Weil-Tal-Tour
Ei, horsch,
mir fahr’n ins Weiltal.
Ei, wo issen dess?
Na, oben – im Hinner-Taunus.
Da stutzt
der Frankfurter, den Feldberg kenne me ja, aber des Weiltal muss
me erst emal finne.
Ein Sonntag
im Oktober, es ist morgens und wir, Birgit, Dieter und Lothar, sitzen
beim Frühstück, in wenigen Minuten geht's los. Anradeln
bis zur Hauptwache und einsteigen in die U3, Richtung Hohemark.
Es ist ca. 10.00 Uhr und unsere Räder stören niemanden,
da die Bahn noch recht leer ist. Die übrigen Fahrgäste
beäugeln uns eher mittleidig, weil wir bei diesem Wetter radfahren
wollen.
Na ja,
es stimmt schon, die Wolken hängen etwas tief und ganz sicher
sind wir uns eigentlich auch nicht. An der Hohemark steht der Radbus
schon bereit, noch 7 Minuten bis zur Abfahrt. Der RMV hat diese
Rad-Bus-Linie versuchsweise bis Mitte Oktober 2001 aufgelegt. Sie
bringt Radler nach Weilburg und zurück. Wenn alles stimmt,
soll ab 2002 ein Dauerbetrieb daraus werden. Die Idee ist jetzt
schon gut, zu mal das Rad, wie im übrigen RMV-Bereich, kostenlos
mitgenommen werden darf. Am Bus ist ein Hänger angekuppelt
und auf seiner Ladefläche haben 15 bis 20 Räder Platz.
Sein Zielort ist Weilburg an der Lahn, mit Zwischenhaltepunkten
z.B. in Weilmünster. Sein erster Stopp ist Schmitten, aber
wir wollen zum Sandplacken, da wir von der zweiten Quelle der Weil,
dem Weilborn bei Oberreifenberg, unsere Tour starten möchten.
Es stellt sich leider heraus, dass der Radbus nicht am Sandplacken
hält und so fährt er ab, gen Weilburg dahin – ohne
uns und völlig leer, schade!
Was tun, aufgeben oder warten auf den Bus Nr.511, Richtung Feldberg.
Nun gut, wir warten und kommen mit einem Pärchen ins Gespräch,
es wird wild über wandern und radfahren geredet. Als mehrmals
das Wort ADFC fällt, fragen wir nach, wie beide heißen
und es stellt sich heraus, dass es Doris und Jürgen Schellbach
aus Steinbach sind. Sie betreiben dort ein Fahrradgeschäft,
heute sind beide zum Wandern in den Taunus aufgebrochen.
Der Busfahrer der Linie 511 hat keine Bedenken, uns und unsere fast
sauberen Räder zum Sandplacken mitzunehmen. Die Damen und Herren
des VGF haben diese Möglichkeit vor 2-3 Jahren in Zusammenarbeit
mit dem ADFC-Frankfurt geschaffen, nochmals vielen Dank dafür.
Ausstieg am Sandplacken, noch schnell ein paar nette Worte an den
Busfahrer und unsere Gesprächspartner, dann geht's los. Nach
kurzer Suche in Oberreifenberg finden wir die zweite Weilquelle,
Dieter gelingt es dank seiner Spiegelreflexkamera, die Quelle und
uns zu verewigen. Schnell noch die Wasserflasche gefüllt, einige
Züge des kostbaren Nass aufgesogen und ab geht's, über
Stock und Stein.
Kurz hinter Schmitten stoßen wir auf der Rad-Wander-Weg Weil-Tal
der mit dem rechteckigen Symbol eines Eichenblattes und einer stilisiert
geschlängelten Flusslinie gekennzeichnet ist. An mehreren Stellen
des Weges, hier und da etwas versteckt oder für Radler zu kleingehalten
angebracht, zeigen Sie uns den Weg zur Mündung.
Mittlerweile hat sich die Wolkendecke weiter aufgelöst und
die Kleidungsfrage vereinfacht. Vorbei geht's an Brombach, dem ein
oder anderen Frankfurter ADFC-Mitglied in Erinnerung, da wir in
der Naturfreunde-Hütte etliche Male unsere Herbsttreffen veranstaltet
haben und nebenbei von Bertrams und Annes Kochkünsten profitieren
durften. Bei Hunoldstal macht der Radweg einen steilen Anstieg und
gleicht hier eher seinem zweiten Zweck: mehr Wander- als Radweg.
Dieter hat auf seinem Liegerad ganz schön zu kurbeln, wir sind
froh nach diesem Anstieg, eine lange wilde Abfahrt nach Neu- und
Altweilnau zu haben.
Zu spät bemerken wir die Ruine Landstein, die etwas versteckt
am Wegrand liegt. Bestimmt ist dort ein wunderbarer Platz zum Rasten.
Die Ruhe und Beschaulichkeit der Gemäuer, die Ruhe der Gegend
laden geradezu ein, die Glieder auszustrecken und ein Stündchen
zu schlafen, leider ist es doch ein bisschen kalt dazu, also vielleicht
das nächste Mal.
