Eigentum ist nicht gleich Eigentum In der letzten Ausgabe von frankfurt aktuell hatte ich darüber berichtet, dass mir bisher drei Räder „zugelaufen“ sind, die ich nach Ablauf der sechsmonatigen Frist vom Fundamt als Eigentum überlassen bekam. Kurze Zeit später meldete sich bei mir ein Frankfurter ADFC-Mitglied und schilderte mir folgenden Sachverhalt: Seine Eltern hatten ein Damenfahrrad gefunden und der lokalen Polizei gemeldet. Diese verwies auf das örtliche Fundamt, wohin es dann auch verbracht wurde. Nach sechs Monaten erhielten die Finder die Mitteilung, dass sie das Fahrrad gegen eine geringe Gebühr wieder abholen könnten, da sich kein Eigentümer gemeldet habe. Gesagt, getan. Man reparierte das Rad, zog neue Reifen auf und freute sich über den Fund. Aber plötzlich meldete sich ein Bürger, reklamierte das Rad als sein Eigentum und verlangte dessen Herausgabe. Damit wären die Finder ja noch einverstanden gewesen, doch wollten sie wenigstens die Reparaturkosten und die Fundamtgebühren ersetzt sowie den gesetzlichen Finderlohn zugesprochen bekommen. Beides lehnte der vorgebliche Eigentümer ab und erhielt Rückendeckung durch die Polizei, denn der hatte er damals den Verlust des Fahrrades ordnungsgemäß gemeldet. Offenbar hatte zwischen Fundamt und Polizei kein Datenaustausch stattgefunden. Was ist zu tun? Unser Rechtsexperte Roland Huhn schreibt uns dazu: „meiner Ansicht nach müssen die Finder das Fahrrad an den ursprünglichen Eigentümer, also den Verlierer oder Bestohlenen, herausgeben. Sie haben aber einen Anspruch auf den gesetzlichen Finderlohn und auf Ersatz sämtlicher Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Fund des Fahrrads. § 936 BGB bestimmt: „Abs. 1 Mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde erwirbt der Finder das Eigentum an der Sache [...]“ Der Finder ist also nun von Gesetzes wegen der rechtmäßige Eigentümer des Fundrads. Aber was ist, wenn der frühere Eigentümer sich (wie im vorliegenden Fall) nachträglich meldet? Das ist in § 977 BGB geregelt: „Abs.1 Wer infolge der Vorschriften der §§ 973 [...] einen Rechtsverlust erleidet, kann in den Fällen der §§ 973 [...] von dem Finder [...] die Herausgabe des durch die Rechtsänderung Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Abs. 2 Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf von drei Jahren nach dem Übergang des Eigentums auf den Finder [...]“ Der Verlierer kann bis zu drei Jahre nach dem Eigentumsübergang (also 3 1/2 Jahre nach dem Fund) „die Herausgabe des Erlangten“ (hier: des Fahrrads) verlangen. Im vorliegenden Fall waren erst zwei Monate vergangen. Hätte der Finder das Fahrrad verkauft, müsste er den Verkaufserlös abgeben. Wenn „das Erlangte“ noch vorhanden ist, muss er es herausgeben, gleichgültig, in welchem Zustand es sich befindet. Das ist in den Vorschriften des BGB über die „ungerechtfertigte Bereicherung“, §§ 812 BGB ff, so geregelt. Der Finder hat andererseits nach § 818 BGB einen Anspruch auf Ersatz aller Verwendungen, die er auf die Fundsache gemacht hat. Das sind neben den Gebühren beim Fundbüro auch Reparaturkosten, selbst dann, wenn sie den Wert des Fahrrads zur Zeit der Rückgabe nicht erhöht haben, und Kosten des Rücktransports zum Verlierer. Im BGB-Kommentar von Palandt heißt es, zu ersetzen seien alle Verwendungen (gemeint: Auslagen), die der Finder im Vertrauen auf die Beständigkeit des Rechtserwerbs gemacht hat (Palandt, § 818, Rand-Nr. 41). Dem Finder sollen nämlich durch den Fund und seine Folgen keine Nachteile entstehen. Solange der ursprüngliche Eigentümer diese Auslagen nicht ersetzt, hat der Finder ein Zurückbehaltungsrecht. Außerdem steht ihm ein Ersatz für Aufwendungen zur Ermittlung des Verlierers zu (§ 970 BGB), z. B. für Wege zum Fundbüro, und nicht zuletzt der gesetzliche Finderlohn. Er beträgt nach § 971 BGB vom Wert der Sache bis 500 EUR 5% und von dem Mehrwert 3%. Auch insoweit hat der Finder ein Zurückbehaltungsrecht (§ 972 BGB). Darauf, ob das Fahrrad gestohlen oder verloren war (eigentlich kann man ein Fahrrad ja gar nicht verlieren wie z. B. eine Armbanduhr – oder?) und auf etwaige Versäumnisse von Fundamt oder Polizei kommt es meines Erachtens nicht an. Es handelt sich um ein rein zivilrechtliches Problem. Im Ergebnis darf sich der ehrliche Finder durch den Fund jedenfalls nicht schlechter stellen, als wenn er nichts gefunden hätte.“ So also der juristische Befund. Aber die Sache hat sich inzwischen erledigt, weil Dank unserer Intervention das LKA Baden-Württemberg die örtliche Polizei und das Fundamt über die rechtliche Situation aufgeklärt und das Fundamt den Findern einen Entschuldigungsbrief geschickt hat, in dem die Rückerstattung der Verwahrgebühren angeboten wurde. Die Aufwendungen für die neuen Reifen wurden vom Verlierer zwischenzeitlich erstattet. Finderlohn wurde nicht gezahlt, weil bei der Fundaufnahme das entsprechende Feld, ob Finderlohn verlangt wird, mit „nein“ angekreuzt war, obwohl dies de facto nie erklärt worden war. Ich gebe zu, ich habe viel dazu gelernt. Aber offenbar ist diese Information in den Fundämtern und bei der Polizei kein Standardwissen. Anders ist mir nicht plausibel, warum bei der Herausgabe von Fundgegenständen keine Rechtsbelehrung dieser Art stattfindet. Haben wir hier Veranlassung, Aufklärung zu betreiben? Ich denke ja. Alfred Linder |