Piraten lieben Senfsuppe
Die Bahn bringt uns von Frankfurt in die VW-Stadt Wolfsburg. Wir haben hier zu wenig Zeit für die Experimentierlandschaft Phaeno ( www.phaeno.de ). Um alle wissenschaftlichen Wunder zu erleben, braucht man einen ganzen Tag, damit sich der Eintritt (11 €) auch lohnt. Nach einem opulenten Frühstück und der Übergabe der Lunchpakete bringt der Fahrrad Verleih Wolfsburg ( www.fahr-rad-verleih.de ) die 7-Gang Räder für die, die ihre Räder Zuhause ließen. Anfangs haben wir Mühe, den Allerradweg zu finden. Aber wenn man ihn dann erst mal gefunden hat, braucht man nur immer dem Wegesymbol zu folgen. Unterwegs gehen wir im klaren Tankumsee baden und anschließend picknicken wir in Gesellschaft von Enten, Krähen und Blessrallen. Am frühen Nachmittag erreichen wir das niedersächsische Gifhorn und machen uns gleich auf zum Wind- und Wassermühlenmuseum mit vielen Original-Windmühlen. Es gibt Bockwindmühlen, welche auf einem Bock stehen. Das dadurch drehbare Mühlenhaus wird vor Arbeitsbeginn gegen den Wind gedreht. Dann die Kellerholländermühle Immanuel. Die Mühle hat einen Keller, in den Fuhrwerke einfahren können. Die Jalousieflügel können der Windstärke angepasst werden. Die mehrstöckige Galerie-Holländermühle Sanssouci weist eine umlaufende weit ausladende Galerie auf, die sich über dem 4. Gebäudestockwerk befindet. Das Original steht in Potsdam. In der Ausstellungshalle stehen viele maßstabsgetreue Mühlenmodelle, u.a. die mehrstöckige Windmühle am Wall in Bremen, die wir dort später noch im Original bewundern können. Am nächsten Tag machen wir am Kloster Wienhausen unsere Picknickpause. Vor der Reformation lebten hier katholische Nonnen. Ab 1587 setzte man dann offiziell eine evangelische Äbtissin ein. Von starkem Regen begleitet radeln wir nach Celle. Um 17 Uhr empfängt uns der Stadtführer zu einem Rundgang. Celles Altstadt ist geprägt von den reich verzierten Fachwerkhäusern. Die Inschriften geben häufig die ehemaligen Eigentümer der Häuser bekannt. Die Füllhölzer zwischen den Deckentragbalken sind oft mit Eierschnitzereien, so genannten Eierstäben, verziert. Gerade als wir vor dem Turm der Stadtkirche St. Marien stehen, bläst der Turmbläser seinen Choral in alle vier Windrichtungen. Da wir klatschen, bedankt er sich mit einer Zugabe. In der Gruft von St. Marien ist die dänische Königin Caroline-Mathilde begraben. Mit Fünfzehn musste die englische Prinzessin den geisteskranken dänischen König Christian VII. heiraten. Außer, dass er mit ihr seinen Nachfolger Friedrich VI. zeugte, gab es keine Gemeinsamkeiten. Der Leibarzt des Königs, Johann Friedrich Struensee, führte schließlich die Geschäfte im Königshaus. Zwischen ihm und Caroline-Mathilde entwickelte sich eine Liebesbeziehung, aus der die Tochter Louise Augusta hervorging. Der Staatsministers Guldberg intrigierte gegen Struensee mit einem gefälschten Umsturzplan, der 1772 zur Hinrichtung Struensees auf dem Schafott führt. Christian VII. lässt sich von Caroline-Mathilde scheiden, deren Onkel sie nach Celle schickt, wo sie jung verstirbt. Heute ist Siebenschläfer. Die alte Bauernregel besagt: „Das Wetter am Siebenschläfertag, sieben Wochen bleiben mag.“ Es hat heute viel geregnet, es war kühl, sehr windig und es drangen nur vereinzelt Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Schöne Aussichten für die weitere Tour! Morgens bummeln wir über den Celler Wochenmarkt und durch den Park des Celler Residenzschlosses der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. In Wietze besuchen wir das Deutsche Erdölmuseum. 1858 wurden hier ölfündige Bohrungen niedergebracht. 1908 lieferte das Feld Wietze, das „Klein-Texas in der Heide“ 80% der deutschen Ölproduktion. Die Förderung ist schon lange eingestellt, aber die alten Bohrtürme, Bohrgestänge und Pumpen sind verblieben und viele neue Sammelstücke sind dazu gekommen. Im Museum nehmen wir gleich noch unseren Mittagsimbiss ein, ehe wir weiter nach Schwarmstedt radeln, unserem heutigen Etappenziel. Am Donnerstag radeln wir nach Verden. Das Wetter wechselt zwischen Sonne und Regenschauern. Als wir Bosse an der Aller erreichen, meint es das Wetter gut mit uns und wir kehren im Garten des nostalgischen Allerhofes ein. In Verden endet dann der Allerradweg. Bis zum Abendessen benutzen einige das Hallenbad im Hotel, einige ruhen sich aus und andere bummeln durch die Stadt, ehe wir uns abends