Der Stärkere hat recht – oder?
Eine Bildreportage zum Thema Falschparken auf Radwegen
Frankfurt hat bundesweit noch immer den Ruf einer fahrradfeindlichen Stadt. Da hilft auch nicht der Hinweis, dass es in Stuttgart noch schlimmer ist. Die Zahlen sprechen für sich. Frankfurt hat im Vergleich mit anderen Großstädten einen sehr niedrigen Radverkehrsanteil. Während im Bundesdurchschnitt etwa 12% aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, sind es nach den Ergebnissen der letzten Haushaltsbefragung der Stadt Frankfurt von 1998 gerade mal 6 Prozent.
Wer nach den Gründen dafür sucht, landet schnell bei der Diskussion über schlechte oder fehlende Radwege. Da ist natürlich was dran. Aber auch hier zeigt der Vergleich mit anderen Städten, dass schlechte Radwege allein niemanden vom Rad fahren abhalten.
Andere suchen die Gründe im Wetter. Wobei die gar nicht so falsch liegen, denn das Klima spielt tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob man für seine Wege das Fahrrad nutzt. Allerdings ist es weniger wichtig, wie oft es regnet oder welche Lufttemperatur gerade herrscht (Das Wetter unterscheidet Frankfurt nicht von anderen Städten mit sehr viel höherem Radverkehrsanteil). Viel entscheidender ist das Verkehrsklima.
Wo nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer den Autoverkehr als ständige Bedrohung erleben und das Gefühl haben, von den Autofahrern nicht respektiert zu werden, ist die Bereitschaft, sich ungeschützt dem Verkehr auszusetzen sehr viel geringer als in Städten mit weniger agressivem Verkehrsklima.
Ein wichtiger Maßstab für den Respekt gegenüber den schwächeren Verkehrsteilnehmern ist zweifellos, inwieweit deren Rechte von den stärkeren geachtet werden. Man muss nicht lange forschen, um festzustellen, dass es mit der Akzeptanz der radfahrenden Menschen in Frankfurt noch nicht weit her ist. Auf Schritt und Tritt begegnet man Autofahrern, die es für ganz selbstverständlich halten, ihr Fahrzeug auf den zum Schutz des Radverkehrs angelegten Verkehrsflächen anzuhalten, abzustellen oder zu be- und entladen. Dabei ist die Rechtslage ganz eindeutig: Radwege sind ausschließlich für Radfahrer da. Andere Verkehrsteilnehmer haben darauf nichts verloren – es sei denn, sie wollten sie unter Wahrung der gebotenen Sorgfalt überqueren.
Keine Ordnung
Die Realität ist leider eine andere! Nun hat jede zivilisierte Gesellschaft Institutionen, deren Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass die zum Schutz der Schwächeren geschaffenen Regeln von den Stärkeren eingehalten werden. Im Verkehr war das lange Zeit die (Landes-) Polizei, die sich aber aus der Verkehrsüberwachung aus verschiedenen Gründen fast vollständig zurückgezogen hat. Übernommen hat diese Aufgabe die (städtische) Hilfspolizei. Die ist aber schon aufgrund äußerst beschränkter Personalkapazität überhaupt nicht in der Lage, den Anforderungen gerecht zu werden. Die Situation hat sich im Lauf des letzten Jahrzehnts gravierend verschlechtert. Die Folgen sind überall sichtbar. Weil Autofahrer immer weniger befürchten müssen, zur Ordnung gerufen zu werden, wenn sie ihr Fahrzeug mehr oder weniger lange auf einem Geh- oder Radweg abstellen, geht die Bereitschaft immer mehr zurück, die Rechte des nicht motorisierten Verkehrs zu achten.
Nach 19 Uhr findet eine Überwachung nicht mehr statt, auch wenn der Magistrat in einer gerade veröffentlichten Stellungnahme („Außerhalb der Überwachungszeiten obliegt die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten in erster Linie den zuständigen Polizeirevieren.“ – ST 121/03) versucht, einen anderen Eindruck zu erwecken. Die Liste der Forderungen aus den Ortsbeiräten zur Verbesserung der Verkehrsüberwachung ist lang, genauso lang wie die Liste der abwiegelnden bis ablehnenden Stellungnahmen der Verantwortlichen. Der bunte Strauß der Begründungen ist immer weniger in der Lage, die faktische Kapitulation der Ordnungskräfte zu kaschieren.
Kein Geld
So wird argumentiert, die Haushaltslage erlaube keine Ausweitung des Personals für die Verkehrsüberwachung. Das ist keine gute Ausrede, denn eine verstärkte Verkehrsüberwachung erhöht natürlich auch die Einnahmen. Der Ortsbeirat 4 war das Spiel denn auch leid und verabschiedete im letzten Dezember folgende Anregung an den Magistrat (OM 1795/ 02): „Der Magistrat wird gebeten, darüber zu berichten, ob Verkehrsüberwachungen des ruhenden Verkehrs unter Einnahmen- und Kostengesichtspunkten wirtschaftlich durchgeführt werden.“ Die Antwort des Magistrats steht noch aus.
