Innenstadtentwicklung – neue Akzente
Im März erhielt die Diskussion um die Attraktivität der Bad Vilbeler Innenstadt durch öffentliche Veranstaltungen des Stadtmarketing-Vereins und des SPD-Arbeitskreises Innenstadtentwicklung neue Impulse. Die dabei erwogenen Vorschläge gaben Denkanstöße, stimmen jedoch in ihrer überwiegenden Zahl aus radverkehrspolitischer Sicht skeptisch. Die Stadtverwaltung ließ sich von Christian Klotz, einem Stadtrat aus Bad Reichenhall, der vom Stadtmarketing-Verein als Experte in Sachen Stadtmarketing vorgestellt wurde, den Spiegel vorhalten. Die Innenstadt berge viele ungenutzte Potenziale, um dem gewerblichen Umsatz auf die Beine zu helfen. Klotz’ Rezeptur lautete kurz gefasst: Zweispuriger Ausbau des Kreisels am Eingang zur Innenstadt, Beseitigung der Poller längs der Fahrbahn der Frankfurter Straße, Aufstockung der Verkaufsflächen und des Sortiments, Ansiedlung von Fachmärkten, Ausweitung der Straßengastronomie, Vereinheitlichung der Gebäudearchitektur, 600 zusätzliche Pkw-Parkplätze. Doch ob diese Mixtur tatsächlich zu einer lebendigeren, bunteren, von Leben pulsierenden Innenstadt beiträgt, ob die Gleichung „mehr Autoverkehr = mehr (Einkaufs-)Besucher = mehr Umsatz“ aufgeht, erscheint fraglich. Wenn der Pkw-Durchsatz in der Frankfurter Straße durch die Aufhebung der laut Klotz „künstlichen Verengung der Fahrbahnen“ stadteinwärts weiter steigt, ist umgekehrt zu erwarten, dass sich die Aufenthaltsqualität für die nicht motorisierten Mitbürger ebenso wie für die Anwohner im Vergleich mit dem gegenwärtigen Zustand nochmals verschlechtern wird. Wer kann schon dort entspannt bummeln, vor den Schaufenstern verweilen und angeregt plaudernd im Freien beim Espresso sitzen, wo sich zur gleichen Zeit Kraftfahrzeuge dicht an dicht durchwälzen? Die Stadtverwaltung zeigt sich experimentierfreudig und teilt solche Bedenken offenbar nicht. Sie wolle überprüfen, ob man in der Einkaufsstraße auch ohne Poller zu einer befriedigenden Verkehrsführung ohne Gefährdung von Fußgängern gelangen könne, so Stadtrat Jörg Frank. Pollerreihen wirkten einfach abweisend für kraftfahrende Kunden der Innenstadt und seien „darüber hinaus nicht sonderlich schön“. Auch die Klotzsche Idee, den Kreiselverkehr künftig zweispurig zu führen und dafür die Busspur in eine Fahrspur umzuwandeln, griff sie wohlwollend auf. Weniger offen ist sie für Vorschläge zur Eindämmung des Kfz-Durchgangsverkehrs in der Innenstadt. Verkehrsberuhigung scheint für die Bau- und Verkehrsplaner der Stadt lediglich ein Reizwort ohne faktischen Belang zu sein. Anders lässt sich kaum erklären, dass sie die Umkehrung der Einbahnrichtung, die die Chance böte, den Durchgangsverkehr in der Frankfurter Straße zu senken, nicht als ernst zu nehmende Option begreifen. Anders lässt sich auch kaum erklären, dass sie die Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h im innerstädtischen Teil der Frankfurter Straße mit der Begründung ablehnen, das zusätzliche Verkehrsschild störe das Stadtbild und setze die Kraftfahrer der Gefahr der Reizüberflutung aus – eine Gefahr, die im Fall von Hinweis- und Werbeschildern weniger schwer wiege, denn diese hätten schließlich „für Kunden der Innenstadt eine wichtige Funktion“. Darüber hinaus sei man aufgrund von Messungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Durchschnittsgeschwindigkeiten zu verschiedenen Tageszeiten zwischen 23,3km/h und 28,48 km/h liegen. Als Spitzenwert seien 43 km/h festgestellt worden, die höchsten Durchschnittsgeschwindigkeiten seien in den Morgenstunden zwischen 7 Uhr und 8 Uhr, das heißt in einer Zeit mit relativ geringer Verkehrsdichte, gemessen worden. Nicht zuletzt drängt sich der Verdacht auf, dass die Stadt mit ihrer offiziellen Begründung ein taktisches Ablehnungsmotiv verschleiert: Seit langem sperrt sie sich dagegen, die Einbahnverkehrsregelung der Frankfurter Straße für Radfahrer aufzuheben. Diese Maßnahme steht im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung, wenn sie mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h verknüpft wird. Wer jedoch letzteres anordnet, der würde sich eines Argumentes berauben, das gegen ersteres spricht … Anwohner, Fußgänger, Radfahrer, Schülerinnen und Schüler der Stadtschule und nicht zuletzt die Inhaber der Geschäfte und Lokale dürfen sich die folgende Zukunftsvision ausmalen: In der Frankfurter Straße gibt es keine Poller mehr. Die verbreiterte Fahrbahn erleichtert für Kraftfahrer die zügige Durchfahrt, mithin gibt es – auch ohne eine zweispurige Verkehrsführung im Kreisel, die die Stadt mittlerweile verworfen hat – keine Staus mehr. Die Autofahrer finden reichliche Parkplätze vor. Der Kfz-Verkehr fließt, unbehelligt von störenden Tempobegrenzungsvorschriften, dafür aber ermuntert durch die vergrößerte Verkehrskapazität, schnell und dicht durch die Innenstadt. Gewaltige Komfortgewinne also für die automobile Form der menschlichen Fortbewegung. Für die übrigen Formen aber: Nichts wie weg(bleiben)! Dr. Ute Gräber-Seißinger
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