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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Barock & Bier mit Bahn & Bike

Wie lassen sich Bier, Barock, Bahn und Bike miteinander auf genussreiche Art kombinieren? Dass das geht, bewies Tourenleiter Jens Zukunft anlässlich einer Viertagesfahrt über Christi Himmelfahrt in Bayerns Osten, durch fundierte Ortskenntnisse, Begeisterung für die barock geprägte Kulturlandschaft rund um Passau und Insiderwissen über die besten Lokale und Biergärten.

Zugegeben, es ist nicht das geeignetste verlängerte Wochenende, um mit Regionalzügen, acht Fahrrädern und einem Faltrad quer durch Deutschland zu fahren. Idealerweise vermeidet man Umstiege, da jeder Zugwechsel neue Hindernisse bieten kann. Dennoch trafen sich acht Radbegeisterte um 7.15 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof, ausgestattet mit Gepäck für die kommenden vier Tage. Mit Umstiegen in Bamberg, Neumarkt, Regensburg und Endstation in Straubing konnte die Anreise dank ausreichend Zeit beim Umstieg ohne besondere Vorkommnisse zurückgelegt werden.

Die Tour beginnt

Nach einer kurzen Rundfahrt in der historischen Altstadt von Straubing war gegen 15 Uhr der Ausgangspunkt der Radtour erreicht, der Donauradwegabschnitt mit den letzten 80 Kilometern des natürlich fließenden Flusses vor dem Donaudelta in Rumänien. Schöne Auenlandschaften, Feuchtwiesen und viele Tier- und Pflanzenarten begleiteten den Weg, sofern dieser nicht durch Hochwasserdamm-Ertüchtigungen umgeleitet wurde. Bei schönstem Wetter mit typisch weißblau-bayrischem Himmel und einer kurzen Stärkung mit Eis waren rund 40 Kilometer bis zum Tagesziel zurückzulegen, einem ungewöhnlichen Quartier in einer alten, romantischen Ritterburg unweit von Deggendorf. Wie im Mittelalter üblich, liegt die Burg Egg auf einer Anhöhe, die mittels kurzem, steilem Anstieg von rund 120 Höhenmetern auf einer Länge von 5 Kilometern bewältigt wurden. Nach der Zimmerverteilung jeweils auf Zweibettzimmer traf sich die Gruppe zum Abendessen in einem nahegelegenen Wirtshaus beim ersten Bier und bayerischen Speisen.

Erste Zwischenstation Vilshofen

Nach dem Frühstück frisch gestärkt führte die Radtour von Deggendorf nach rund 50 km in die malerische kleine Dreiflüssestadt Vilshofen, gelegen an Donau, Vils und Wolfach. Die Stadt mit ihrer über 1200-jährigen Geschichte verdankt ihren Wohlstand dem Salztransport. Enge Gassen und eine ansprechende Architektur im Inn-Salzach-Stil mit den typischen Blendgiebeln prägen die historische Altstadt, die nach einem Großbrand am Ende des 18. Jahrhunderts ihr heutiges Gesicht erhielt.

Wellenförmiges Radlerhotel direkt am Fluss

Nach kurzem Rundgang und Mittagseinkehr ging die Fahrt an der Donau etwa 20 km weiter nach Passau. Ein wiederum ungewöhnliches Quartier für die nächsten beiden Nächte wurde bezogen: das Rotel Inn, direkt an der Donau gelegen, gestaltet mit einer außergewöhnlichen Designidee und ideal für Radfahrende. Das Besondere: ein an die gleichnamigen Rotel-Busse mit ihren Schlafkojen angelehntes Zimmerdesign. Jedes Zimmer nur so breit wie das Bett, mit davor platziertem Tischchen und Regal überaus funktional und platzsparend. Für Einzelnutzer sind die Zimmer perfekt, bei Doppelbelegung ist besonderes Geschick erforderlich, um sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Nasszellen gab es in ausreichender Zahl gegenüber den Zimmern. Alles super sauber und praktisch.

Kunsthistorisches Schatzkästchen Passau

In der Lobby erwartete uns um 17 Uhr Stadtführerin Anneliese, um gemeinsam mit uns die Geschichte der Stadt Passau zu erlaufen. Die Altstadt liegt auf einer langgezogenen Halbinsel am Zusammenfluss der berühmten blauen Donau mit dem grünen Inn aus den Alpen und der schwarzen Ilz aus dem Bayerischen Wald. Die Grenze zu Österreich auf der anderen Flussseite ist zum Greifen nah. Durch diese strategisch hervorragende Lage war Passau schon in der Zeit der Kelten und später der Römer besiedelt. Nach den Römern folgten die Bajuwaren und seit 739 ist Passau Bischofssitz und bald darauf bedeutende Bischöfliche Residenzstadt. Durch den Salztransport auf dem Inn gelangte Passau bald zu großem Wohlstand. Bis zur Säkularisation unter Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts war die Stadt abhängig von Bischofs Gnaden. Den kirchlichen Würdenträgern ist es jedoch zu verdanken, dass Passau mit seinen rund 53.000 Einwohnern noch heute die besterhaltene Barockstadt Deutschlands ist. Große Brände und verheerende Überschwemmungen verlangten den Bewohnern viel ab, der letzte Großbrand 1662 legte die ganze Altstadt in Schutt und Asche. Ein Wiederaufbau unter Federführung der italienischen Baumeister Carlone und Lurago verlieh der Stadt ihr mediterran anmutendes, barockes Gepräge im Inn-Salzach-Stil, der bis heute erhalten geblieben ist: Mächtige Bürgerhäuser und Gebäude der kirchlichen Würdenträger, das Alte Rathaus, Residenzplatz mit bischöflicher Residenz, Universität und Schaiblingsturm, pastellfarbene Fassaden mit langgezogenen Giebeln und mit Stuck verziert. Prunkvoll in prächtigem Barockstuck ausgestattet, verfügt der Dom über die größte Orgel der Welt mit fast 18.000 Pfeifen und 233 Registern, verteilt auf fünf Einzelorgeln, die sich über ein kluges System von einem Orgeltisch aus bespielen lassen.

