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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Mobiles Arbeiten

Der Autoverkehr in Frankfurt nimmt weiterhin zu. Elende Staus überall, lautes Gehupe, schlechte Luftqualität für Anwohner und Passanten, für uns Radelnde oftmals nervenaufreibend. Auch häufig herausfordernd für Handwerksbetriebe mit Termindruck und Parkplatzproblemen. Aber es gibt tolle Vorbilder, die zeigen, wie es auch anders laufen kann.

Laut Wikipedia war der vermutlich erste Fahrradkurier der deutschen Geschichte ein gewisser Johann Baptist Ruhdorfer aus Hohenlinden. Er transportierte mit seinem selbstgebauten Hochrad schon Ende 1890 Ersatzteile für seine Kunden von München nach Rosenheim.

Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts gründeten sich die ersten „neuzeitlichen“ Fahrradkurierdienste. Seitdem kurven sie auf schnellen Rädern durch unsere Städte, um eilige Waren zügig von A nach B zu bringen. Sie sind nicht nur schneller als jedes Auto am Ziel, sondern auch ökologisch hoch effizient. Inzwischen nutzen auch andere Berufsgruppen lieber das Fahrrad für Transporte aller Art. E-Lastenräder sind dafür hervorragend geeignet. Unternehmen wie etwa die Post nutzen sie schon lange. Denn immer schon sind die Zusteller:innen traditionell mit dem Fahrrad unterwegs. Darüber hinaus nimmt das Lastenrad als Transportmittel für den Paketdienst insbesondere im innerstädtischen Bereich immer mehr an Bedeutung zu.

Das Rad als Alleinstellungsmerkmal

Die Physiotherapeutin Leonarda Tyralla hat sich vor ein paar Jahren selbstständig gemacht. Seit 2020 ist sie die erste mobile, klimafreundliche Physiotherapeutin, die ausschließlich auf dem Bike quer durch Frankfurt radelt, um ihre Patient:innen zuhause aufzusuchen. Dafür hat sie sich ein E-Lastenrad als Dienstfahrrad angeschafft und die anfänglichen Bedenken überwunden. „Am Ende muss man doch gar nicht so viel transportieren, wie befürchtet“, so Leonarda Tyralla. Im Gepäck sind unter anderem Laptop für Dokumentationszwecke, Desinfektionsmittel, Theraband, manchmal auch ein Massageaufsatz. Ihr Schwerpunkt ist der Hausbesuch, am Tag sucht sie ungefähr fünf Patient:innen auf. Wichtige Telefonate und Terminvereinbarungen werden unterwegs zwischendurch gemanagt. Darüber hinaus hat Leonarda Tyralla als Ergänzung einen Raum in einer Praxengemeinschaft angemietet, für ­Büroarbeiten und in Ausnahmenfällen auch für ambulante Behandlungen. Ein stationäres Büro als Ausgangsbasis zu haben, ist ihr sehr wichtig.

„Mein Auto habe ich verkauft, es stand immer herum, ich habe mich dann bei der Stadt Frankfurt für die Umweltprämie beworben und für ein Jahr das Deutschlandticket erhalten“, so Leonarda Tyralla. Das Auto vermisst sie nicht, lieber radelt sie auch bei miesem Wetter von Patientin zu Patient. „Allein die Vorstellung, auf der Berger Straße einen Parkplatz finden zu müssen, macht mir sofort schlechte Laune“, meint Leonarda Tyralla. „Ich werde auch deshalb häufig ­gebucht, weil ich DIE mit dem Fahrrad bin, da habe ich ein Alleinstellungsmerkmal.“

