Hofheim bewegt sich – aber die Stadt und das Land in Sachen Radverkehr nicht
Im letzten Jahr gab es an jedem letzten Samstag im Monat einen Zug von 50 bis 100 Radfahrenden, die mit Polizeibegleitung durch Hofheim fuhren. Jung und Alt, Lastenrad und Pedelec, mit und ohne Warnweste. Die Botschaft war immer:
Wir wollen in Hofheim sicher Rad fahren können!
Wer glaubt, dass diese Botschaft in der Kommunalpolitik auf Resonanz gestoßen wäre, wurde enttäuscht. Sofortmaßnahmen zur Förderung der Nahmobilität in Hofheim, die im Verkehrsausschuss vorgeschlagen wurden, darunter das einzurichtende Parkverbot in der südlichen Niederhofheimer Straße, hätten ohne Kosten schnell umgesetzt werden können. Stattdessen setzte die Stadt ihre bisherige Strategie nahtlos fort, Förderung der Nahmobilität nur auf dem Papier stattfinden zu lassen. Vielleicht lag es an der Kurzfristigkeit dieser Idee?
Langsamkeit ist in Hofheim Trumpf, wenn es um den Ausbau der Infrastruktur für umwelt- und klimafreundliche Verkehrsmittel geht.
So gibt es seit 30 Jahren eine Diskussion zum Radweg zwischen Hofheim und Lorsbach, aber keinen Radweg.
Es kann in Hofheim aber auch manchmal ganz schnell gehen. Dies konnte man z. B. bei der Abholzung der Bäume entlang des Heinrichswegs, dem Sandweg östlich des Schwarzbachs am Berghang von Hofheim nach Lorsbach, Anfang Oktober erleben. Die Begründung für die Maßnahme war bestenfalls unklar, der politische Prozess, der dazu geführt hatte, war undurchsichtig. Was klar ist: Juristisch ist die Sache sicher nicht angreifbar. Dies war die zentrale Botschaft an alle, die am 13. September auf einer Radtour zusammen mit unserem Verkehrsminister Herrn Tarek Al-Wazir über den Heinrichsweg von Hofheim nach Lorsbach und darüber hinaus gefahren sind. Damals standen die Bäume am Heinrichsweg noch. Herr Al-Wazir hat in Lorsbach die dort geplanten Maßnahmen aus Sicht der Landesregierung erklärt und begründet. Dabei war es Herrn Al-Wazir offenbar ein ganz besonderes Anliegen, dass alle Maßnahmen nach den juristischen Regeln der Kunst abgesegnet waren. Begriffe wie Umwelt- und Naturschutz, Lebensqualität, Bürgerinteressen und Interessenausgleich kamen in der Diskussion nicht vor oder wurden ignoriert. Im kleinen Kreis beklagte sich Verkehrsminister Al-Wazir noch über die langen Planungszeiten, durch die eine einzige Legislaturperiode überhaupt nicht ausreichen würde, Maßnahmen zu realisieren. Einmal davon abgesehen, dass Tarek Al-Wazir nun schon in seiner zweiten Legislaturperiode amtiert, gibt es dazu zwei Dinge zu sagen:
Der schmale Pfad durch den Dschungel der Gesetze ist kaum begehbar
1. Es ist nachvollziehbar, dass es schwierig und langwierig ist, den schmalen Pfad durch den Dschungel der Gesetze und Bestimmungen zu finden, der überhaupt noch begehbar ist, und sich dabei nach allen Seiten vor Gefahren aus diesem Dschungel abzusichern. Allerdings sind nationale Gesetze keine Naturgesetze, sondern von Menschen und Politiker:innen gemacht, und können von Menschen und Politiker:innen geändert werden. Der Sinn von Gesetzen ist, die gerechten Interessen der Bürger zu fördern und zu schützen. Wenn sie diesen Interessen entgegenstehen, dann ist es der Auftrag der Politik, diese anzupassen oder ggf. zu beseitigen. Es kann nicht sein, dass Politiker:innen sich hinter Bestimmungen verstecken, die sie selber eingeführt haben, und ihre Untätigkeit oder Unfähigkeit mit Umständen begründen, die sie selbst zu verantworten haben, und die sie – und nach Recht und Gesetz nur sie – ändern können.
Die Auswirkungen auf die Natur sind kaum eine politische Diskussion wert
2. Wenn schon Recht angewendet wird, dann bitte auch für alle gleich und nach gleichen Regeln. Im Rahmen der Diskussion um die Maßnahmen an der Klärwerkskurve gab es einen Vorschlag, den Mühlgraben temporär zu verrohren, um die Dauer der Sperrung zu verkürzen. Dieser Vorschlag wurde aus Naturschutzgründen abgelehnt. Es geht nicht um die Frage, ob der Vorschlag sinnvoll ist oder nicht, sondern um die Art der Begründung: Der Mühlgraben ist ein künstlich angelegtes Objekt, das nicht allzu viel Wasser führt und in diesem Sommer zwei Monate ausgetrocknet war. Dies ist in den nächsten Sommern – Klimawandel sei Dank – öfter zu erwarten. Wenn dies ein schwerwiegender Eingriff in die Natur ist, was ist dann von der unmotivierten Abholzung in einem durch Borkenkäfer und lange Trockenperioden schon geschädigten Wald zu halten? Auch eine weitere Episode in diesem Drama zeigt, wie flatterhaft argumentiert wird: Schon lange gab es aus Radfahrkreisen den Vorschlag, die Enden des Heinrichswegs in Hofheim und Lorsbach auszubessern und schlecht befahrbare Teile zu befestigen. Der Vorschlag wurde abgelehnt, weil der Eingriff in die Umwelt zu schwerwiegend sei. Kürzlich wurde der Weg dennoch auf ganzer Länge verdichtet und mit einer Oberfläche versehen, allerdings weniger, um Radlern eine Freude zu machen, sondern, um das Befahren durch Rettungsfahrzeuge und Feuerwehr zu ermöglichen. Die Auswirkungen auf die Natur wurden nicht einmal einer politischen Diskussion wert erachtet. Dabei ist dies derselbe Weg, derselbe Wald und dieselbe Umwelt.
Die Rechtslage wird in Hofheim und Wiesbaden gedreht und gewendet, wie es gerade passt. Und dabei regelmäßig zu Lasten umweltfreundlicher Verkehrsinfrastruktur. Das ist kein Recht mehr, das ist Rechtsmissbrauch.
Wenn an jedem letzten Samstag im Monat 50 bis 100 Radfahrende mit Polizeibegleitung durch Hofheim fahren, geht es also um eine gleichberechtigte Förderung aller am Verkehr Teilnehmenden, für umweltgerechte Nahmobilität und für die Wahrung von Lebensqualität und Bürgerinteressen. Wir fahren weiter, auch im Jahr 2023.
Florian Schwerteck
Florian Schwerteck lebt in Eppstein und engagiert sich im ADFC Hofheim, Eppstein, Kriftel als Kassenwart. Er hilft regelmäßig bei der Organisation der Demos von „Hofheim bewegt sich“.