Mit Empfehlungen für eine Einkehr, die sich mit Jens‘ Idee für ein Abendessen deckte, verließ uns Anneliese. Gespeist wurde vor dem Alten Rathaus: Ochsenbäckchen, Leber oder Schweinernes mit frisch gezapftem Bier.

Weitblicke und bayerisch-österreichische Schmankerln

Früh traf man sich am nächsten Morgen in der Lobby, um sich ungefrühstückt zum ersten Tagesziel in den Sattel zu schwingen. Erst ging es über den Inn und gemächlich donauabwärts. Nach dem Passieren der österreichischen Staatsgrenze führte der Weg auf einer knackigen, etwa drei Kilometer langen kurvenreichen Straße steil bergauf. Ziel: Café Blaas mit Passaublick. Wohl dem, der über trainierte Waden verfügte, um die 160 Höhenmeter gut zu überwinden. Die Belohnung: Ein fantastischer Blick auf die Dreiflüssestadt bei einem Freiluftfrühstück. Mit leckeren Speisen und köstlichen österreichischen Kaffeespezialitäten wie Verlängerter, großer und kleiner Brauner oder Melange.

Barockperle am Inn

Doch viel Zeit zum Ausruhen gab es nicht, denn der nächste Höhepunkt wartete schon: um 12 Uhr wurde im Passauer Dom ein Orgelkonzert dargeboten. Unmittelbar darauf hieß es, den Drahtesel erneut zu besteigen, um das Passauer Hinterland in Österreich zu erkunden. Leider hatte eine Reiseteilnehmerin einen Platten und Jens machte sich auf die Suche nach einer Fahrradwerkstatt. Die Gruppe wurde geteilt und erhielt Anweisung für das nächste Ziel, den schönsten Biergarten weit und breit. Unterwegs gab es Unklarheiten bezüglich der Wegführung. Während die einen den korrekten Abzweig nutzten, fuhren andere weiter bergauf, um endlich auf den ersehnten Biergarten zu treffen. So landete ein Teil der Gruppe im vorgesehenen und der Rest in einem anderen schönen Biergarten. Später gab es ein freudiges Wiedersehen mit allen, auch der Reifen war geflickt, und gemeinsam wurde die Fahrt über den Höhenzug entlang des Inns fortgesetzt.

Genug der Höhenluft! Nach rasanter Abfahrt folgte bereits die nächste kulinarische Einkehr im Mosthäusl in Wernstein am Inn. Dort gab es erfrischenden Most, Marillenknödel, selbst gebackene Kuchen und Strudel. Frisch gestärkt schwang sich die Gruppe wieder aufs Rad und fuhr innaufwärts bis nach Schärding, der österreichischen Barockperle. Malerisch und beschaulich liegt das schöne Ausflugsziel direkt am Inn, mit komplett intakter barocker Innenstadt, in unterschiedlichsten Pastelltönen gestalteten, mit Stuck verzierten Fassaden mit hochgezogenen Rundgiebeln. Die Stadt wurde schon in der Bronzezeit gegründet und erfuhr eine wechselvolle Geschichte, weshalb sie mal zu Österreich, mal zu Bayern gehörte.

Nach ausgiebigem Rundgang war es Zeit für den Heimweg, der leider durch einen neuen Platten am selben Rad unterbrochen wurde. Die Teilnehmerin hatte Glück im Unglück, denn der Bahnhof mit Verbindung nach Passau war nicht weit. Die Gruppe setzte die Rückfahrt radelnd fort und landete zum Tagesabschluss nach rund 40 km und 380 Höhenmetern in einem lauschigen Biergarten in Passau für – endlich, denn in den anderen Lokalen war sie stets schon ausverkauft – Schweinshaxe mit Frischgezapftem.

Zur Krönung der Tour eine Überraschung

Im Reiseprogramm war eine Überraschung angekündigt. Nach langem Rätselraten lüftete Jens während des Frühstücks das Geheimnis. Um 8.15 Uhr war Zugabfahrt am Passauer Bahnhof mit Richtung München. Dort angekommen führte Jens zu Schloss Nymphenburg, Olympiagelände und – unterbrochen von einem dritten Platten – dem Englischen Garten. Wegen zu erwartendem hohem Rückreiseverkehr teilte sich die Gruppe, um mit den Rädern mehr Chance auf Mitnahme im Zug zu haben. Die einen sollten am Mittag zurückfahren, begleitet von Jens‘ Frau Christine. Die anderen hatten Zeit, sich im Biergarten des Englischen Garten an weiteren bayrischen Spezialitäten wie einer Maß Fassbier, Wurstsalat oder Ausgezogenen zu laben. Die Rückfahrt entsprach den Erwartungen: übervolle Züge, die bei jeder Station noch voller wurden. Schwierig war der Zugwechsel, denn in volle Züge kann man mit Rädern nicht zusteigen. Die letzten Teilnehmer:innen kamen gegen 23 Uhr nach Hause, begeistert von vielen tollen Eindrücken aus dem Barock- und Bierland Ostbayern. Ein großes Dankeschön an Jens Zukunft und seine Frau Christine für die tolle Touridee und die perfekte Organisation.

Renate Lauffenburger