Vom Alpenrand in die Provence
Eine Fahrradreise von Saint Marcellin nach Arles
Für die meisten Leute ist Urlaub in Frankreich (ob mit oder ohne Rad) mit Camping verbunden. Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die – sofern man der Landessprache etwas mächtig ist – einen ganz neuen Blick auf Land und Leute geben, dürfte manchem vielleicht eher unbekannt sein.
Wir fahren nun schon seit einigen Jahren quer durch Frankreich und übernachten mit „Gîte de France", einer Übernachtungsart, die es in dieser Form in Deutschland nicht gibt. Einfachere Übernachtungsquartiere (Gîtes), die oft über eine Kochgelegenkeit und häufig auch über Zweibettzimmer verfügen, sind in einem zentralen Verzeichnis zusammengefasst. Diese werden ergänzt durch die gehobenere Variante, die „Chambre d’hôtes", vergleichbar mit Bed& Breakfast. Die Kosten für beide Arten sind unterschiedlich und vom Standard bzw. auch vom Ort abhängig. Wer über Internetzugang verfügt, kann sich unter www.gites-de-france.fr darüber informieren. Die Bücher dazu gibt es im Fachhandel.
Das schöne an diesen „Gîtes de france“ ist, dass man häufig mit den Betreibern in angenehm netten Kontakt kommt bzw. durchaus auch in großer Runde mit anderen Gästen an der Tafel ein erstklassiges Menü zu akzeptablem Preis genießen darf.
Dass die Kombination „Bahn und Rad“ in Frankreich – gewisse Flexibilität vorausgesetzt – durchaus funktioniert, wurde bereits in früheren FRANKFURT aktuell-Ausgaben erläutert. In dem Führer „Guide du Train et Velo“ (siehe auch Seite 16, einige Exemplare liegen im Infoladen) und im Internet finden sich die notwendigen Informationen.
Aber nun endlich zu unserem Reisebericht, der chronologisch aufgebaut ist:
Di 07. 05. 02 / 15 km
Prolog: Bahnfahrt Ffm.-Flughafen Fbf - Basel SBB - Genève -Culoz - Aix lès Bains - St. Marcellin, Velofahrt nach St. Verand (15 km)
Die Fahrt klappte recht gut, im Eurocity war aber das Radabteil noch nicht umgebaut und die Verkehrsinsel hatte vergessen, uns IC-Zuschläge auszustellen. Ansonsten lief alles überaus pünktlich. In Genf hatten wir eine Stunde Übergangszeit zum Anschlusszug in Richtung Lyon. Wir nutzten die Zeit zu einem Kaffee und gewannen einen überaus angenehmem Eindruck der Stadt. Das Umsteigen in Culoz und Aix lès Bains war vorbildlich ohne Treppen an gleichem Bahnsteig. Leider hatten wir in unserer Reiseplanung den 08.5. als französischen Feiertag vergessen, daher war der Triebwagen von Aix l.B. nach St. Marcellin (Fahrziel Valence) proppenvoll. Als Entschädigung dafür gab es einen sehr freundlichen Empfang in St. Marcellin von Mme. Lavorel, „Escorte“ zum Quartier, bestes hausgemachtes Essen bei bester Gesellschaft und Plausch zu Dritt bis spät in Anwesenheit von drei Katzenbabys.
Mi 08. 05. 02 / 43 km
Nach ordentlichem Frühstück geht es von St. Verand nach St. Marcellin (Einkaufsstop, schöne Stadt mit berühmtem Käse), dann weiter über St. Jean nach Pont en Royame. Dann folgt ein langer Aufstieg auf fast 600 m nach Leoncel, Übernachtung im Gîte in einer ex-Abtei. Wir kochen selbst, es ist recht frisch draußen.
Do 09.05.02 / 45 harte km
Leoncel - Col de la Bataille (1313 m) Col de la Polette (1175 m) - Col de la Chau (1337 m) - Vassieux. (45 km)
Was sich hier durch die drei Pässe spektakulär anhört, steigert sich durch das Wissen, dass diese Fahrt bei trockenem Wetter begann. Nach ca. 5 km fing es aber zu regnen an und hörte erst gegen Nachmittag wieder auf. Die Temperaturen bewegten sich um 5 Grad, am Straßenrand und in der Landschaft waren z.T. noch erhebliche Schneereste zu sehen. Wir fuhren non-stop, für die Schönheiten der Landschaft hatten wir leider kaum ein Auge, dennoch machte ich einige wenige Fotos. Wenn man einen gewissen Nässegrad erreicht hat (bei solchen Steigungen nutzt auch Gore & Co. nicht mehr viel) ist Stehenbleiben das Falscheste, was man tun kann: Man kühlt rasch aus! Durch die Non-Stop-Fahrt waren wir relativ früh am Quartier, welches dankenswerterweise über einen Trockenraum verfügte. Dort dampften schon die nassen Klamotten und Stiefel der zahlreichen Wanderer vor sich hin. Ein Wunder, dass wir uns keine Grippe oder schlimmeres geholt haben. Erstaunlicher Weise kam am Nachmittag gelegentlich die Sonne durch, um dann wieder Regen zu weichen. Zum Glück mussten wir nicht mehr aus dem Haus. Als Ausgleich für diese Strapazen gab es ein wunderbares hausgemachtes Essen in angenehmer Runde. Eine große Familie leistete uns Gesellschaft. Am nächsten Tag gab es ein Frühstück mit aufgebackenem Baguette (vom Vortag).
