnis ablegt. Man muss nur ein paar hundert Meter die Eschersheimer Landstraße hinauf fahren und schon steht man vor der nächsten Barriere – diesmal gleich in beiden Richtungen. An der U-Bahn-Station Grüneburgweg richtet die Verkehrsgesellschaft Frankfurt gerade ihre nächste Baustelle für die barrierefreie Zukunft der Frankfurter U-Bahn ein. Schon beim nachträglichen Einbau des Aufzuges an der Holzhausenstraße hatte die VGF sich erst durch die Intervention des ADFC dazu bewegen lassen, ein bisschen mehr Rücksicht auf Fußgänger und Radfahrer zu nehmen. Der neu eingerichtete Radstreifen stadteinwärts war schon über ein Jahr vor dem eigentlichen Baubeginn vorsorglich auf den Gehweg umgeleitet worden. Die Baustelle auf der Ostseite glich anfangs eher einer Trainingsstrecke für Mountainbiker als einem Geh- und Radweg an einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße. Nun also Grüneburgweg. Das Konzept ließ sich zunächst einmal gar nicht so schlecht an. Im Bereich der Baustelle wurde Tempo 30 angeordnet, auch wenn die Schilder nicht gerade gut im Blickfeld stehen. Der Radweg auf der Ostseite verschwand im Baustofflager und der Radstreifen stadteinwärts wurde Teil des rechten Fahrstreifens. Im Gegensatz zu den früher üblichen Lösungen wurde auf den Gehwegen kein Gemeinsamer Geh- und Radweg eingerichtet, sondern das Radfahren im Schritttempo freigegeben. Die Radfahrer sollen also wählen können, ob sie im Bereich der Baustelle auf der Fahrbahn fahren oder den Gehweg benutzen. Das ist nur dann eine sinnvolle Regelung, wenn auch eine tatsächliche Chance besteht, vom Radweg auf die Fahrbahn zu wechseln. Davon kann aber zumindest stadtauswärts keine Rede sein. Der Radfahrer steht völlig unvermittelt in der unübersichtlichen Kurve an der Einmündung der Fichardstraße vor der Entscheidung, ob er auf die Fahrbahn wechseln soll oder sich im weiteren Verlauf der Anordnung des Schritttempos beugt. Wer die Fahrbahn wählt, tut gut daran, erst einmal eine Vollbremsung vorzunehmen. Es ist schlicht unmöglich, an dieser unübersichtlichen Stelle in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit zuverlässig einzuschätzen, was da wie schnell von hinten auf der Fahrbahn heranrollt, zumal es hier bergauf geht, was das Einfädeln nicht gerade erleichtert. Man sieht sich also gezwungen anzuhalten und abzuwarten, bis der Autostrom auf der Eschersheimer durch die Ampel gestoppt wird, um gefahrlos weiterfahren zu können – nicht gerade eine fahrradfreundliche Lösung. Die überwiegende Mehrzahl wählt den Gehweg, sicher die Wenigsten in Kenntnis der damit verbundenen Schritttempo-Vorschrift. Hier wäre der „Gemeinsame Geh- und Radweg“ eindeutig die bessere Lösung. Der Gehweg ist ausreichend breit und Rücksichtnahme auf die Fußgänger schreibt die StVO den Radfahrern auch mit dieser Beschilderung vor. In der Gegenrichtung stellt sich die Lage etwas anders dar. Man fährt auf einem Radstreifen und hat ausreichend Gelegenheit, den nachfolgenden Verkehr einzuschätzen. Da es bergab geht, ist man flotter unterwegs und kann sich problemlos auf die Fahrbahn einordnen, vorausgesetzt, die Autofahrer halten sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung. Die bessere Lösung wäre zweifellos die Markierung eines Schutzstreifens, der vom Autoverkehr bei Bedarf überfahren werden kann. Die durchaus üppigen Platzverhältnisse sollten das eigentlich möglich machen. Für ängstlichere Gemüter ist auch hier der Gehweg ab der Gervinusstraße freigegeben. Das ist in diesem Fall durchaus akzeptabel, denn die Anordnung eines Gemeinsamen Geh- und Radwegs würde auch die schnellen Radfahrer auf diesen Weg zwingen, so sie die Radwegebenutzungspflicht ernst nehmen. Der Gehweg sollte aber für die Radfahrer dann auch wirklich befahrbar sein. Das war er in den letzten Tagen eindeutig nicht (siehe Foto). Zum Schluss Baustellen haben die unangenehme Eigenart, sich ständig zu verändern. Hat man unter gegebenen Umständen endlich eine akzeptable Lösung gefunden, ist die Lage oft schon wieder anders und man fängt von vorne an. Es wäre also allemal besser, wenn die Belange des Radverkehrs von vornherein schon bei der Planung der Baustelle besser berücksichtigt würden. Im Nachhinein ist das oft sehr viel schwerer. Das ist die Meinung von Fritz Biel |