„Make some noise, Frankfurt!“
Premiere der EUROBIKE CITY PARADE:
„Alle fahren Rad!“ – das Motto ist Programm
Es ist die Vielfalt, die sofort ins Auge sticht: Lastenräder treffen auf Rennradfahrer:innen im Lycra-Outfit, dazwischen sieht man junge Hipster auf Fixies und Freizeitradelnde älteren Semesters. Auch zahlreiche ungewöhnliche Radformen sind dabei, vom traditionellen Tandem über Velomobile und Liegeräder bis hin zu Dreirädern, Rikschas und Sonderanfertigungen für Menschen mit Behinderung.
Und genau das war beabsichtigt. Die Organisierenden ADFC und Eurobike plädierten mit der am 18. Juni erstmals stattfindenden Parade für sichere und barrierefreie Radwege sowie für ein zeitgemäßes Verkehrsrecht. Dr. Harry Herrmann-Hubert, Sprecher der AG Mehrspurig im ADFC Hessen fasste es bei der Auftaktkundgebung an der Messe treffend zusammen: „Immer mehr Menschen nehmen mit Dreirädern, Lastenrädern oder anderen Spezialrädern am Straßenverkehr teil. In einem Radwegenetz, das durch Schlaglöcher, Baumwurzeln, Drängelgitter und viel zu geringe Wegebreiten kaum passierbar ist, kann von Barrierefreiheit keine Rede sein.“ Neben ihm sprachen auch ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters und der neue – am Tag der Demo noch nicht in sein Amt eingeführte – Frankfurter Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (siehe auch Seite 8). Ein Info-Stand des ADFC Frankfurt und ein Coffee Bike trugen zur Festival-Atmosphäre bei, wobei sich die längsten Schlangen vor den zwei bereitgestellten Wasserstationen bildeten, denn die Sonne brannte mit über 30 Grad vom wolkenfreien Himmel.
Kurz nach 14 Uhr fiel der Startschuss für die Parade vom englischen DJ Dom Whiting, der auf der Bühne erklärte: „The German crowd is pretty hyped“ und alle Mitfahrenden daran erinnerte, viel zu trinken und hoffentlich keinen Platten zu bekommen. Dann schwang er sich auf sein mit einem DJ-Pult ausgerüstetes Lastenrad, führte die Parade an und sorgte mit seinen Beats die gesamten 15 Kilometer für ausgelassene Stimmung. „Make some noise, Frankfurt!“ animierte er immer wieder, worauf mit lautem Klingeln und ausgelassenem Rufen geantwortet wurde. So erzielte die Demonstration ein Maximum an Aufmerksamkeit bei den Umstehenden. Viele filmten (teils ungläubig) das Ereignis mit ihrem Handy. Auf Höhe der Alten Oper wartete nun das nächste Highlight auf die Teilnehmenden: Stelzenläufer:innen der antagon theaterAKTion schritten als Giraffen verkleidet durch die Menge. Symbolisieren sollte dies die langen und flexiblen Beine, die Radfahrende aktuell theoretisch bräuchten, um allen Hindernissen auf den Radwegen ausweichen zu können.
Flexibilität und schnelles Mitdenken bewiesen die Demonstrierenden an der Alten Brücke. Als von hinten ein Krankenwagen mit Martinshorn ankam, machten sie in Sekundenschnelle eine Rettungsgasse frei. Ob das mit Autos so gut geklappt hätte? Auch die 75 Ordnerinnen und Ordner leisteten über den kompletten Streckenverlauf ganze Arbeit und sorgten zum einen in Kooperation mit der Polizei dafür, dass Straßenkreuzungen gesichert wurden. Zum anderen erinnerten sie immer wieder an das Rechtsfahrgebot und ermöglichten so einen reibungslosen Verkehrsfluss.
Während der Fahrt wurde die Vielfalt der rund 1.500 Mitfahrenden immer wieder ganz deutlich. Man traf auf Familien, bei denen die Kinder die ganze Strecke bereits mitstrampelten, andere ließen sich auf dem Kindersitz oder im Lastenrad chauffieren.
In zahlreichen Cargo Bikes wurden aber auch Musikboxen transportiert, um selbst am hinteren Ende des Korsos einzuheizen. Und immer wieder fielen liebevolle kleine Details auf, wie das goldene Rad, das im Stil eines Gerippten bemalt ist und statt der Radflasche einen Bembel montiert hat. Oder der Radler mit Socken auf denen steht: I kiss better than I ride. Ein anderer Teilnehmer ließ per handgeschriebenem Zettel am Sattel wissen: Ich verbrenne Kalorien – kein Benzin. Dass sich so viele unterschiedliche Menschen mobilisiert haben zeigt, dass das Bedürfnis nach mehr Platz fürs Rad in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wie schön, dass die Bundesregierung in der Woche zuvor einen Entwurf zur Reform des Straßenverkehrsgesetzes vorgelegt hatte, der Kommunen und Städten wesentlich mehr Handlungsspielraum ermöglichen würde.