Die ADFC-Fahrradwerkstatt „Hallo, meine Bremsen ziehen nicht richtig und meine Schaltung ist verstellt. Ich habe gehört, dass man das bei euch machen kann“. So oder so ähnlich klingt es häufig, wenn Ratsuchende bei einem Teamer der Fahrradwerkstatt des ADFC Frankfurt anrufen. Mittlerweile hat es sich in Frankfurt und Umgebung rumgesprochen, dass es im Frankfurter Osten einen Ort gibt, an dem man aus seinem Stehrad wieder ein Fahrrad machen kann. Und noch etwas dabei lernt: Die Werkstatt funktioniert unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe – schwarze Finger sind garantiert“. Das Angebot wird inzwischen von etwa 200-300 Leuten pro Jahr angenommen. Werbung muss man für die Werkstatt nicht mehr machen; die Termine werden über die Internetseite des ADFC Frankfurt und über frankfurt aktuell bekannt gegeben. Von den „Kunden“ sind zwar viele „Ersttäter“, aber mittlerweile kommen auch einige Reparaturwillige regelmäßig. Bis dahin war es allerdings ein langer Weg: Ein erster Aufruf für eine Fahrradwerkstatt erfolgte von Rainer Mai in Rad & Tat bereits im April 1991. Dem folgte ein erstes Treffen aller 14 (!) Interessenten am 25.07.1991 in der Geschäftsstelle des ADFC, damals noch in der Eckenheimer Landstraße. Rainer war es dann auch, der in seinen eigenen Räumen die ersten Schraubertermine anbot – aus Platzgründen für maximal 2 Leute. Im Juni 1992 bezog die Werkstattcrew dann in der Waldorfschule Quartier. Dies währte aber nur zwei Jahre, bevor man in das heutige Domizil unter dem Kirchturm der St. Nicolai-Gemeinde umzog. Dort nahm die Werkstatt langsam Gestalt an. Zunächst waren es Privatwerkzeuge und Werkzeugspenden, mit deren Hilfe die nötigsten Reparaturen vorgenommen werden konnten. Bald schon hatte man aber mehr Möglichkeiten. Es konnte gezielt eingekauft und erweitert werden und die passenden Unterbringungsmöglichkeiten kamen dazu. Mittlerweile ist vom Ersatzflicken bis zum Steuerkopf-Einpressgerät alles vorhanden. Daneben zählt die Werkstatt noch auf einen Fundus von Ersatzteilen aus Teilespenden und nicht mehr benötigten Anbauteilen älterer Räder. Grundsätzlich gilt, dass alte oder gebrauchte Ersatzteile kostenlos sind, die Technik AG sich aber im Gegenzug über einen Beitrag in die Spendendose freut. Für die gängigsten Reparaturen hat das Werkstatt-Team (kostenpflichtige) Neuteile besorgt (z.B. sollte bei einer abgenutzten Kette als Ersatz kein gebrauchtes Teil eingebaut werden), die darauf warten angeschraubt zu werden. Als Werkstatt-Teamer fungieren neben den Gründungsmitgliedern Ralf Paul und Rainer Mai noch Peter Wendt, Christof Beschorner, Udo B. Müller und Andreas Dammer, allesamt langjährige Schrauber. Einige der häufig anwesenden Teilnehmer helfen inzwischen aber auch bei den teilweise 15 Kunden, die in den Sommermonaten regelmäßig alle zwei Wochen zu den Kursen einlaufen. Die Termine, die samstagnachmittags stattfinden (von 15 bis ca. 18 Uhr), haben inzwischen kein bestimmtes Motto mehr; gemacht wird alles was an den mitgebrachten Rädern nicht mehr funktioniert. Die Klientel und ihre Wünsche könnten unterschiedlicher kaum sein: Von „Es gibt verschieden große Schrauben…?“ über „Meine Gangschaltung bedient nicht mehr alle Gänge“ bis hin zu „Wie speiche ich mein Hinterrad ein?