Von München zum Königssee
Den ersten Teil der Route Bodensee – Königssee hatten wir an Ostern genossen. Nun folgt Ende Mai der zweite Teil: Start ist Fischbachau, das Ziel ist Schönau am Königssee im äußersten Südosten Deutschlands. Fischbachau ist mit der Bayrischen Oberlandbahn von München in Richtung Bayrisch Zell leicht zu erreichen. Die Route führt über knapp 170 km und ist im Vergleich zum ersten Teil relativ flach (1.050 Höhenmeter). Wir wollen das in zwei Tagen schaffen und uns dann nach einem schönen Rückweg nach München umschauen. Die ersten 10 km hinter Fischbachau sind ein wunderbarer Anfang. Es geht auf erstklassigen, aber ruhigen Wegen durch die ersten Alpenhügel, aus denen man aber leider bald wieder heraus fährt. Gaby: Nicht zu vergessen die kulturellen Highlights am Rande. Wir sind am Vatertag unterwegs und treffen bereits beim Einradeln auf die erste volkstümliche Besonderheit: Zehn oberbayerische Väter mit Waschbrettbauch in landesüblichen Lederhosn, sitzend auf Pferdekutsche mit stattlichem Haflingergespann. „Mai lieaber!“ Entlang der Alpen radeln wir durch Wiesen nach Osten in Richtung Chiemsee und überqueren nach 30 km den Inn. Es bleibt flach, dafür verläuft der Radweg recht nahe an der Autobahn, die man nicht sehen, dafür aber hören kann. Nach Bernau wird es wieder schön. Wir vermissen zwar die Hügel, aber auch die Moore haben einiges zu bieten. In Bergen suchen wir uns mit etwas Mühe ein Zimmer. Die Feriensaison hat begonnen und wir sind mitten im Urlaubsgebiet. Wir lernen daraus und reservieren ein Zimmer für die nächste Nacht in Schönau. Die Übernachtungspreise sind hier deutlich niedriger als im Allgäu. Im Rückblick gesehen ist die heutige Strecke die schwächste zwischen Bodensee und Königssee, sie hat Transitcharakter. Aber wir stellen auch fest: Wir sind inzwischen ziemlich verwöhnt... Weiter geht es am nächsten Morgen der Traun entlang nach Traunstein. Gaby: Aus der zufälligen Begegnung mit dem hiesigen Rad-Verleiher (der uns wieder auf den richtigen Weg bringt) erfahren wir, dass in Traunstein der Radrouten-Schilderklau umgeht. Deshalb der Appell: Leute, lasst die Schilder hängen!!! Nach Traunstein genießen wir eine idyllische Hügellandschaft mit grünen Wiesen, blauem Himmel und strahlender Sonne. Wie in der Werbung – nur dass man für die Erfrischung selber sorgen muss. Das ist aber nicht schwer – im schattigen Biergarten neben dem Kloster am Höglwörter See schmeckt so eine Halbe Radler einfach unglaublich. Ab Bad Reichenhall haben uns die Alpen wieder. Zuerst sind sie nur immer besser zu sehen, dann werden sie immer größer und klarer. Und prompt geht es auch wieder steil bergauf. Die nächsten 10 km haben es in sich. Wir fahren auf dem Radweg abseits der Bundesstraße nach Berchtesgaden, und stellenweise müssen wir über die Schotterstrecke schieben. Das Tal wird nun ziemlich eng, der Weg leidet darunter, ab und zu müssen wir kurz auf die stark befahrene Straße. Das gefällt uns zwar nicht - aber erstens gibt es keine Alternative und zweitens wird die Aussicht immer toller. Ein gutes Stück vor Berchtesgaden ist wieder Ruhe, wir sind allein auf einer Nebenstrecke und rollen hintenherum in die Stadt hinunter, direkt auf den Schlossplatz. Dort halten wir erst mal den Kopf in den Brunnen, bevor wir entlang der Königsseer Ache zum Königssee gelangen. Die Aussicht dort ist wunderschön, das Wasser eiskalt - und der Rummeltourismus abschreckend. In Schönau aber, nur 2-3 km vom See entfernt finden wir ein nettes, ruhiges Zimmer, und das Essen beim Waldhauser Bräu glänzt durch leckere, riesige Portionen, selbst gebrautes Bier (ebenfalls sehr, sehr lecker) und vernünftige Preise. Nach gut 80 km in der Affenhitze finden wir alles prima, lassen es uns gut gehen und genießen die Aussicht auf die Berge, wenngleich man den Watzmann, Deutschlands zweithöchsten Gipfel, von Schönau aus leider nicht sehen kann. Gaby: An dieser Stelle unsere persönliche Übergabe des ersten Preises an die Schönauer Zimmervermieter in Sachen Fahrradfahrer-Freundlichkeit! Die erste Familie hat nur noch ein Zimmer ohne Dusche, kümmert sich aber bis zu unserer Ankunft um eine Alternative mit Dusche. Wir werden von dort mit dem „Radl“ von unserer Vermieterin abgeholt. Und am nächsten Morgen gibt's noch die absoluten Geheimtipps für die nächsten 30 Kilometer – KLASSE! Der Radweg vom Bodensee endet hier. Von Berchtesgaden oder von Traunstein kommt man leicht nach Hause, beide Städte haben einen direkten IC-Anschluss nach Frankfurt. Wir haben noch zwei Tage Zeit und wollen durch die Alpen zurück an den Inn radeln. Auf ruhigen Nebenstraßen fahren wir zum Hintersee, und von dort auf der alten Reichenhaller Straße (und der B 305) über Schneitzlreuth und Inzell nach Ruhpolding (rd. 50 km). Dabei ist es ganz schön bergig, es steigt über längere Strecken mit mehr als 10 Prozent, die steilste Stelle hat 20 Prozent. Ruhpolding ist zwar als Wintersportort bekannt, man verpasst aber nichts, wenn man dran vorbei fährt. Das absolute Highlight ist der letzte Tag. Von Ruhpolding geht es leicht bergauf nach Reit im Winkel, vorbei an der Winkelmoosalm, wo die Gold-Rosi (Mittermaier) her kommt. Weiter geht es über Kössen (Österreich) durch den Kaiserwinkel. Dort ist es unglaublich idyllisch, es stimmt einfach alles. Der Radweg führt durch die leicht hügelige Landschaft abseits der Straßen, die Sonne scheint, wir haben einen fantastischen Blick auf die Berge, den Wilden und den Zahmen Kaiser. Nach dem Walchsee geht es leider wieder raus aus dem Gebirge, hinunter ins Inntal. Von dort sind es noch 25 km (von insgesamt 85 km) nach Rosenheim, wo wir in den Zug nach München steigen. Wir lassen die Strecke vom Bodensee zum Königssee noch mal Revue passieren: Es ist einer der schönsten und ruhigsten Radwege, die wir in Deutschland kennen. Ein landschaftliches Erlebnis jagt das andere, wir wurden im Lauf der Zeit ganz schön verwöhnt. Wer Berge mag, und auch einige Höhenmeter nicht scheut, dem können wir diesen – im Übrigen durchweg hervorragend ausgeschilderten – Radweg wärmstens empfehlen. Wenn man den Ferien ausweichen kann, hat man die Berge auch ziemlich häufig für sich ganz allein. Was will man eigentlich noch mehr? Gaby: Mehr solcher Touren – uns wurde bereits der neue Radweg „Via Julia“ von Augsburg nach Salzburg empfohlen. Jürgen Oberfrank mit Kommentaren von Gaby Wittendorfer |
12. November 2003 ADFC Frankfurt am Main e. V. |