zum Essen treffen. Am Freitag fahren wir auf dem Weserradweg nach Bremen. Heute machen wir Picknick an der Schleuse Langwedel mit einem Wasserhöhenunterschied von fünf Metern. Bis Bremen haben wir schon 240 Kilometern zurückgelegt. Abends kehren wir auf Pannekoekschip auf der Weser ein, auf dem es leckere Pfannkuchen gibt. Einige essen allerdings die bei Piraten beliebte Senfsuppe, zu der das Rezept und ein kleines Gläschen Senf als Geschenk gereicht wird. Die Suppe schmeckt gut! Zutaten: 50 Gramm Butter, 60 Gramm Mehl, 1/8 Liter Sahne, 1 Liter Bouillon, Senf mit Senfkörnern. Zubereitung: Butter schmelzen, Mehl beifügen, rühren, 10 Minuten garen lassen. Die Bouillon erwärmen und zur Mehlschwitze hinzu fügen, glatt rühren und 10 Minuten kochen. Nach Geschmack Senf und vor dem Servieren Sahne beifügen, die aber nicht kochen darf. Mit gebratenem Speck und geschnittenem Porree lässt sich die Suppe verfeinern. Am Samstag nach einem üppigen Frühstück verabschieden Manfred und ich uns von den anderen. Wir bekommen noch das heutige Lunchpaket. Zum Glück scheint den ganzen Tag die Sonne, der Regen bleibt aus. Gut für unsere Tagesstrecke nach Bremerhaven, denn aus den ursprünglich geschätzten 60 km werden dann doch 89 km. Das erste Stück fahren wir linksseitig der Weser. In Vegesack setzen wir mit der Fähre auf die andere Seite über. In unserer einzigen Pause verzehren wir den Inhalt unseres Lunchpaketes. Gegen 20 Uhr erreichen wir Bremerhaven. Während die anderen sich in Vegesack das Schulschiff Deutschland, ein Dreimaster, auf dem man auch übernachten kann, ansehen, besuchen wir heute das Schifffahrtsmuseum. Wir erfahren viel über das Viermastsegelschiff Pamir, welches seit 1905 als Frachtschiff eingesetzt wurde und das, nachdem Fahrten mit Großseglern unrentabel wurden, weil sie zu lange dauerten, zu einem Segelschulschiff umgewandelt wurde. Die Pamir sank im Jahr 1957 in einem Hurrikan. Nur sechs der 80 Besatzungsmitglieder überlebten auf zwei Rettungsbooten. Das Rettungsboot 6, auf dem ein Kadett überlebte, ist im Museum ausgestellt. Zur Museumsflotte gehört ebenfalls der ehemalige Hochsee-Bergungsschlepper „Seefalke“. Das Stahlschiff wurde 1924 gebaut und im Zweiten Weltkrieg durch einen Bombenangriff versenkt. Nach Ende der Besatzungszeit hat man es geborgen und der Norddeutsche Lloyd setzte es wieder instand. Zwischen 1950 bis 1970 fuhr es viele Einsätze. Im Anschluss an das Museum besuchen wir den Zoo am Meer in Bremerhaven. Im Minizoo mit nur 18 Tiergehegen lebt ein einsamer Eisbär, der nicht so gerne nach Fischen taucht. Er schläft lieber, reckt sich gelegentlich und gähnt gerne. Per Kamera wird er ständig gefilmt. Jeder Besucher kann diese per Mausklick steuern. Wer sehen will, wie der Eisbär im Wasser Fische fängt, sieht sich einfach das Video auf dem Bildschirm an. Wir bekommen beim Frühstücken gar nicht mit, wie der Hermes Versand unsere Räder abholt. Das war leider notwendig, da wir beim Ticketkauf online die Räder nicht mitgebucht haben. Als ich dann die Fahrkarten für die Räder kaufen wollte, erfuhr ich, dass keine Radstellplätze mehr im Zug frei waren. Das wäre nicht passiert, wenn ich die Bahn- und Radfahrkarten am Schalter gekauft hätte. Wer nach Bremerhaven kommt, muss das Auswandererhaus besuchen. Das Erlebnismuseum lohnt sich! Manfred bekommt den Boarding-Pass von Johann Dietel, der 1848, und ich den von Justina Tubbe, die 1855 von Bremerhaven auswanderte. Wir hören über Telefon- und Kopfhörer viel über die damalige Zeit und die Lebensgeschichten einiger Amerika-Auswanderer. Anfangs mit dem Segelschiff war die Reise lang und beschwerlich. Das wird besser und wesentlich kürzer, als Dampfschiffe die Strecke fahren. Unser Zimmer müssen wir bis um 10.30 Uhr räumen. Im Anschluss laufen wir, ohne Räder, aber dafür schwer bepackt, zum Bahnhof. Aufgrund des Bahnstreiks sind schon einige Züge ausgefallen. Der Schalterbeamte sagt uns, dass wir wegen des Streiks alle Züge benutzen dürfen. Zum Glück fährt unser Zug nach Bremen pünktlich ab. In Bremen ist es schon aufregender. Auf dem Gleis, auf dem unser Zug abfahren soll, steht ein anderer Zug, der schließlich abgesagt wird. Auf dem Nachbargleis kündigt man glücklicherweise unseren Zug an, der uns nach Frankfurt zurück bringt. Einen Tag später erreichen auch unsere Räder unbeschädigt Frankfurt. Text und Fotos: Angelika Dietrich und Manfred Feih |