Sondernutzungen
Wer sein(e) Geschäft(e) in den öffentlichen Raum ausweiten will, braucht eine Genehmigung für diese „Sondernutzung“. Wenn in den Medien bislang über Beeinträchtigungen durch Sommergärten oder Geschäftsauslagen berichtet wurde, war immer nur von den Folgen für die Fußgänger die Rede. Dabei sind die Auswirkungen auf den Radverkehr keineswegs weniger ärgerlich. Mit größter Selbstverständlichkeit gehen die Geschäftsinhaber davon aus, dass die Fußgänger ja auf den Radweg ausweichen können und man tritt den Genehmigungsbehörden sicher nicht zu nahe, wenn man vermutet, dass sie lange Zeit mehr oder weniger klammheimlich genau so dachten. Ingmar Bolle, Referent von Verkehrsdezernent Lutz Sikorski (Die Grünen), hat jüngst anlässlich zunehmender Beschwerden eine Überarbeitung der Sondernutzungssatzung angekündigt. Der richtige Zeitpunkt also für den ADFC, sich zu Wort zu melden und die bessere Berücksichtigung des Radverkehrs einzufordern. Noch im letzten August hatte Rainer Michaelis, Leiter der Frankfurter Hilfspolizei, nach einer Kontrollaktion seiner Behörde in der Berger Straße mitgeteilt, es gäbe kaum Beschwerden und bei den Kontrollen oft nichts zu kritisieren (FR v. 17.8.2006). Das stellt nicht zuletzt den Radfahrer/innen ein schlechtes Zeugnis aus, denn sie hätten in vielen Fällen allen Anlass, sich zu beschweren. Zumindest im Nordend scheint die Situation eine andere zu sein, denn Christian Falk, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Ortsbeirat 3 berichtet von immer wieder auftauchenden Beschwerden über ausufernde „Sondernutzungen“ und fordert neue Regeln für den Platz an der Sonne (FR v. 19.7.2007). Legal / illegal Nun ist keineswegs alles genehmigt, was einem so auf den Straßen an Tischen, Stühlen, Blumenkübeln, Verkaufsauslagen Ständen und Ständern begegnet. Mindestens 1,20 Meter sollen nach der aktuell gültigen Satzung für die Fußgänger verbleiben. Eine solche Breite wäre nach den einschlägigen Richtlinien nicht einmal ausreichend, wenn sie eingehalten würde. Auf den Fotos ist aber unschwer zu erkennen, dass das häufig nicht der Fall ist. „Wir werden das wohl so auf 1,5 Meter hochsetzen, wenn wir die Satzung überarbeiten“, so wird Ingmar Bolle in dem erwähnten Artikel zitiert. In den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 95) wird für die Breite von Gehwegen neben Radwegen schon für Straßen ohne jegliche Bebauung eine Mindestbreite von 1,5 Meter gefordert. Das reicht nach den einschlägigen Regelwerken (RAS Q, EAHV 93) gerade mal für die Begegnung von zwei Fußgängern ohne Taschen, Koffer oder sonstige Verbreiterungen – von erforderlichen Sicherheitsabständen ganz zu schweigen. Schon für Hauptverkehrsstraßen mit mittlerer Nutzungsintensität sehen die Richtwerte Mindestbreiten von drei Metern vor – bei Radwegbreiten von zwei Metern! Spielverderber? Zitieren wir noch einmal Christian Falk (CDU) vom Ortsbeirat 3 (Nordend): „Wir wollen keine Spielverderber sein, aber die Spielwiese für alle erhalten.