Tatort: Eschborn, Hamburger Straße
Den „offenen Brief“ eines Eschborner Fahrradfahrers drucken wir (aus Platzgründen) in gekürzter Form ab.
Liebe Leute,
das ist ein Hilfeschrei. In der Anlage finden Sie die an meinen Anwalt verschickte Anzeige zu einem Erlebnis der unglaublichen Art, das ich auf dem Wege zur Arbeit hatte.
Falls Sie mir einen Rechtsanwalt in der Region Frankfurt am Main nennen könnten, der auf solche Fälle spezialisiert ist und vielleicht selbst Nichtautofahrer ist, was in meinen Augen das Verständnis ungemein erleichtert, wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar!
Ich benutze seit 20 Jahren für meine Wege weitgehend das Fahrrad. 1990 verkaufte ich mein Auto.
Natürlich (??) erlebe ich da immer wieder die tollsten Sachen, Übergriffe, von denen zugeparkte Radwege noch das Harmloseste sind. Anflüge eines Gefühls von Lebensgefahr gehören zum Alltag, so, wenn ich mit nach links rausgestrecktem Arm längst in der Straßenmitte fahre, um abzubiegen, und dann von Autofahrern links überholt werde – das ist heutzutage „normal“. Oder wenn in großen Hunden der Jagdinstinkt erwacht und sie vom zugehörigen Herr-/Frauchen nur mit Mühe oder gar nicht unter Kontrolle gebracht werden. Aber was ich am Morgen des 8. Februar 02 erlebte und in der beigefügten Anzeige schildere, stellt alle bisherigen Erfahrungen und Befürchtungen in den Schatten.
Leider verschlägts mir in solchen Situationen die Sprache. Der Typ war dafür gleichbleibend laut und schrie herum, u.a. er sei der Fahrer des Bundesamtes für Wirtschaft. Das sollte wohl auch den Passanten signalisieren: Schau, was für ein wichtiger Mensch ich bin, an mir hängt das Bundesamt für Wirtschaft, und du Wicht wagst es, mir mit deinem Fahrrad in die Quere zu kommen. Er zeterte etwas von einer roten Ampel, die ich überfahren hätte. Solche dreisten Lügen mußte er wohl bringen, um sein Verhalten auch vor sich selbst zu rechtfertigen. Als er wieder anfing, handgreiflich zu werden und mich gewaltsam festhalten wollte, riß ich mich los und schrie ihn endlich an: Wagen Sie es ja nicht, mich nochmal anzufassen. Im Betrieb mußte ich mich dann erst einmal für 10 Minuten auf der Toilette ausheulen, bevor ich wieder halbwegs arbeitsfähig war.
Natürlich werden solche Täter von der herrschenden Rechtsordnung begünstigt, die beliebige Übergriffe automobiler Asozialer gegenüber Schwächeren fast schrankenlos hinzunehmen bereit ist. Ich verspreche mir auch von der Anzeige nicht allzu viel und wähle deshalb gleichzeitig diesen Weg an die Öffentlichkeit. Radfahrern (natürlich nicht nur diesen) wird oft auch minimaler Schutz etwa durch markierte Fahrradstreifen an den Straßenseiten verweigert – was auch in der Berliner Straße in Eschborn nötig wäre, wo Radler vor der Alternative stehen, entweder 3 rote Ampelphasen lang massiv Zeit einzubüßen und die Abgase der Vorderleute einzuatmen – kein Mensch tut sich das in solcher Lage an. Oder über die Linksabbiegerspur oder den Gehsteig weiter vorn eine Lücke zu finden, um diese Einbußen zu vermindern.
Und so führen kleine Leuchten ihren privaten „Krieg gegen den Terror“ des Fahrrads. Ich fing an, über Vermeidungsstrategien zu grübeln. Manchmal denke ich, ich halte es in dieser aggressiv-brutalen kapitalistischen Auto- und Kriegs-Welt nicht mehr aus.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Maaßen
Anzeige
Beschuldigter: Der Fahrer eines dunklen Daimler-Benz (Kennzeichen dem Anzeigenden bekannt), am Freitag, 8.2.02 zwischen 7.30 Uhr und 7.45 Uhr. Der Beschuldigte gab an, Fahrer des Bundesamts für Wirtschaft (Eschborn-Süd) zu sein.
Tatort und -zeit: Eschborn, Hamburger Straße, Nähe Haus 20, Zeit wie oben angegeben.
Tatvorwürfe: gewaltsamer Eingriff in den Straßenverkehr, Selbstjustiz, Gesundheitsgefährdung, Körperverletzung
Tathergang: Der Beschuldigte überholte mich vor der Ampel in der Berliner Straße (E. Soss. Str.) verbotswidrig geradeausfahrend auf der Linksabbiegerspur. Hinter der Kurve in der Hamburger Straße lauerte er mir auf. Er hatte seinen Mercedes auf der rechten Fahrspur abgestellt. Als er mich ankommen sah, sprang er mir breitbeinig mit ausgestreckten Armen in den Weg. Ich hatte das Gefühl, überfallen zu werden. Wegen entgegenkommender Fahrzeuge hatte ich keine Chance, nach links auszuweichen. So gelang es ihm, meinen Arm zu ergreifen und mich in voller Fahrt vom Rad zu reißen, so daß ich das Gleichgewicht verlor und mich neben meinem Rad im Straßendreck wiederfand. Dann packte er mich mehrmals, um mich festzuhalten, und erklärte, er werde mein Weiterfahren verhindern. (Vorgeschichte: Ich hatte mich vor der Ampel in der Berliner Straße, vom Gehsteig kommend, in einer Lücke am rechten Straßenrand in die dort wartende stehende Fahrzeugschlange eingereiht und war mit dieser dann über die Kreuzung gefahren. Dabei überholte ich vor mir stehenbleibende Rechtsabbieger, nachdem ich festgestellt hatte, daß dafür genügend Platz war. Das hatte ihn hinter mir wohl gehindert, „zügig“ loszurauschen...). Vorbeieilenden Passanten schrie er zu (sinngemäß), daß ich ein nicht hinnehmbares Radfahrverhalten hätte, ihn in Gefahr gebracht hätte (!!) und er dafür sorgen werde, daß ich aus dem Verkehr gezogen würde. Unter Schock rief ich von der nahegelegenen Telefonzelle aus die 110 an. Vermutlich vergaß ich vor Aufregung zu erwähnen, daß ich mich in der Hamburger Straße in Eschborn befände. Als nach 20 Minuten Wartens der für „gleich“ angekündigte „jemand“ immer noch nicht in Sicht war, gelang es mir, auf dem Fahrrad zu entkommen.
Schäden: Der materielle Schaden ist gering (zerbrochene Glasflasche, verbogener Dynamo, verschmutzte Kleidung). Arbeitszeitausfall nachgearbeitet, dadurch Zeitverlust. Der ausgerenkte Arm schmerzt zeitweise. Seitdem falle ich zurück in überwunden geglaubte Depressionsschübe.
Peter Maaßen
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