Ausgabe 4/2000 Jul. / Aug. |
Ich würde ja gern
Also ich würde ja gern mit dem Rad zur Arbeit fahren, wirklich, aber ich kann es mir nicht erlauben, verschwitzt dort aufzutauchen." Das sagen Sie auch immer, gell? Nein, das sagen natürlich nicht Sie, der Sie diese Zeitung bekommen, aber Sie kennen welche, die das immer sagen, stimmt's? Was also entgegnen? Man stelle sich im Sommer an die Bockenheimer Landstraße, kaufe sich am Opemplatz ein unmöglich teures Eis und studiere die Radfahrer, die dort langkommen. Das sind sehr viele, man braucht fast einen Schupo nur für sie, und von diesen vielen sind gar nicht wenige mit Schlips und Kragen unterwegs und flachen Köfferchen, sogenannten Bimbescontainem. Diese Herren (es gibt auch Damen in feinen Kostümen) sehen offen gesagt nicht aus, als müßten sie im Keller Kohlen schippen. Und trotzdem fahren sie mit dem Rad zur Arbeit. Sind das alles skrupellose Stinkstiefel, die am Abend vor dem wichtigen Vertragsabschluss seelenruhig Knoblauch essen und in derem Nähe ständig Fliegen von der Wand fallen? Man stinkt nicht sofort wie ein Iltis, wenn man etwas transpiriert. Die meisten sauberen Menschen jedenfalls nicht. Lassen Sie sich das von einem studierten Sportler gesagt sein. Ich transpiriere nicht etwas, mir läuft die Brühe!" sagen die, von denen Sie auch welche kennen. Jetzt frag' ich mich: Wie fahren die Fahrrad? Ich schwitze beim Radfahren nicht (ich sage ungern radeln, das klingt immer so nach Urlaub in Bayern), außer in Eile und im Sommer. Aber in Eile und im Sommer schwitzt man sowieso. Also eile man nicht. Man schwitzt immer noch? Dann macht man was falsch und soll langsam fahren. Man lache nicht, das ist seelisch gar nicht so einfach. Das muss man können, besonders bergauf, wo die Schweißfalle lauert. Die vermeintlich spottischen Blicke der Fußgänger muss man aushalten, die man so quälend langsam hinter sich läßt. Es gibt natürlich Menschen gehören Ihre Bekannten zu denen? die können nichts langsam tun. Sie reden ohne Punkt und Komma und bekommen Krämpfe, wenn sie langsam radfahren sollen. Aber das ist alles eine Frage der Gewöhnung. Fast alles. Jetzt lassen Sie mich mal mit Ihren bequemen Bekannten reden: Sie haben doch wohl eine Gangschaltung, oder? Mindestens 21 Gänge, stimmts? Ach kommen Sie! Haben Sie sich und ihrer Frau etwa nicht letzten Sommer zwei Räder im Partnerlook gekauft im Wahn der guten Vorsätze? Und dann doch bloß zweimal im Jahr an der Nidda langgegondelt, wofür die Dinger viel zu teuer waren. Also, Sie haben eine Schaltung mit jeder Menge Gänge benutzen Sie die. Und fahren Sie immer schön gemütlich mit dem gleichen Trettempo. Nicht mit dem gleichen Tempo! Wie gesagt: seelisch gar nicht so einfach. Da komm' ich ja nie an!" Unsinn. Ob gemütlich oder gehetzt ist eine Frage von Sekunden. Selbst als trödeliger Radfahrer bleibt man erstaunlich konkurrenzfähig. Ich hatte als Taxifahrer mal einen Fahrgast, einen weiblichen, der (oder müsste es jetzt die" heißen?) bat mich angesichts eines Staus, einen Umweg einzuschlagen. Ich: Da sind wir trotzdem nicht schneller da." Sie: Stimmt. Aber wenn man fährt, hat man wenigstens das Gefühl voranzukommen." Sehen Sie: Und davon muss man sich freimachen. Lassen Sie sich von ihrer Armbanduhr belehren. Sie sind doch auch sonst so rational, wenn Sie nicht gerade Aktien abstoßen. Das Loblied der Langsamkeit hat Peter Handke einst gesungen. Aber der hat inzwischen noch anderes gesungen, was mir nicht so wohl in den Ohren klingt. Lassen wir ihn also. Viele andere haben vor ihm die Langsamkeit gepredigt, die Zen-Buddhisten und überhaupt alle möglichen Lebenskünstler. Aber ich werde Ihnen jetzt nicht mit einer langen Literaturliste doof kommen. Ich will Sie auch gar nicht zum Trödeln verführen respektive Ihre Bekannten Sie wissen schon aber es besteht kein Grund, auf dem Fahrrad grundsätzlich mehr Schweiß zu vergießen als zu Fuß. Schwitzen Sie denn auf dem Fahrrad? Also ich nicht. Otto Wanda |
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