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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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So schaut es aus, wenn der OpenBikeSensor an der Sattelstütze montiert ist.
Roland Behme (4)

Roland Behme und das OpenBikeSensor-Projekt

Man kann es aus Sicht des ADFC einen Glücksfall nennen oder Volltreffer: Roland Behme hat sich im Jahr 2020 fürs Fahrrad als Verkehrsmittel für seinen Arbeitsweg von Kelkheim nach Wiesbaden entschieden. Mit seinem Umstieg vom ÖPNV aufs Pedelec während der Corona-Pandemie wurde ihm schnell klar, was es in Hessen bedeutet, Alltagsradfahrer zu sein: Man ist Verkehrsteilnehmer dritter Klasse. Radwege gibt es überland so gut wie keine und die Straßen beanspruchen die Autofahrer­:innen für sich. 

Keine Wege, kein Respekt und jede Menge negativer Zuschreibungen 

„Nach einem Jahr und rund 5.000 Kilometer Fahrradpendeln auf Landstraßen größtenteils ohne Radwege war ich diese unsäglichen Überholmanöver einfach leid“. Zufällig ist er zu der Zeit auf Twitter auf den OpenBikeSensor gestoßen. Mit diesen Sensoren wird der Abstand zwischen dem Kfz und dem Rad beim Überholmanöver gemessen. Diese Daten können von der Planung über die Einrichtung bis zur Forderung nach Radverkehrsanlagen wichtige Fakten liefern. Vor allem helfen sie, die Angst, die Radfahrende im täglichen Verkehr erleben, mit Fakten und Messwerten zu unterlegen. Auf der Suche nach Mitstreiter:innen trat er 2021 in den ADFC ein, baute sich seinen ersten eigenen Sensor zusammen und misst seitdem alle Überholmanöver von Kfz auf allen seinen Wegen. Seine bisherigen Erfahrungen: Auf schmalen „Schutzstreifen“ leben Rad­fahrer:innen am gefährlichsten, gefolgt von auf der Straße markierten schmalen Fahrradspuren. „Die Autos fahren direkt an der Begrenzungslinie, und das ist meist zu dicht. Viele glauben auch“, sagt Roland „dass sie zu Radfahrern, die auf einem Schutzstreifen fahren, keinen besonderen Abstand halten müssten, dabei sind auch hier die 1,50 Meter vorgeschrieben.“

Komponenten des OpenBikeSensors auf der Werkbank

Negativrekord: 37 Zentimeter

Wer schon einmal auf der Landstraße mit einem Abstand von unter 50 Zentimetern überholt wurde, weiß, dass das bei einer kleinen Unsicherheit, einer Unebenheit auf der Straße oder einem Windstoß ohne Schutzengel nicht gut ausgeht – für den Menschen auf dem Rad. „Trotzdem tun Autolenker:innen es immer wieder, manchmal aus Unachtsamkeit, manchmal aus Gleichgültigkeit und manchmal auch absichtlich. Wir Radfahrende werden allzu oft als Verkehrshindernis wahrgenommen“, fasst Roland seine Erfahrungen zusammen. Aus der Windschutzscheibenperspektive gesehen, sitze für manche auf dem Rad kein Vater, kein Sohn, kein Bruder und kein Ehemann, sondern „nur ein Radfahrer“, der überholt werden müsse, koste es, was es wolle.

„Wenn Sie sicher zur Arbeit kommen wollen, dann kaufen Sie sich doch ein Auto“

Diesen Satz hat eine Autofahrerin gesagt, die nach einem knappen Überholmanöver darauf angesprochen wurde. „Zuerst hast du einfach nur Angst, dann kam die Wut und die transformiere ich in mein Engagement für das OpenBikeSensor-Projekt“, erklärt Roland seine Motivation. Denn dass die Situation nicht bleiben könne, wie sie ist, steht für ihn fest.

Aber warum gerade im ADFC? Zuerst hatte Roland befürchtet, der ADFC sei ein „Altherrenverein, der Sonntags mit dem Rad ins Grüne fährt“. Dann wurde er aber auch auf das verkehrspolitische Engagement des Vereins aufmerksam. Er besuchte seine erste Kreis-Mitgliederversammlung, stellte auf der Eurobike seinen ersten Kontakt zum ADFC-Landesverband her und war mit dabei auf dem letzten HessenForum.

„Wenn Du selbst was einbringen willst, rennst Du im ADFC überall offene Türen ein“

Das ist Rolands bisherige Erfahrung und die spiegelt sich im Stand des Projekts wider. Mit Hilfe des ADFC-Landesverbands wurde ein Server für die Auswertung der mit den Sensoren zu sammelnden Daten bereitgestellt, damit nicht jeder Kreisverband einen eigenen Server betreiben muss. So profitiert auch die verkehrspolitische Arbeit des Landesverbands von den in ganz Hessen gesammelten Daten.

Der ADFC Main-Taunus hat das Geld für den Bau von zehn Sensoren bereitgestellt, und dort wird ­Roland jetzt auch von Uwe (nicht im Bild) und Jan beim Bau der Geräte unterstützt. Einige hessische ADFC-Gliederungen stehen bereits mit eigenen Projekten in den Startlöchern. Für diese schreibt Roland ein Handbuch mit Checklisten und Vorlagen, damit sie von den bisherigen Erfahrungen aus dem MTK profitieren können.

Jan (links) und Roland (rechts) präsentieren im Bastelkeller den ersten OpenBikeSensor für den ADFC Main-Taunus

Die Sensoren des ADFC Main-Taunus sollen ab Anfang April jeweils rund acht Wochen mit vielfahrenden Radfahrer:innen auf deren Alltagswegen unterwegs sein. Benötigt werden vor allem Fahrer:innen, deren Strecken teilweise oder hauptsächlich im Mischverkehr verlaufen. OpenBikeSensor-Interessierte brauchen ein Smartphone oder ein WLAN für den Upload der Messprotokolle und mindestens 15 Zentimeter Platz an der Sattelstütze zur Montage des Sensors. Nach den acht Wochen soll der Sensor dann an andere Fahrer:­innen weitergegeben werden.
Wer gerne einen Abstandsmesser-Sensor leihen möchte, um auf seinen Strecken die Überholabstände zu messen, meldet sich gerne bei roland.behme@adfc-mtk.de

Roland ist gespannt auf die Daten und ihre Wirkung. Werden sie einfach vom Tisch gewischt, obwohl sie einmal mehr den Handlungsbedarf in Sachen Radverkehrsinfrastruktur aufzeigen? Werden sie dazu führen, dass ­gefährliche „Radschutzstreifen“ zurückgebaut werden? Werden zukünftig alle nur noch mit Lastenrädern unterwegs sein, weil diese nach dem Stand der Daten tendenziell mit mehr Abstand überholt werden?

Roland freut sich auf die Er­gebnisse und auf das nächste ­HessenForum, denn alleine kommt man in Sachen Radverkehrsförderung nicht weiter, ­weshalb der ADFC als Interessenvertretung der Radfahrenden heute wichtiger ist denn je.

Gabriele Wittendorfer