Keine Leute
Eine weitere beliebte Variante: Wir suchen ja händeringend Personal, aber wir finden keine qualifizierten Leute, die bereit sind, den Job zu machen. Man kann schon verstehen, dass die Neigung, sich für den kargen Lohn dem Stress des täglichen Kleinkriegs mit agressiven Autofahrern auszusetzen, nicht sehr weit verbreitet ist. Die Konsequenz kann ja aber wohl nicht sein, die Verkehrsüberwachung einzustellen, sondern es muss nach Lösungen gesucht werden.
Eine davon wäre die Beauftragung von Privatfirmen. So etwas gab es schon einmal zur Überwachung der Parkprivilegien der Anwohner, der Versuch wurde aber bald wieder abgebrochen. Auf Anregung des Ortsbeirats 3 haben nun die Stadtverordneten beschlossen (OA 1122/02):
„Der Magistrat wird gebeten, zu prüfen und zu berichten,
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wie die Kostenbilanz für den Einsatz von Privatfirmen bei der Überwachung des Bewohnerparkens aussieht (d. h. Personalkosten und sonstige Aufwendungen vs. eingenommene Verwarnungsgelder),
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ob der künftige Einsatz von Privatfirmen für diese Aufgabe seitens der Stadt in Frage kommt (wenn nicht, warum nicht?),
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warum der diesbezügliche frühere Einsatz von Privatfirmen beendet wurde,
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wie viele zusätzliche Überwacher auf diese Weise eventuell eingestellt werden könnten,
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wie sich die gemäß Ziffer 1. ermittelte Kostenbilanz für das städtische Überwachungspersonal darstellt und inwiefern die städtische Kostenbilanz sich von der privaten Lösung unterscheidet.“
Die Antworten werden sicher nicht nur im Ortsbeirat 3 mit Spannung erwartet. Zwar drehten sich alle bisherigen Vorstöße in diese Richtung um die Überwachung von Parkplätzen, aber warum sollte es nicht möglich sein, auf diesem Weg auch Personal zur Gewährleistung der Sicherheit und Benutzbarkeit von Geh- und Radwegen bereitzustellen?
Eigeninitiative
Nun gibt es nicht erst seit die Kassen leer sind immer wieder Leute, die die Initiative selbst in die Hand nehmen. Jeder Bürger hat das Recht, einen anderen Verkehrsteilnehmer anzuzeigen, wenn der seine Rechte missachtet. Er sollte natürlich in der Lage sein, seine Anschuldigungen zu beweisen. Beim Falschparken stellt sich die Sache relativ einfach dar, wenn man ein Foto machen kann. Man muss allerdings bereit sein, notfalls vor Gericht als Zeuge auszusagen und auf diesem Weg erfährt der Betroffene zumindest den Namen dessen, der ihn angezeigt hat.
Mehr Knöllchen ist nicht der Königsweg
Wer etwas errreichen will, muss zuerst einmal dafür sorgen, dass Verkehrssünder zumindest wieder einkalkulieren müssen, auch für Massendelikte zur Verantwortung gezogen zu werden. Das erfordert in jedem Fall eine Verstärkung der Verkehrsüberwachung. Es ist kein Geheimnis, dass Verkehrsüberwachung bei den Betroffenen unbeliebt ist und geeignet ist, kräftige Emotionen freizusetzen. Wer sich für mehr davon einsetzt, sitzt schnell in den Nesseln. Das hat zur Folge, dass sich auch die Politik nur ungern damit befasst. Trotzdem führt kein Weg an effektiveren Kontrollen vorbei.
Zuviel Überwachung ist allerdings nicht gut für das Verkehrsklima. Genau das aber muss dringend verbessert werden. Weniger Gegen- und mehr Miteinander ist angesagt, wenn man mit der Förderung des Radverkehrs vorankommen will.
Besser als an jede Ecke einen Verkehrsüberwacher zu stellen, ist es allemal, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit die Bereitschaft zu fördern, die Rechte der schwächeren Verkehrsteilnehmer wieder stärker zu respektieren. Das kostet allerdings Geld, das nicht wieder durch Bußgelder hereinkommt.
Dass ein weniger agressives Verkehrsklima möglich ist, zeigen Beispiele aus anderen Städten, auch wenn Frankfurt sicher ein besonders harter Fall ist. Deshalb muss beides sein: Ausreichender Nachdruck bei der Verkehrsüberwachung verbunden mit einer Abrüstungskampagne im Verkehr. Der schlechteste Weg wäre jedenfalls, weiter die Augen zu verschließen
meint
alle Fotos: fb
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