Ausgabe 5/2000 Sep. / Okt. |
Radurlaub auf Rügen
An den Tagen um Pfingsten herum verschlug es drei wackere ADFC-ler aus Frankfurt und Umgebung in Richtung Nord-Nordost. Bei der Anreise nach Stralsund verließen wir (Christina und Wulfhard) uns auf das Transportunternehmen Deutsche Bahn AG. Nach dem lauwarmen Bier im Speisewagen fiel das Einschlafen auf der Isomatte in dem auch nachts gut illuminierten Gepäckwagen nicht mehr ganz so schwer. So gingen wir ausgeruht und erleuchtet an den Start der Demo am Bahnhof Rügendamm in Stralsund. Hier fand sich auch das dritte versprengte Mitglied (Sven) aus Frankfurt ein. Er war schon auf der demonstrativen Radtour Berlin - Lychen - Berlin am Wochenende vor Pfingsten mitgeradelt. Diese zahlenmäßig nicht überlaufene Raddemo lief bei nur 12 TeilnehmerInnen in sehr familiärem Rahmen ab. Bereits nach dem ersten Tag vertrugen sich alle so gut, dass auf Polizeischutz verzichtet werden konnte. Hintergrund der Agit-Tour war die Forderung nach Wiederinbetriebnahme der 50-Seen-Bahn Fürstenberg-Lychen-Templin, nach komfortablen Fernradwegen in Brandenburg und Berlin sowie Anschluss an das Radwegenetz in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Tour dauerte 4 Tage und endete mit der vom ADFC Berlin organisierten Sternfahrt nach Berlin. 30.000 RadlerInnen rollten um die Siegessäule durchs Brandenburger Tor und machten das Stadtzentrum an diesem Tag endlich nahezu autofrei und somit erträglich. (Anm. des Autorenteams: Der Tiergarten wurde dabei nicht wie bei der Loveparade in ein öffentliches Klo verwandelt). Das Motto der vom ADFC Greifswald veranstalteten 9. Pfingst-Rügen-Demo lautete: Autofahrer nehmen zu Radfahrer werden mehr. Unter Polizeischutz ließ sich der Rügendamm autofrei überqueren. Auch auf den anschließenden Bundes- und Landesstraßen (gut asphaltiert) rollten wir von Autofahrern unbelästigt durch die schöne Landschaft Rügens. Abends in Dranske profitierte Sven von seinen Kenntnissen im Zeltschnellaufbau, wodurch sich die fliegenden Blutsauger vermehrt auf die langsameren Nachbarn stürzten. Mitradelnde Veganer wiesen uns entschieden auf das Lebensrecht auch dieser Tiere hin. Hiervon wenig beeindruckt hat Wulfhard dutzende dieser netten Mitwesen auf dem Gewissen und amüsierte sich ohne schlechtes Gewissen auf einer dörflichen Tanzveranstaltung. Tags drauf holte uns die Polizei pünktlich ab und begleitete uns freundlicherweise nach Binz. Einige TeilnehmerInnen nahmen die staatsbürgerlichen Pflichten (Demonstrationsrecht) an diesem Tage nur teilweise wahr und machten stattdessen einen Abstecher auf die Halbinsel Jasmund. Als normale Radtouristen getarnt erkundeten wir den Buchennationalpark und warfen einen Blick auf das Touri-Highlight Kreidefelsen/Königstuhl. Anschließend fuhren wir zur Wiege der vielen heute heiß begehrten Touristenschließfächer an den Küsten Südeuropas. Der im Binzer Ortsteil Prora in den dreißiger Jahren entstandene längste Wohnkomplex (KdF-Anlage) der Welt hat eine Gesamtlänge von 5 km und macht einen eher weniger einladenden Eindruck. Dieses riesige Gebäude wurde in der NS-Zeit als Ferienanlage gebaut, aber nie seinem ursprünglichen Zweck übergeben. Nach einem erfrischenden Bad in dem 16 Grad warmen Ostseewasser hatten wir durch diese Freude genügend Kraft für die letzten Kilometer zur Turnhalle nach Binz. Das zum Abend eher feuchte Wetter ersparte uns den Zeltaufbau und ließ uns kollektiv in der Turnhalle zwar stechmücken- aber nicht schnarcherfrei übernachten (der Einsatz von Ohrstöpseln ist empfehlenswert). Am nächsten, leider auch letzten Tag, endete die Demo für ein fahrradfreundliches Rügen. Hinter Putbus teilte sich das Feld nach Greifswald und Stralsund auf. Nach 12 km zähnelockernder Rüttelstrecke auf durchgehendem Kopfsteinpflaster (offizieller Ostseeradweg) lernten wir die aus Frankfurter Sicht paradiesischen Zustände beim ADFC Greifswald kennen. Auf einem Grundstück mit großzügigem Gebäude teilt sich der ADFC mit der dortigen Jugendhilfeeinrichtung den Platz. Dort ist Raum für vielfältige Aktivitäten wie: Kochen, Selbsthilfewerkstatt, Café, Büro, Übernachtungsmöglichkeiten, Duschen, Lagerfeuerplatz etc. Wir hoffen, mit unserem kleinen unterstützenden Beitrag den Plänen der zweiten Rügenanbindung (zweiter Rügendamm oder Tunnel) und weiteren Schnellstraßen oder gar einer Autobahn (oh welch ein Graus!!) auf Rügen Einhalt gebieten zu können (Originalzitat von Sven). Wer das Gefühl oder Bedürfnis hat, an Pfingsten im Jahr 2001 etwas ökologisch korrektes unternehmen zu wollen, ist zur 10. Pfingst-Rügen-Radtour herzlich eingeladen. Wahrscheinlich wird sie dann das letzte mal stattfinden, also nicht verpassen. Infos per E-Mail: adfc@gryps.comlink.apc.org oder per Telefon: ADFC Greifswald: Donnerstags (03834) 89 74 12. Christina Romeis, Sven Hechler und aus dem Frankfurter Speckgürtel Wulfhard Bäumlein. |
frankfurt aktuell 5/2000 (200059) © Copyright 1999 by ADFC
Frankfurt am Main e.V.
|