Fr. 10. 05. 02 / 54 km
Von Vassieux ging es zunächst aufwärts zum Col de Rousset (1254 m). Nach Durchfahrt des Passtunnels und Genuss des Ausblicks folgte die lange Abfahrt über rund 1000 Höhenmeter in die ersten Ausläufer der Provence. Hier lässt sich am Baustil der Häuser und an der Vegetation leicht erkennen, dass ein deutlich milderes Klima als im rauhen Vercors herrscht. Weiter ging es in die Ville Cantonale (Ville Cantonale, etwa mit kleiner Kreisstadt vergleichbar) Die. Nach unserem Gîte-Führer war das nächste Quartier in Valcroissant in einer ehemaligen Abtei. Dieses Gebäude lag in der Tat malerisch in einem wie zu einem Croissant geformten, hochgelegenen Bergkessel, dessen offene Seite gerade genug Platz für einen Wildbach und die steile Straße (3 m breit) lässt. So schön die Lage auch war, so bescheiden waren die Räumlichkeiten. Der Gîte selbst war sicher ideal für große Wandergruppen, die Ihren Krempel per Kraftwagen mitbringen. Ungeeignet aber für uns. Wir wollten unter uns sein und eine halbwegs ordentliche Küche haben. Ein Restaurant gab es ohnehin nicht und zum Einkaufen war es weit. Niemand war da, so dass wir unser Gepäck ohnehin nicht unbeaufsichtigt dort stehenlassen wollten. So beschlossen wir folgendes: Zum Einkauf mussten wir sowieso nach Die zurück. Dort wollten wir im Touristamt eine Alternative suchen. Diese fanden wir dann auch bei einem wohlhabenden Mann, der mit Tochter ein großes Haus bewohnte, in welchem Fremdenzimmer eingerichtet waren. Das ganze lief unter Chambre d'hôte in schönem Rahmen. Am Abend genossen wir die Stadt und gingen in ein kleines Restaurant. Das Frühstück am nächsten Tag war ordentlich.
Sa. 11. 05. 02 / 38 km
Von Die aus folgten wir der Drôme aufwärts über Luc en Diois nach Valdrôme. Dieser Ort wurde uns von unserem Nachbarn empfohlen. Leider spielte das Wetter nicht sonderlich mit. Es war zwar trocken, aber überwiegend bewölkt und daher recht frisch. Irgendwie – so unser Eindruck – hat dieses „Hotel“ schon bessere Tage erlebt. In diesem Ort war definitiv der Hund begraben. Am Abend waren einige Stammgäste da. Wir saßen unmittelbar neben der Küchentür, dort wurde für uns gedeckt. Wir mussten ewig lange auf die Wirtin warten. Das Essen selbst war passabel, aber nicht vom Hocker reißend.
So. 12. 05. 02 / 38 km
Von Valdrôme aus ging es zunächst aufwärts über den Col de la Rossas (1115 m) auf ein überaus schönes Hochplateau. Über den Col du Fays (1051 m) rollten wir dann abwärts über Establet nach La Motte und schließlich nach Remuzat. Dort erwartete uns als Gîte eine freundlich eingerichtetes altes Notariatshaus. Ein sehr netter Gastgeber klärt uns über das Haus auf. Die Zimmer sind liebevoll eingerichtet, das Haus strahlt den Charme einer vergangenen Epoche aus. Spontan entschlossen wir uns, zwei Tage zu bleiben. Die Kapazitäten des Hauses ließen dies auch zu.
Mo. 13. 05. 02 / 37 km
Von Remuzat aus unternahmen wir eine Tagestour. Zunächst ging es flussabwärts nach St. May. Dann erkletterten wir den Rocher de Cair. Von dort beobachteten wir die Votours (Gänsegeier), die dort ausgewildert wurden und eine neue Heimat gefunden haben.
Nun begann der 'schrägere' Abschnitt. Wir klettern auf größere Höhen, die sich abschnittsweise nur sehr mühsam fahren lassen. Hätten wir es im Voraus geahnt, wären wir über die Straße im Tal gefahren. Aber einmal angefangen muss man durch. So ging es nach der Passhöhe teilweise im Bachbett steil abwärts, nicht fahrbar. Das blieb so eine ganze Weile, bis wir auf einen Forstweg kamen. Diesen nahmen wir zunächst in die eine Richtung, bis es nicht mehr weiterging. Dann kehrten wir um und hatten die richtige Richtung gewählt. Wir kamen hinunter ins Tal und nahmen die Straße nach La Motte. Dort gab es Einkaufsmöglichkeiten in einem urbodenständigen Laden. Später fanden wir noch einen anderen Laden, um eine Tarte zu erwerben.
Di. 14. 05. 02 / 42 km
Von Remuzat stiegen wir zunächst auf den Col de Soubeyrond und rollen von dort hinunter nach St. Jalle. Erstmals bekommen wir den Mont Ventoux zu sehen. Weiter geht es über Les Pilles über die berühmte Brücke in die „Olivenstadt“ Nyons. Dort quartieren wir uns in einem schönen Hotel (Petite Nice) an zentraler Stelle ein. Den Tag lassen wir in einem Restaurant draußen ausklingen und bummeln anschließend noch durch die schöne Altstadt.
Mi, 15. 05. 02 / 43 km
Von Nyons aus geht es zunächst durch flachere Gefilde nach Villedieu. Dieser schöne Ort wäre eigentlich auch als Etappenziel gut, aber für heute wäre das zu früh, so begnügen wir uns mit einer kleinen Pause dort. Weiter geht es nach Vaison la Romaine, eine recht nette kleine Stadt, wo wir Mittag machen. Auf kleinen Straßen bewegen wir uns über Entre Chaux nach Malaucène. Im dortigen Gîte haben wir zwei Übernachtungen vorgesehen, warum? – siehe morgen.
Anja und Jürgen Johann
(wird fortgesetzt)
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