Weil sie viele Palliativpatient:­innen betreut, ist der Beruf immer wieder belastend. Aber nach jedem Termin an der frischen Luft in Bewegung zu sein, tut gut und Leonarda Tyralla nutzt den Weg von A nach B um durchzuatmen. Sie fährt im Monat rund 600 Kilometer und hat inzwischen die 30.000 Kilometer in vier Jahren geknackt. Bisher ist es immer noch der erste Akku, und insgesamt bleiben ihre Fixkosten sehr überschaubar. „Ich würde ganz gerne mehr Menschen motivieren, beruflich aufs Fahrrad umzusteigen.“ Die Physiotherapeutin sieht großes Potenzial bei Pflegediensten, Hebammen, Logopäd:­innen, Ergotherapeut:innen, die klassischerweise Hausbesuche machen. „Die Materialien sind meistens vor Ort bei den Pati­ent:innen, es muss in der Regel wenig transportiert werden“, meint Leonarda Tyralla.

links: Im Spezialanhänger verstaut …
mitte: … lässt sich ein Kontrabass auch mit dem Rad transportieren.
Mazin Alwan
rechts: Leonarda Tyralla zwischen zwei Terminen
Angelika Lincoln

Ganz Großes dagegen transportiert Jonas Lohse mit seinem speziellen Fahrrad-Anhänger. In seinem Ladengeschäft im Bahnhofsviertel baut, repariert und verkauft er Kontrabässe – seine zweite Berufung neben seiner Tätigkeit als Grafiker für Journal Frankfurt. Und bringt sie tatsächlich mit seinem Trailer und Fahrrad zur Kundschaft. Zwar nicht immer, manche Wege sind einfach zu weit, aber immer dann, wenn es möglich ist. Auch zu seinen Musikauftritten (sein dritter Beruf) nimmt er regelmäßig das Bike, das Instrument immer dabei. Den Trailer hat er selbst kreiert und gebaut, nach langer Planung mit Maßband, Stift, Papier und Photoshop, sozusagen maßgeschneidert. Das Chassis ist aus Aluminium, der Trailer-Aufbau ein Styropor-Case, leicht und stabil. Es schützt den Bass sehr gut. Das Instrument kann einfach hineingelegt werden, ohne aufwendig festgeschnallt werden zu müssen. Alles in allem ein echtes Leichtgewicht, der Trailer samt Fahrgestell und Case wiegt nur 15 Kilogramm.

Von seiner Werkstatt in Friedberg radelt er, den Bass im Trailer verstaut, zum Bahnhof und lässt sein Fahrrad dort stehen. Weiter nimmt er mit dem Bass im Anhänger die Bahn zum Hauptbahnhof nach Frankfurt. Von dort aus zieht oder schiebt er den Trailer zu seinem Frankfurter Standort, gibt dem Instrument den letzten Schliff oder übergibt den Kontrabass seiner Kundschaft. Das hört sich aufwendig an, aber unterm Strich ist es deutlich einfacher und entspannter als der Transport mit dem Auto – umwelt- und verkehrspolitisch genau die richtige Entscheidung.

Jonas Lohse weist wie auch Kersten Droß darauf hin, dass Selbstständige oder Firmen, die beruflich auf Transportbikes umstellen wollen, alle Transportoptionen genauestens durchdenken sollten. Denn am Ende muss das Lastenrad zum Unternehmen passen.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat 2020 Handwerksbetriebe zu „Fahrzeuge und Mobilität“ befragt, insbesondere, ob der Betrieb überlegt, zukünftig E-Lastenräder einzusetzen. Insgesamt sechs Prozent konnten sich das als Ergänzung ihres Fuhrparks vorstellen, aber kein Unternehmen wollte auf Kraftfahrzeuge gänzlich verzichten.

Unsere Beispiele jedoch zeigen: es geht! Wie heißt es so schön: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Und zum Glück haben wir die EUROBIKE! Diese Messe lädt dazu ein, sich bestens beraten zu lassen und unterschiedlichste Fahrradoptionen zu testen. Also schon einmal vormerken: 25. bis 29. Juni 2025 EUROBIKE Frankfurt.

Dagmar Berges