Feinstaub – ein Wort in Aller Munde
Für uns Radler ist Staub kein neues Phänomen. Auf sommerlichen Feldwegtouren mahlen wir ihn zähneknirschend im Mund. Auch wissen wir um die aufreibende Wirkung für Kette und Ritzel. Die Sorte Staub, die uns Stadtmenschen aber auf bedrohliche Art quält, ist der so genannte Feinstaub. Aber zuerst etwas Theorie. Die Erdatmosphäre und damit der unmittelbare Lebensraum des Menschen ist ein Aerosol, ein Zweiphasensystem bestehend aus Gas- und Partikelphase. Sämtliche dieser in der Luft verteilten Feststoffe werden unter den Begriffen „Staub“ oder „Partikel“ zusammengefasst. Ihre Größe liegt zwischen 0,001 und 100 Mikrometern (µm). Für den Menschen bedeutsam sind vor allem die Feinstäube (Partikel kleiner als 10 µm). Feinstäube stammen aus natürlichen und anthropogenen Quellen. Partikel natürlicher Herkunft werden vom Erdreich aufgewirbelt oder gelangen über Vulkanausbrüche in die Atmosphäre. Die Hauptaufmerksamkeit der Aerosolwissenschaftler richtet sich auf anthropogen erzeugte Partikel. Sie entstammen im Wesentlichen dem Auspuff dieselbetriebener Fahrzeuge. Aber auch beim Abrieb von Bremsen, Autoreifen und Straßenbelag werden Partikel freigesetzt. Der Anteil der jährlichen Feinstaubemissionen, der vom Verkehr verursacht wurde, lag im Jahre 2002 bei 51%. Spitzenwerte treten vor allem in der Nähe von viel befahrenen Straßen und Industriegebieten auf. Aber was bedeutet das für den Menschen? Die amerikanische Umweltbehörde EPA hat 2004 eine umfassende Bewertung von Feinstäuben vorgelegt. Die Liste der Kurzzeiteffekte ist lang. Sie reicht von einer erhöhten Sterblichkeitsrate, vermehrten Krankenhausaufenthalten und Arztbesuchen wegen Herz-Kreislauf bis zu Atemwegeserkrankungen. Langfristig wird mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko gerechnet. Der Verlust an Lebenserwartung in der Bevölkerung kann dabei die Größenordnung eines Jahres erreichen. Am 1. Januar dieses Jahres ist die EU Richtlinie 1999/30/EG zur Begrenzung von Feinstaubemissionen in Kraft getreten. Im Jahresmittel dürfen seither nur noch 40 Mikrogramm Feinstaub in einem Kubikmeter Luft enthalten sein. Ausnahmen sind für maximal 35 Tage pro Jahr zugelassen, an denen wiederum höchstens 50 Mikrogramm erreicht werden dürfen. Diese zugelassene Überschreitung wurde bereits nach drei Monaten in mehreren Großstädten überschritten und löste auch in Frankfurt kontroverse Diskussionen aus. Nun soll der Frankfurter Magistrat auf Beschluss des Stadtparlamentes bis Juli einen Bericht über die Feinstaub- und Stickoxidbelastung der Luft für die Frankfurter Innenstadt vorlegen. Das Institut für Epidemiologie des GSF Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit hat übrigens eine für uns Radfahrer vielleicht überraschende Feststellung gemacht. In einer Studie kam die Wissenschaftlerin Annette Peters zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass Autofahrer und Buspassagiere doppelt so viele Partikel einatmen wie Radfahrer. Obwohl wir Radler schneller Atmen und dadurch wesentlich mehr Stadtluft inhalieren. Die Erklärung von Frau Peters: Radler können flott am Stau vorbeiziehen, statt minutenlang in den Rußwolken des Vordermannes zu stehen. Aber dies ist natürlich kein Grund für uns aufzuatmen. Die Feinstaubproblematik zeigt einmal mehr, dass der ADFC mit seiner jahrzehntelangen konsequenten Radverkehrspolitik richtig gelegen hat. Viele unserer alten Forderungen finden endlich den Weg in die Köpfe unserer Politiker. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht locker lassen und uns weiterhin dafür einsetzen unsere Innenstädte fahrradgerechter und damit lebenswerter zu machen. Uwe Hofacker |