Saar per Velo
Ein Reisebericht
Sonntag, 11.08.
Unsere Gruppe aus zwölf Teilnehmern bricht Sonntag früh in bester Urlaubsstimmung auf. Wie viele andere ADFC Gruppen auch, reisen wir zu unserem Urlaubsziel mit der Bahn an. Die Fahrt bis Mannheim verläuft sehr gemütlich, auch das Umsteigen in den Zug nach Saarbrücken klappt reibungslos. Am Zielbahnhof in Saarbrücken kommt es tatsächlich noch zu einer Stresssituation. Der Angestellte am Bahnsteig gibt nach zwei Minuten Aufenthalt das Signal zur Weiterfahrt, obwohl wir noch dabei waren unsere Räder auszuladen. Auch eine so flotte Truppe wie wir benötigt für das Ausladen von 12 Rädern und Gepäck ein bisschen mehr Zeit. Jürgens mutiges Eingreifen verhindert das Schlimmste.
Durch diesen Vorfall lassen wir uns nicht die Laune verderben. Gemütlich radeln wir 20 km entlang der Saar zu unserem Hotel in Sitterswald. Dabei fahren wir ein kurzes Stück durch Frankreich. Nur ein kleiner Stein am Wegrand verrät, dass hier die Grenze verläuft. In dem Ort Großblittersdorf auf französischem Gebiet überqueren wir die Brücke nach Kleinblittersdorf, das wiederum auf deutscher Seite liegt. Diese ständigen Grenzübergänge werden wir bei fast allen Touren erleben.
Bei Ankunft in unserem Hotel haben zwei Teilnehmer das große Los gezogen und bekommen die Suite mit Whirlpool zugeteilt. Am Abend genießen wir nach einem Aperitif an der Bar in stilvollem Ambiente die Kochkünste von Jean, dem französischen Koch. Er wird uns auch die nächsten Tage stets aufs Neue begeistern.
Montag, 12.08.
Das heutige Ziel ist das Bitcher Land. Am Stadtrand von Sitterswald überqueren wir die Grenze und befinden uns in der Lothringer Kleinstadt Sarreguemines. Dort teilen wir uns in eine Dreisterne- und eine Viersterne-Gruppe, die sich frohen Mutes auf den Weg machen. Zunächst läuft alles bestens. Wir kaufen uns noch frische Croissants in einer Boulangerie und legen die ersten Kilometer flott zurück. Dann allerdings haben wir mit den ersten Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein auf der Karte eingezeichneter Weg entpuppt sich als matschiger Trampelpfad. Schon nach kurzer Zeit sind Reifen und Bremsen eingeschlammt und müssen mühsam sauber gemacht werden. Wenig später setzt lästiger Nieselregen ein. Wir ziehen in Erwägung, umzukehren und die Tour abzubrechen. Ein wenig Schokolade als Nervennahrung gereicht hebt die Stimmung, und wir beschließen, zumindest noch ein wenig weiterzuradeln. Und dafür werden wir vollauf belohnt, denn schon nach kurzer Zeit hört der Regen auf und auch die Sonne lässt sich blicken. Wir erreichen am frühen Nachmittag die Stadt Bitche, wo wir eine längere Rast machen. Bitche hat 7800 Einwohner und wird von einem Sandsteinmonolith überragt. Auf dessen Kuppe befindet sich eine mächtige Festung, die der Sonnenkönig Ludwig XIV bauen ließ. Die Festung galt als uneinnehmbar. Auch die Deutschen haben dies 1870/ 1871 im Krieg gegen die Franzosen zu spüren bekommen.
Nach unserer Pause in Bitch radeln wir durch schöne Wald- und Hügellandschaften zurück. Wir kommen so gut vorwärts, dass uns noch Zeit für eine kurze Einkehr in einem Cafe bleibt. Zufrieden und hungrig kehren wir nach den insgesamt 120 km ins Hotel zurück, wo die kulinarischen Genüsse bereits auf uns warten. Nach dem Essen lassen wir den Abend gemütlich an der Hotelbar ausklingen.