“ ist alles dabei. Vorkenntnisse werden nicht gefordert; demzufolge sind von Technik unbeleckte SchrauberInnen im Sonntagsstaat ebenso vertreten wie Fahrradmechaniker im Blaumann. Häufigste Probleme sind: Licht, Bremsen, Gangschaltung. Platten werden nur noch selten geflickt. Ein Verdienst der Technik-Kurse? Leider ist es kaum möglich, das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ voll durchzuziehen. Zwar sind zu jedem Werkstatt-Termin zwei Teamer für die Interessenten da, aber wenn die Hütte voll ist und viele Leute warten, greifen die Teamer häufig selber zum Schraubenschlüssel, damit es doch etwas schneller geht. Viele Leute bringen aber Zeit mit, fachsimpeln, schauen interessiert zu und helfen sich gegenseitig. Wem die Materie Fahrrad nicht so liegt, der guckt sich einfach die Puppenwerkstatt an, die im Keller ebenfalls ihr Domizil hat. An manchen Nachmittagen wird auch mal ein Tee getrunken und einige Teilnehmer bringen Kuchen mit, so dass aus dem Schraubkurs mitunter ein richtiges Happening wird. Wenig verwunderlich, dass meistens mehr als die zwei etatmäßigen Teamer an Bord sind. Gelegentlich wird der Werkstatt-Termin von stimmungsvollen Orgelklängen untermalt, schraubt man doch quasi unter dem Altar der Kirche. Mittlerweile beschränkt sich das Verhältnis zur Kirchengemeinde St. Nicolai aber nicht mehr nur auf das Überlassen der Räume – inzwischen sind die Werkstattkurse zu einer Kooperationsveranstaltung der Gemeinde mit dem ADFC gekommen. Davon profitieren beide Seiten, denn die Teilnehmer schnuppern ganz gerne mal bei der Gemeinde, andere kommen von dort und wollen mal schauen, was so in der Werkstatt getan wird, über die immer alle reden. Die Teamer, die in dieser Besetzung schon seit gut sechs Jahren zusammen schrauben, lernen nicht nur durch die Anforderungen der Teilnehmer und deren Räder. Gelegentlich finden auch Info-Nachmittage quasi als Weiterbildung für die Teamer statt. Die Entwicklung der Technik steht ja nicht still und fast niemand von den Teamern hat beruflich mit Rädern zu tun. Die ADFC-Werkstatt sieht sich nicht als Konkurrenz zu den Fahrradläden. Nach anfänglichem Murren haben die das auch eingesehen und sind inzwischen insgeheim froh über das Zusatzangebot. Hintergrund ist, dass Fahrradreparaturen wegen der Arbeitszeit sehr teuer geworden sind. Niemand sieht gerne ein, für eine Reifenreparatur 30 Euro zu berappen. Aus den gleichen Gründen müssen die Läden häufig auch darauf verzichten, noch halbwegs funktionsfähige Teile zu richten, sondern ersetzen sofort. Auch haben es die kommerziellen Werkstätten nicht gerne, wenn dort nicht im eigenen Laden gekaufte Räder zur Reparatur landen. Derartige Zeit- und Berührungsprobleme kennt die ADFC-Werkstatt nicht. Sie hilft bei allen Schwierigkeiten und Fabrikaten. Womit ein weiterer wichtiger Punkt angesprochen wäre: Wegen der Vielzahl der anstehenden Reparaturen sucht die Werkstatt Verstärkung. An das Team kann sich jeder wenden, der viel Spaß und ein wenig Geschick im Umgang mit Fahrradtechnik und Leuten hat. Eingearbeitet wird man/frau auf jeden Fall und die Kurse sind mindestens immer mit zwei Teamern bestückt, so dass gefragt werden kann und stets noch mal jemand drüber gucken kann. Die meisten Werkstattler hatten am Anfang auch nur zwei linke Hände und sind erst über die Jahre zu versierten Schraubern geworden. Besonders gerne würde das Team auch mal eine Schrauberin in seinen Reihen begrüßen. Bikes reparieren ist schließlich keine Männersache. Der Spaß kommt auch nicht zu kurz: Seit einem Jahr gibt es mittlerweile einen Stammtisch, der ausschließlich aus den Teamern besteht. Dabei werden die weitere Kursplanung besprochen, Neuanschaffungen diskutiert, gut gegessen und viel geblödelt. Bis es dann samstags wieder heißt… „Hallo, meine Bremsen ziehen nicht richtig und meine Schaltung ist verstellt. Ich habe gehört, dass man das bei euch machen kann“ … Schraubenschlüssel raus! Andreas Dammer (unter tätlicher Mithilfe von Rainer Mai) |