Natenom Gedenkfahrt, die zweite
Wie die Staatsanwaltschaft in Pforzheim die Tötung eines engagierten Radfahrers aufarbeitet
Erst im letzten Frankfurt aktuell berichteten wir ausführlich über die systematische Duldung von Regelverstößen im Straßenverkehr. Dazu gehört auch, dass wir gesellschaftlich die Tötung von tagtäglich sieben Menschen im deutschen Straßenverkehr tolerieren. Und mit Blick auf die geforderten und verhängten Strafen haben offensichtlich auch Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte großes Verständnis für die Täterinnen und Täter. Das betrifft auch einen Fall, der Anfang 2024 bundesweit für Aufsehen sorgte. Dazu kommen noch die gerne unterschlagenen rund 950 im Straßenverkehr verletzten Menschen in Deutschland – jeden Tag.
Rückblick: Im Januar wurde der engagierte Radfahrer „Natenom“, bürgerlich Andreas Mandalka, bei Pforzheim von einem Autofahrer auf einer ihm bestens bekannten Landstraße gerammt und getötet. Am 10. Februar 2024 nahmen etwa 600 Menschen an der wohl größten Fahrraddemonstration bis dahin in Pforzheim teil. Zusätzlich wurden bundesweit zusätzliche Gedenkfahrten veranstaltet.
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe (Zweigstelle Pforzheim) nahm Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung auf, die im Oktober 2024 abgeschlossen wurden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass „der mittlerweile 78 Jahre alte Pkw-Fahrer den Fahrradfahrer im Vorfeld des Unfalls trotz guter Sichtverhältnisse aus Unachtsamkeit gänzlich übersehen hat und daher ungebremst mit einer Geschwindigkeit zwischen 80 und 90 km/h auf den Fahrradfahrer aufgefahren ist. Dabei ist die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass sich der verstorbene Fahrradfahrer im Vorfeld des Unfalls vorschriftsmäßig verhalten hat und insbesondere durch seine Warnweste sowie die eingeschaltete Fahrradbeleuchtung ausreichend für andere Verkehrsteilnehmer sichtbar war.“
… den Fahrradfahrer trotz guter Sichtverhältnisse aus Unachtsamkeit gänzlich übersehen hat …
Natenom trug ebenfalls einen Fahrradhelm, der bei solchen Kollisionen aber praktisch nicht hilft. Außerdem wurde laut Polizei der Unfall durch die, wie üblich von Natenom getragenen, Kamera(s) gefilmt. Die Videos konnten gesichert werden und dürften für die Anklage hilfreich sein.Die Staatsanwaltschaft teilte weiterhin mit, dass sie einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung gegen den Autofahrer erlassen hat. Strafbefehle werden in Deutschland als vereinfachtes Verfahren ohne Hauptverhandlung genutzt, wenn es um kleinere oder leichtere Straftaten geht und die Aktenlage sehr eindeutig ist. Konkret geht es um eine Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen (berechnet nach dem Einkommen des Beschuldigten) und ein Fahrverbot von zwei Monaten. Danach dürfte der Beschuldigte wieder hinters Lenkrad. Wie angemessen oder hart dieser Vorschlag ist, mögen sich die Leserinnen und Leser am besten selbst überlegen.
Dieses Angebot lehnte der Beschuldigte jedenfalls ab und legte Widerspruch ein. Somit wird es zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommen, deren Termin aber noch nicht feststeht.
Gedenkfahrt am 2. Februar
Was dagegen schon feststeht: Anlässlich des Todestages wird am Sonntag, den 2. Februar 2025 eine weitere Gedenkfahrt für Natenom in Pforzheim stattfinden. Start ist um 11 Uhr vor der Staatsanwaltschaft in Pforzheim (Lindenstraße 3) in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs.
Wir unterstützen die angemeldete Demonstration von Frankfurt aus. Und das nicht obwohl, sondern gerade weil es bereits bei der ersten Demonstration Anfang 2024 zu Zwischenfällen mit Autofahrern kam und die Polizei den Schutz der Versammlungsfreiheit nur eingeschränkt sicherstellen konnte. Weitere Strafverfahren laufen diesbezüglich noch, einige Videos erleichterten hierbei die Aufarbeitung dieser Fälle. Wir empfehlen daher die Nutzung von Kameras bzw. Dashcams bei der Demonstration, sofern sie nicht in der Hand gehalten werden und somit ein Sicherheitsrisiko für die anderen Menschen sind.
Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele Menschen nach Pforzheim reisen und zeigen, dass es ein öffentliches Interesse an der Aufarbeitung solcher Fälle gibt. Für uns ist jeder getötete Mitmensch, insbesondere wenn sich die Person auch noch selbst für sichere Radinfrastruktur einsetzte, ein Grund mehr, die Forderung nach mehr Verkehrssicherheit noch lauter zu stellen. Egal ob in Pforzheim oder anderswo.