Dienstag, 13.08.
An diesem Tag wollen wir es etwas gemütlicher angehen lassen und uns die Völklinger Hütte und Saarlouis ansehen. Wir folgen dem Saarradweg, durchqueren Saarbrücken und sind wenig später in Völklingen.
Das riesige Eisen- und Stahlwerk „Völklinger Hütte“ wurde 1873 gegründet. Tausende von Menschen hatten hier Arbeit. Zeitweise war die Völklinger Hütte der größte Arbeitgeber der saarländischen Stahlindustrie. Der Niedergang begann mit der Stahlkrise 1975. Die Hochöfen wurden 1986 stillgelegt. Heute ist die Völklinger Hütte ein von der UNESCO geschütztes Weltkulturerbe und Museum. Auf dem Rundgang werden die komplizierten Produktionsabläufe anschaulich dargestellt. Die Hütte galt lange als eine der modernsten der Welt. Beispielsweise wurden die Ofenabgase zum Antreiben der Gebläsemaschinen benutzt, die die Hochöfen mit heißer Luft versorgten.
Auf zahlreichen Videos und Fotos, wie zum Beispiel in der Kokerei, ist aber auch zu sehen, dass trotz aller Technologie die Arbeit in der Völklinger Hütte ein gesundheitsschädigender Knochenjob war. Die Frage mag naiv sein, aber sie stellt sich dem Autor trotzdem: hätte man in so einem modernen Stahlwerk nicht bessere Arbeitsbedingungen schaffen können?
Die Viersternegruppe beendet den Museumsbesuch etwas eher, um noch bis zur Saarschleife bei Mettlach zu kommen. Die Dreisternegruppe radelt gemütlich bis zur Kleinstadt Saarlouis. Nach kurzer Einkehr in einem Eiscafe radeln wir zügig zum Hotel zurück, wo man uns bereits freundlich erwartet.
An der Hotelbar abends geraten Thomas und Niels ins Gespräch mit einem saarländischen Stammgast und erfahren so einiges über die Lebensart der Saarländer. „Hauptsach gud gess“ oder „Wir Saarländer und Franzosen sind Freunde“ sind die wesentlichen Slogans dieses Vortrags, die in Erinnerung bleiben werden.
Mittwoch, 14.08.2002
Auch heute haben wir wieder bestes Radlerwetter mit Sonne und angenehmen Temperaturen. Es geht an die Lothringer „Seen-Platte“. Zunächst radeln wir in den Nachbarort Sarreguemines. Dann folgen wir dem Saar-Kohlen-Kanal. Der Radweg ist teils sehr holprig, teils in absolut gutem Zustand. Abseits des Kanals findet man noch große Flächen unberührter Natur mit Wiesen, Wäldern und Seen. Sehr schön sind die Schleusen, die alle paar Kilometer aufeinander folgen und exakt durchnummeriert sind. An einem Bauernhof haben wir einen netten Plausch mit dem Besitzer dieses Hofs.
Wir erreichen gegen Mittag einen See und lassen uns die Gelegenheit nicht entgehen, Fahrradhose gegen Badehose zu tauschen. Nach einem kurzen Sonnenbad begeben wir uns auf dem selben Weg zurück auf die Heimfahrt. An der Schleuse 16 kehren wir kurz ein. Niels hätte die Bedienung am liebsten mitgenommen. Die letzten Kilometer vor Sarreguemines legen wir im Sprint zurück. Christine zeigt uns, was eine wahre Frau ist und hängt uns lässig ab. Das intensive Training der letzten Tage macht sich also bemerkbar.
