Ausgabe 3/2001 Mai/Junil |
Immer orientiert: Die Kartographie-AG Als ich so zehn oder elf Jahre alt war, machten meine Mutter und ich eine Radtour von Dörnigheim nach Alzenau, um dort eine Freundin zu besuchen. Schlappe 20 Kilometer bis ins Bayerische, schön am Main entlang, schien keine furchterregende Distanz. Kurz vor unserem Ziel kamen wir an einen Wald und mit den unvergessenen Worten "das ist bestimmt eine Abkürzung" fuhr meine Mutter hinein — ich hinterher. Als wir eine geschlagene halbe Stunde später wieder aus dem Wald kamen, mussten wir zunächst einige Passanten fragen, wo wir eigentlich waren. Wie sich herausstellte, hatten wir tatsächlich eine Abkürzung gefunden, die auf sehr direktem Wege von Alzenau nach Hanau-Wolfgang führte — also in die entgegengesetzte Richtung. Die Brotzeit, auf die wir uns so gefreut hatten, rückte in weite Ferne. Solche Geschichten kennen natürlich alle, die jemals den Hintern auf einem Sattel hatten. Aber wie macht man es, dass man sich nicht so hoffnungslos verfranzt? Mit GPS für Radler (s. Radwelt 5/2000) oder einer guten Karte natürlich. Bevor (und ob) sich GPS flächendeckend bei Radlern durchsetzt, muss man sich weiterhin auf die gute alte Karte verlassen können. Doch was macht eine gute Radlerkarte aus und wie entsteht sie überhaupt? Weil mich letzteres schon länger beschäftigt, habe ich mal bei Wolfgang Preising nachgefragt. Er leitet die Kartographie-AG seit einiger Zeit und kennt sich mit Karten gut aus — er ist nämlich Geograph. Das Entscheidende an einer Fahrradkarte im Gegensatz zu anderen Karten ist, dass für Radler wichtiges in den Vorder- und für andere Verkehrsteilnehmer bedeutsames in den Hintergrund tritt: Kleine Feldwege werden fett und rot dargestellt, breite Straßen nur noch in hellem Grau. Der Maßstab von Radlerkarten liegt meistens zwischen 1:100.000 und 1:50.000. Wenn es soweit ist und eine neue Karte erstellt oder eine bestehende Karte überarbeitet wird, dann läuft das Ganze folgendermaßen ab: Wolfgang Preising erhält vom Verlag eine große Karte, auf der bereits die wichtigsten Straßen usw. eingetragen sind. Kleinere Ausschnitte dieser Karte werden kopiert und an die ca. 20 Mitglieder der Kartographie-AG verteilt. Sie schwingen sich innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen (die Verlage warten nicht lange) auf ihre fahrbaren Untersätze und klappern ihren Bezirk ab. Jetzt zählen nur noch Ortskunde, Papier, Stift und diese bewegenden Fragen: Wo gibt es neue Radwege? Wo kann man eine längere Tour fahren? Wo hat sich der Belags verändert? Wo gibt es eine "Wasserstelle" für durstige Pedalritter? Wo kann jemand bei einer Notreparatur helfen? Wo gibt’s Ersatzteile? Wo sind Gefahrenstellen — von stark befahrenen Straßen zu hochwassergefährdeten Uferwegen an Main und Nidda? Wo gibt es etwas Interessantes zu besichtigen und und und. Haben die Hobby-Kartographen alle Fragen beantwortet, macht sich Wolfgang Preising daran, in mühevoller Kleinarbeit alle Ergebnisse in die große Karte vom Verlag zu übertragen, um sie dorthin zurückzuschicken. Die Bielefelder Verlagsanstalt (BVA), die letztes Jahr die ADFC-Regionalkarte herausgebracht hat, würdigt übrigens mit einer Erwähnung im Impressum die ADFCler, die bei der Erstellung mitgearbeitet haben. Zum Thema Verlage ist noch zu erwähnen, dass sich aufgrund der kostenlosen Grüngürtelkarte kein Verlag mehr findet, der bereit wäre, einen Fahrradstadtplan für Frankfurt (wieder) ins Programm zu nehmen. Apropos Grüngürtel: Am 15. Juli feiern Umweltamt Frankfurt und ADFC sein 10jähriges Bestehen. Der ADFC betreibt einen Stand auf dem Kirmesplatz in Nied, unweit der Wörthspitze — die ist auf einer guten Karte dort zu finden, wo die Nidda in den Main fließt.(ch)
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