“ Spielverderber sind unbeliebt. Auch wenn nicht jede Hauptverkehrsstraße als „Spielwiese“ geeignet ist, tut man gut daran, die Kirche im Dorf zu lassen. Aber angesichts der ständig wiederkehrenden Klagen über Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern kann man vor den Auswirkungen der bisherigen Genehmigungspraxis nicht die Augen verschließen. Kein Fußgänger legt Arme und Ohren an, um in engstem Abstand an Tischen und Stühlen entlang zu streifen. Er benutzt stattdessen den Radweg. Bei steigender Fahrradnutzung – und die ist ja von allen gewollt – kann das auf Dauer nicht gut gehen. Nebenbei: Dem ersehnten urbanen Flair ist mit den institutionalisierten Querelen wohl auch kaum gedient. Dabei geht es keineswegs nur um Geh- und Radwege an Hauptverkehrsstraßen. Es geht auch um die Situation in Fußgängerzonen und auf Plätzen. Viele Verbindungen für den Radverkehr sind selbst beim Bau neuer Fahrradrouten nur noch unter Inanspruchnahme von Fußgängerbereichen realisierbar (Opernplatz, Goetheplatz, Steinweg, Hauptwache, Konstablerwache). Die neuen Pläne für Zeil und Konstablerwache sehen gerade in den kritischen Querungsbereichen (z.B Stiftstraße / Hasengasse, Fahrgasse / Große Friedberger) neue gastronomische Angebote vor. Der Opernplatz fällt als wichtigste Fahrradverbindung vom Westen in die Innenstadt im Sommer oft tagelang aus, weil die von den Genehmigungsbehörden vorgeschriebenen Durchlässe bei Festen und Veranstaltungen regelmäßig mit Tischen, Bänken, Schirmen, Fähnchen und Speisekarten zugestellt werden. Dazu kommen gefährlich steile Kabelabdeckungen, die schon so manchen unachtsamen Radfahrer im Gewimmel unsanft zu Fall gebracht haben. Auch in den Stadtteilen sind in den letzten 20 Jahren immer mehr Plätze, die zentrale Verteilfunktionen gerade für den Radverkehr haben, in Fußgängerbereiche umgewandelt worden. Die Außengastronomie hat enorm zugenommen, an vielen Stellen geht es eng zu (z.B. Zufahrt zur Markthalle am Liebfrauenberg). Wenn dann noch ein Markt dazukommt, gibt es tageweise kaum noch ein Durchkommen (z.B. am Eschenheimer Tor). So ist der einzige vernünftig befahrbare Zugang von der Innenstadt zum Hauptbahnhof über die Kaiserstraße an zwei Tagen in der Woche für Radfahrer dicht (s. Foto). Was tun? Bei der Überarbeitung der Sondernutzungssatzung müssen die Bedürfnisse der radfahrenden Menschen stärker berücksichtigt werden, als das bisher der Fall ist. Das gilt nicht nur dort, wo Radwege sind, sondern auch für Fußgängerbereiche, denen eine wichtige Querungs- oder Erschließungsfunktion für den Radverkehr zukommt. Über die Reduzierung des Konfliktpotentials kommt dies nicht zuletzt auch den Fußgängern zugute. Mit Engpässen, wo sich alles knubbelt ist keinem gedient. Die Restbreite von Gehwegen und Durchgängen muss in Abhängigkeit von Nutzungsintensität und Sichtverhältnissen und Ausweichmöglichkeiten differenziert geregelt werden. An Hauptverkehrsstraßen mit entsprechendem Aufkommen an Fuß- und Radverkehr sollte eine real nutzbare Mindestbreite von zwei Metern nicht unterschritten werden. Eine Genehmigung für Außengastronomie in Bereichen mit Radwegen sollte zur Voraussetzung haben, dass der Radweg auch unter ungünstigen Umständen eindeutig als solcher erkennbar ist (Stichwort Bau- und Planungsstandards). Gegebenenfalls muss der Radweg im Bereich der Engstelle mit deutlich sichtbaren Fahrradpiktogrammen zusätzlich gekennzeichnet werden. Last but not least, muss auch bei der Genehmigung von Märkten, Konzerten und Festen künftig stärker darauf geachtet werden, dass ausreichen breite Wege für Fußgänger und Radfahrer nicht nur auf dem Verfügungspapier stehen, sondern auch in der Realität nutzbar sind. Text und Fotos: Fritz Biel |