Durch Wald und Flur geht's weiter nach Weilrod/Rod a.d. Weil. Pferdekoppeln
oder Kühe auf den Weiden lassen das Herz eines Städters
höher schlagen, rechts am Wegrand türmt sich ein Fels
empor, wir glauben es kaum, der Taunus ist mehr als der große
und kleine Feldberg. In der "Ziegelhütte" lassen
wir uns mit einem leckeren Zwetschgenkuchen mit Schlagsahne und
einer Tasse Kaffee verwöhnen, vorher gibt's eine Kürbis-
bzw. Blumenkohlsuppe, einfach Spitze. Wer mehr Zeit hat und sich
zwei Tage an der Weil vergnügen will, kann in der "Ziegelhütte"
übernachten, einen Hinweis dazu findet mann/frau im Bett&Bike
Führer des ADFC.
Die Weil schlängelt sich durch die Wiesen weiter, an ihren
Ufern wachsen und gedeihen alte Weiden und Birken. Der Radweg selbst
besteht meist aus einer wassergebundenen Decke, will sagen gut ausgebautem
Forstweg und ist an vielen Stellen asphaltiert. Hinter Weilmünster
läuft der Rad-Weg auf bzw. neben der alten Bahntrasse entlang.
Gefährliche Uferstücke/ Böschungen wurden durch Holzgeländer
gesichert und bieten den kleineren Radlern eine gute Sicherheit.
Eltern können hier dem Nachwuchs etwas mehr Spielraum geben,
während die Landschaft zur Betrachtung einlädt. Etwas
unverständlich erscheinen uns die zu dicht aufgestellten Drängelgitter,
wer hier mit einem Fahrradkinderanhänger auf die Reise geht,
na der hat echt was zu erzählen. Selbst ein Kinderwagen oder
vielleicht sogar ein Rollstuhlfahrer wird so vom Wanderweg ferngehalten.
Wir glauben jedoch fest daran, dass hier noch Abhilfe geschaffen
wird.
Wir fahren hier nicht nur Rad, wir saugen die leicht feuchte Luft
in unsere Großstadtlungen auf und genießen – einfach
– den Tag. Es ist wirklich schön geworden und die ersten
Herbstblätter fallen verspielt zu Boden. Mittlerweile ist aus
der Quelle und dem Rinnsal ein beschaulicher Bach geworden, der
mancherorts schon einem kleinen Fluss ähnelt. Zum Verweilen
gibt es am Radweg aufgestellte Bänke, die ein oder andere Stelle
ist sehr geschickt ausgewählt worden, vielleicht werden ja
noch ein paar folgen und die obligaten Mülleimer sollten auch
nicht fehlen, da sichtbar nicht alle ihre mitgebrachten Plastikflaschen
oder Alu-Büchsen wieder mit nach Hause nehmen wollen.
Wir nutzen die spärlichen, aber warmen Sonnenstrahlen auf einer
Bank aus, um Käsestullen und Wurstbrote zu verspeisen. Kurz
vor Weilburg ist eine alte Stahlkonstruktionsbrücke der Eisenbahn
noch erhalten und im Fels hinten, scheint dunkel der Tunneleingang
hervor, beides zeugt von der guten alten Eisenbahnzeit. Die letzte
große Schleife der Weil, und vor uns liegt ihre Mündung
in die Lahn. Auf der Mündungsbrücke blicken wir in den
Fluss und zurück, wir lassen den Weg kurz Revue passieren und
schließen eine alles in allen gelungene Radtour ab. Schade,
dass wir nur einen Tag Zeit hatten, mit etwas mehr Muße hätten
wir die ca. 47 Km langsamer abgefahren, die Besichtigung der ein
oder anderen Burg oder Ortskerns wäre sicherlich interessant
gewesen. Wünschenswert sind Informationstafeln, z.B. am Ortseingang,
in beiden Richtungen des Radweges, die Hinweise auf den Ortsnamen,
seine Geschichte, Sehenswürdigkeiten usw. geben und natürlich
– den Weg zur nächsten Eisdiele preisgeben.
Mittlerweile ist es 17.00 Uhr, vor 2 Stunden fuhr der Rad-Wander-Bus
von Weilburg zur Hohemark ab, leider viel zu früh für
uns. Doch die Deutsche Bahn AG bringt uns nach Gießen und
weiter nach Frankfurt zurück. Dieter steigt in Friedberg aus,
um die letzten 20 km nach Hause zu radeln. Es freut uns sehr ihn
jetzt wieder so munter zu sehen, da er vor nicht all zu langer Zeit
eine schwere Operation über sich ergehen lassen musste. Das
Radfahren hat ihn, wie man so allgemein sagt, wieder auf die Beine
gebracht, klasse Dieter!
Info-Hinweise:
www.rmv.de
oder
hochtaunus.naturpark.de
Lothar Hennemuth u. Birgit Semle