Donnerstag, 15.08.2002
Auf dem Programm stand unsere „Luschitour“, eine ganz sanfte Tour also. Zunächst radeln wir nach Blieskastel und benutzen dabei die alte Bahnlinie von Saargemünd nach Homburg. Diese Zugverbindung ist mittlerweile stillgelegt. Die ehemalige Bahntrasse ist zu einem komfortablen Highway für Räder umgebaut worden. Einige Kilometersteine am Wegesrand und Schotterreste verraten noch, dass hier früher eine Bahnlinie verlief. In Blieskastel machen wir unser Picknick in der Orangerie und schauen uns die gemütliche Altstadt an. Wir verlassen die Stadt und fahren zum Niederwürzbacher Weiher, in dem wir uns ein kühlendes Bad nicht entgehen lassen. Anschließend geht es über kleinere Umwege bergauf und bergab zurück zum Hotel. Dabei kommen wir durch waldreiches Gebiet, bei dem sich das Saarland von seiner schönsten Seite zeigt. Unterwegs schauen wir noch bei einem Waldfest vorbei und verarbeiten bei kühlen Getränken die Strapazen der letzten Kilometer.
Freitag, 16.08.2002
Diesmal wird wenig geradelt, denn wir besichtigen Saarbrücken. Vom Sankt Johanner Markt aus führt uns der Weg zuerst zur bekannten Konditorei Schubert, dessen Spezialitäten voll unseren Geschmack treffen. Dann radelt die Viersternegruppe den Schwarzenberg zum Aussichtsturm hoch. Die Dreisternegruppe zieht es dahingegen in den Deutsch-Französischen Garten an der Grenze zu Frankreich. Diese großzügig angelegte Parkanlage ist ein Gemeinschaftswerk von deutschen und französischen Architekten. In einer simulierten Heidelandschaft essen wir die Köstlichkeiten von der Konditorei Schubert. Nahe beim Ausgang befindet sich ein alter Friedhof. Viele der Gräber sind von deutschen oder französischen Soldaten, die 1870 beim Erstürmen der Spicherer Höhen gefallen sind. Wir leben zum Glück in friedlicheren Zeiten und brauchen die Spicherer Höhen nicht zu erstürmen, sondern bewältigen die Steigung friedlich mit dem Fahrrad. Oben verweilen wir eine Weile am riesigen Denkmal für die Gefallenen der französischen Armee. Das freundliche Gasthaus Woll nebendran bringt uns wieder auf heitere Gedanken. Wir radeln im Anschluss zum Saarbrücker Schloss. Von der Schlossmauer schauen wir runter auf die Saarbrücker Innenstadt.
Von dieser Perspektive ist deutlich zu sehen, wie ein Flussufer der Saar komplett durch die Stadtautobahn verbaut wurde. Der reinste Wahnsinn! Es bleibt uns noch ein wenig Zeit, die Ludwigskirche anzusehen. Diese protestantische Kirche beeindruckt durch ihre elegante Form und ihren hellen Innenraum. Danach bleibt noch Zeit für eine Kaffeepause am Sankt Johanner Markt, dem Herz der Stadt. Es ist ein Platz mit südländischer Atmosphäre. In der Mitte ein großer Brunnen und ringsum die Cafés und Kneipen. Der Abschied von Saarbrücken fällt uns ein wenig schwer, aber die Zeit drängt und wir müssen zurück ins Hotel.
Samstag, 19.08.2002
Lustlos packen wir unsere Taschen. Im Vergleich zur Hinfahrt verlief die Rückfahrt absolut problemlos. Je näher wir Frankfurt kommen, umso stiller wird unsere Gruppe. Unser Zug überquert einen Fluss, und jemand seufzt: „Es ist bloß der Main“. Wie gerne wären wir noch an der Saar. Auch der schönste Urlaub geht irgendwann zu Ende. Aber wir kommen bestimmt bald wieder. Und warum nicht bereits zum Saarbrücker Weihnachtsmarkt?
Niels Raczek
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