Leidenschaft
Alexander Bürger von Zweirad-Ganzert an der Galluswarte brennt für historische Renner
Leidenschaft. Das Wort trifft es wohl am besten, um Alexander Bürger zu charakterisieren. Eine ausgeprägte Leidenschaft für historische Fahrräder, die zu einer ansehnlichen Sammlung von Rennrädern aller Epochen geführt hat. Hinter der modernen Fassade des Geschäftes an der Galluswarte befindet sich, versteckt auf dem Dachboden über der Werkstatt, reichlich Anschauungsmaterial für die Leidenschaft des Chefs. Aber es bleibt nicht beim Anschauen, die Rennmaschinen werden auch bewegt. Gerne in Italien, anlässlich der „l’Eroica“. Bürger gerät ins Schwärmen: Tausende Fahrrad-Enthusiasten kommen in Gaiole in Chianti zusammen, mit Stahlrahmen und Wolltrikots, auf rauen Pisten, bei entspannter Stimmung und gutem Essen („nein, nichts Isotonisches, sondern Schinkenbrote, Kuchen und Wasser oder Wein“) – ein „Rennen“ ohne Zeitmessung, auf historischen Rädern. Das ideale Ziel für einen Betriebsausflug von Zweirad-Ganzert, auf dessen Firmenbus das Logo der l’Eroica riesengroß die Heckklappe ziert.
Seit 100 Jahren existiert die Werkstatt im Gallus. Nach der Gründung 1923, mit Fahrrädern, Motorrädern und Nähmaschinen (kurzzeitig sogar Radios), erwarb Wilhelm Ganzert 1948 das Gebäude an der Mainzer Landstraße. Hier kam dann auch der Name „Bürger“ zu Ganzert, Schwiegersohn Rudolf Bürger übernahm das Geschäft. Es folgte Günter Bürger, der den Betrieb seinem Sohn, dem heutigen Chef Alexander, übergab. Und wie das in einer langen Familien- und Firmengeschichte so üblich ist, kennt man nicht nur sich untereinander, sondern nahezu alle, die in der gleichen Branche in Frankfurt aktiv sind. Wer den Laden dort betreibt, wer hier ausgeschieden ist, wer jetzt neu gegründet hat, was aus diesem oder jener geworden ist – Alexander Bürger, inzwischen auch schon 55 Jahre alt und von Kindesbeinen an im Geschäft, kennt sie fast alle. Und das kommt seinem Geschäft durchaus zugute.
Engagierte Seiteneinsteiger
Drei Mitarbeiter sind in der Werkstatt aktiv, dazu der Chef („ich bin eigenlich lieber in der Werkstatt als am Schreibtisch“) und ein Kollege im Büro. Und wenn es einmal ganz eng wird, hilft der Seniorchef mit. Seiteneinsteiger seien zwei seiner Schrauber, betont Bürger, patente und handwerklich Begabte, deren Leidenschaft (auch hier!) für das Fahrrad zu spüren sei. Und die er über seine vielen Kontakte in der Branche (siehe oben) kennengelernt habe und mit denen er hochzufrieden sei. Das Fahrrad sei komplexer geworden, nicht nur durch das Pedelec, auch klassische Fahrräder mit unzähligen Ausstattungsvarianten erfordern vielfältige Kenntnisse in der Werkstatt – und ein riesiges Ersatzteillager. Das sei ohne zuverlässige und engagierte Mitarbeiter kaum noch zu bewältigen.
In der Werkstatt läuft es
Nachdem in der Corona-Zeit der Ersatzteilemarkt fast zum Erliegen gekommen war, Bürger sich mühsam bei allen möglichen Internetangeboten versorgte, läuft das Geschäft wieder rund. Nur noch selten muss er Kunden enttäuschen, das Lager ist wieder gefüllt. Vertrösten muss er trotzdem hin und wieder, denn die Werkstatt ist ausgelastet, nicht alle Terminvorstellungen können umgesetzt werden. Es gelinge aber, Stammkundinnen und -kunden, an deren Rad eine dringende Reparatur ausgeführt werden muss, nicht zu enttäuschen. Mit dem Pedelec können sich immer weniger Radfahrende selber helfen, so dass der Andrang in die Werkstatt zugenommen habe. Bürger will sich dem Trend zum elektrisch unterstützten Fahren nicht verschließen, er bietet eine breite Palette an Pedelecs an. Aber eigentlich, meint er, brauche man doch in Frankfurt nicht unbedingt elektrische Hilfe, um in der Stadt unterwegs zu sein. Dabei macht er für die Fahrradstaffel der Polizei, deren Räder er wartet, natürlich eine Ausnahme. Bleibt aber kritisch, besonders was Akku-Lebensdauer, Kosten bei Ersatzbeschaffung und die Entsorgung alter Akkus betrifft.
Die Verkehrspolitik in Frankfurt beschäftigt ihn. Einerseits ist es gut, dass viel für den Radverkehr getan werde. Andererseits verstehe er verunsicherte Händler im Oeder Weg nach dessen Umbau. Oder wundere sich über die kritische Situation auf der Schloßstraße in Bockenheim. Aber, meint er, auch dort käme man besser zurecht, wenn alle mehr Rücksicht aufeinander nähmen. Autofahrer auf Radfahrende, diese auf Fußgänger, und Radfahrende untereinander sowieso. Damit würden sich doch viele unserer Probleme von allein lösen, findet Bürger.
Im Büro hängt ein älteres Rennradmodell. Kettenblätter und Ritzel signalisieren, dass hier Profis gefahren sind, man selbst damit schon im Vordertaunus scheitern würde. Bürger grinst („vorne 52 und 49 Zähne“), meint aber, nach Hanau rolle es sich einwandfrei. Und zur l’Eroica? Fahren Sie doch einfach mal mit, schlägt er vor, dann sehen Sie es selbst. Da blitzt sie wieder auf bei Alexander Bürger, die Leidenschaft für das klassische Fahrrad.
Zweirad-Ganzert ist Fördermitglied des ADFC. Für dieses Engagement bedankt sich der Vorstand des ADFC Frankfurt ganz herzlich!