Ausgabe 3/1999 Mai / Jun. |
Rechtzeitig zum Saisonbeginn und vor der offiziellen Eröffnung des neuen Fernradweges hat die Bielefelder Verlagsanstalt die spiralgebundene Radwanderkarte herausgegeben. Die Werra war lange Zeit nur als innerdeutscher Grenzfluß bekannt. Der Fluß und das Werratal zwischen Thüringen und Hessen haben aber weit mehr zu bieten: Die Werraquellen am Rennsteig, die Theaterstadt Meiningen, Besuch des historischen Bad Salzunger Gradierwerks (für eine Tageskarte zahlt man sieben Mark, bekommt dafür einen weißen Kapuzenumhang als Schutz für die eigene Kleidung und kann dann nach Lust und Laune die Gradierwerke entlangspazieren und in besonderen Inhalationsräumen schnüffeln), wer einen kleinen Abstecher nicht scheut, nimmt Schmalkalden oder Eisenach noch mit; Eschwege, Bad Sooden-Allendorf, Witzenhausen und Hannoversch-Münden liegen an der Strecke und lohnen immer einen Besuch.
Gleich ein Tip für den Beginn der Tour: Es ist empfehlenswert, zuerst die Quelle Fehrenbach anzusteuern, dorthin führt nämlich ein autoloser Waldweg. Die Quelle liegt auf 797 m Höhe, aber die Steigung ist erträglich. Oben an der Quelle kann man sich in der bewirtschafteten Wanderhütte einen Gipfeltrunk genehmigen, wenn man vor 17 Uhr kommt. Möglicherweise hat die Hütte in der Hauptsaison länger geöffnet. Über den Rennsteig erreicht man die andere Werra-Quelle. Der Werratal-Radweg unterhalb der Quelle Siegmundsburg (800 m ü. NN) existiert nur als Wandersteig. Hier muß auf der sehr steilen Bundesstraße 281 zu Tal gefahren werden. Der Verlag hat der Karte den Untertitel „Erlebnisradeln von den Quellen bis zur Mündung" gegeben. Das kann man nur unterstreichen, wenn man - wie gerade geschehen - die Strecke bei feuchter Witterung abfährt. Die Markierung in der Karte läßt keine Wünsche offen, sieht man mal von dem nicht eingezeichneten dunkelgrünen und kristallklaren Werrateich nahe der Werraquelle Fehrenbach ab. Wahrscheinlich ist er zu klein, aber ein Juwel. Die Streckenbeschilderung konnte einen schon mal im Stich lassen, aber eigentlich nur in Ortschaften, wo dann aber die Einheimischen immer wieder hilfreich waren. Wer die ausgezeichnet gemachte Karte mitbenutzt, kann eigentlich nicht fehlfahren. Problematisch waren da schon eher die als Radweg bezeichneten Strecken. Statt des völlig aufgeweichten Ackerweges zwischen Harras und Veilsdorf mußte auf die B 89 ausgewichen werden, auch die zwei Kilometer vor Ebenhards waren glitschig wie Seife. Die Alternativstrecke zwischen Kloster Veßra und Themar auf guten, wenigbefahrenen Straßen schien – wenn auch länger – die bessere Wahl gegenüber dem in der Karte favorisierten ansteigenden Wiesenweg nach Henfstädt, auf dem bei Nässe nur geschoben werden konnte. Es gab auf der ersten Hälfte dieses Fernradweges sehr viele Pfade, die man nur als abenteuerlich bezeichnen kann. Wenn die tiefen Pfützen im Hochsommer dann ausgetrocknet sind, wird auf den dann ausgehärteten Wegen auch kein flottes Fortkommen möglich sein. Deshalb kann der Anspruch „geeignet für Familien mit Kindern" zur Zeit noch nicht bestätigt werden. Es ist zu befürchten, daß die lieben Kleinen – sollten sie tatsächlich nicht unterwegs ihren Drahtesel in die Werra werfen und streiken – nach dieser Tour nie wieder ein Fahrrad anfassen. Noch gibt es auch Plattenwege und es sind auch einige Straßen ohne Radweg mit Lkw-Verkehr in dem Streckennetz vorgesehen, was man Kindern eigentlich nicht zumuten sollte. Der absolute Höhepunkt waren die ca. 300 m Anstieg und Abgang vor Wernshausen. Der Gartenbesitzer, der freundlicherweise eine Gießkanne mit Wasser zum Freispülen der verschlammten Bremsen spendierte (die Trinkflasche hatte nicht ausgereicht), sagte, daß dieser Waldweg da oben nie austrocknen würde, weil das Wasser vom Berg so runterdrückt. Dieses Stück könnte auch wahrscheinlich nicht asphaltiert werden. Trotzdem: Die Tour ist sehr lohnend, wenn man eine schöne Gegend sucht. Wer gute Wege braucht, wird halt gelegentlich enttäuscht. Da wird sich aber sicher noch einiges verbessern. Es gab während der Tour viele gute Kontakte mit Einheimischen; sehr hilfreich war der Wirt vom Werrakrug in Lindewerra. Er schickte das liegengelassene Regencape in die Pension nach. War es nicht auch er, der versicherte, daß der in der Karte getüpfelte Werrabogen hinter Lindewerra höchstens zweimal im Jahr von dem Hochwasser führenden Fluß überflutet wird? Wer an das Ziel der Karte - Hann. Münden - gelangt ist und noch Zeit hat, kann leicht nach 29 Kilometern den Kasseler Hauptbahnhof über den Fulda-Radweg (R 1) erreichen. Hier werden alle zwei Stunden Züge nach Frankfurt eingesetzt und man kann bequem das beladene Fahrrad verstauen. Von Hann. Münden aus kann man auch den Weser-Radweg anhängen, wenn man noch ein paar Tage Urlaub übrig hat. Werratal-Radweg, Erlebnisradeln von den Quellen bis zur Mündung ca. 300 km. Spiralgebundene Radwanderkarte im Maßstab 1:50 000, 19 Karten, 1 Übersichtskarte, 1 Verkehrsanbindungskarte, Format 23 x 23, DM 19,80, ISBN 3-87073-241-5. Sehr schön die Kurzportraits der Städte und Gemeinden, die Hinweise zu Unterkünften und auf für die Radler sicher manchmal sehr notwendigen Fahrradgeschäfte. Angenehm die 5-km-Unterteilung der Strecke. Eine Karte mit den Bahnverbindungen zur Route erleichtert An- und Abreise. (br) |
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