Franken satt
Deutschland, Mitte August 2006. Das ganze Land ist von einem Regengebiet besetzt. Das ganze Land? Nein, im Südosten gibt es einen für seine Trockenheit bekannten Landstrich, in dem eine unbeugsame Schar von Radfahrern aus Bad Vilbel, Frankfurt und Stuttgart unterwegs ist. Doch sie kommen in Oberfranken nicht so recht voran. Das liegt nicht an den hervorragend gepflegten und (mit wenigen Ausnahmen…) gut markierten Radrouten, sondern an einer regionalen Besonderheit. Denn im „Bierland“, wie die Gegend um Bamberg, Bayreuth und Kulmbach auch genannt wird, gibt es in jedem Dorf ein Wirtshaus, in jedem zweiten einen schönen Biergarten und in ungefähr jedem dritten eine selbstständige Brauerei. Diese großartigen Kulturgüter musste die zwölfköpfige ADFC-Gruppe natürlich ausgiebig testen. Von Bamberg ging es auf dem „Hochweg Fränkische Schweiz“ mitten durch die von ehrgeizigen Touristikern erfundene „Fränkische Toskana“ in die Wagner-Stadt Bayreuth, am „Roten Main“ entlang in die „heimliche Bier-Hauptstadt“ Kulmbach und am „richtigen“ Main zurück nach Bamberg. „Bike & Bier – Franken satt“ hatte Organisator Joachim Hochstein die viertägige Tour genannt. Damit sich dieses Motto erfüllte, hatte er zur Vorbereitung modernste Technik zur Hilfe genommen. Mit „Google Maps“ hatte er nicht nur alle Wege im Internet auf Satellitenbildern abgefahren, sondern auch einen Blick auf Größe und Qualität der Brotzeiten in den Biergärten geworfen. Zwei Mal musste sich selbst der Diplom-Geograf geschlagen geben. Zwischen Bayreuth und Kulmbach nämlich werden Radler auf tückische Weise auf einen zehn Kilometer langen Umweg geleitet – vermutlich auf Betreiben von Gemeinden, die auch vom boomenden Fahrradtourismus profitieren wollen. Und zwischen Bamberg und Bayreuth gibt es im Umkreis von 20 Kilometern gleich zwei Orte namens Drosenfeld. Nur in einem der beiden gibt es eine hoch gepriesene Brauereigaststätte – die durstigen Radler waren im anderen… Aber das machte nichts, denn einen Reinfall kann man in der fränkischen Gastronomie kaum erleben. Weißwürste, Sauerbraten, Schweinshaxen, Klöße, Ziebeleskäs’ oder der einmalige Krapfen in Form eines (Fahrrad-?)Helms lassen das Motto „Leben wie Gott in Franken“ wahr werden. Das Preis-Leistungsverhältnis empfanden die Radler, die in der Rhein-Main-Region anderes gewöhnt sind, als äußerst fair. Zum Schluss kamen trotz aller Verlockungen am Wegesrand insgesamt 240 Kilometer zusammen. Mit einem Vorurteil muss an dieser Stelle einmal aufgeräumt werden: Beim Biertrinken geht es nicht um den Alkohol! Wie die Gruppe im Bayerischen Brauereimuseum in Kulmbach aus profunder Quelle erfuhr, schätzt der Biertrinker vor allem die beruhigende Wirkung des Hopfens, der Seele des Bieres. So brachte es niemanden aus dem Gleichgewicht, dass bei der Rückfahrt der Franken-Radexpress, der zwischen Bamberg und Aschaffenburg verkehrt, viel zu früh ankam und der Regionalexpress-Anschlusszug nach Frankfurt verspätet und gut gefüllt war. Es waren alle Teilnehmer noch so entspannt vom Hopfengenuss. Günter Murr ( Fotos: Dr. Ute Gräber-Seißinger) |