Editorial
Wer ganz leise ist, kann den beginnenden Countdown bereits überall hören … 3 – 2 – 1! Und da ist sie wieder: Die unvermeidlich jeden März erneut eingeläutete „Fahrradsaison“. Als ob Millionen Menschen ihre Räder während der letzten sechs Monate in dunkle Kellerverliese gestopft und der Unbill von Staub und Ungeziefer ausgesetzt hätten. Lauter der Finsternis preisgegebene „Drahtesel“, die nun zu neuem Leben erweckt werden müssen. Dieses Bild ergibt sich unweigerlich, glaubt man den „Fahrradsaison“-Specials, die dieser Tage landauf landab in den Medien erscheinen.
Wir wissen, dass das Quatsch ist. Auch der ADFC spricht zwar von einer „Saison“, meint damit aber ausschließlich das Segment der Freizeittouren, die, zugegeben, ab 15 Grad einfach mehr Spaß machen (Ausnahmen bestätigen die Regel). In der Rhein-Main-Region ist das Rad aber längst vollwertiges Alltagsverkehrsmittel – und das ganzjährig, auch wenn manche Redaktionen das bis heute nicht glauben.
Es genügt, sich den Fahrradparkplatz einer Kinderzirkusvorstellung im Januar gegenüber der Deutschen Nationalbibliothek anzuschauen oder die auch an einem der wenigen Schneetage gut gefüllten Abstellanlagen an Supermärkten, um das schiefe Bild der massenhaft eingekellerten Räder zu korrigieren.
Verkehrszählungen belegen den Trend zum Fahrrad als ganzjährig genutztem Verkehrsmittel. Schön wäre es, wenn dieses Wissen bei der Infrastruktur angemessen berücksichtigt würde. Der Winterdienst auf Radwegen – ein Positivbeispiel zeigen wir auf Seite 22 – ist hier nur ein Aspekt.
Die längst zu beobachtende Klimaveränderung mag zu weniger Schnee und Eisglätte im Winter führen, dafür bleiben die Wintermonate vermutlich sehr reich an Niederschlägen. Bei milden Temperaturen bedeutet dies: Großflächige Pfützen und verschlammte Wegstellen überall dort, wo „wassergebundene“ Oberflächen Radfahrende durch Parks oder an Flüssen entlang leiten. Dass das Rad den ein oder anderen Schlammspritzer abkriegt – geschenkt! Aber wer nach der Fahrt durch eine Frankfurter Grünanlage gezwungen ist, die Kleidung zu wechseln, ist geneigt, mehr oder weniger lautstark die gerade herrschende „Schlammsaison“ zu verfluchen. Die ist aber nicht schicksalhaft gegeben, sondern ließe sich mit etwas Mut zum Asphalt auf drei Meter breiten Wegen abwenden. So könnten wir dann ganz einfach nur Radfahren – ohne jegliche „Saison“, meint