Was war, was wird?
2006 war Wahljahr. Frankfurt hat sich ein neues Stadtparlament gewählt und in der Folge wurde die Stadtregierung kräftig durchgeschüttelt. Das ist die eine Seite von 2006. Auf der anderen Seite steht zu Buche, dass die Arbeit am Projekt „Fahrradfreundliches Frankfurt“ weiterlief, unbeeindruckt von allem Wandel im politischen Farbenspiel. Das ist sehr erfreulich, zeigt es doch, dass der politische Konsens, den Radverkehr zu fördern, jenseits aller Koalitionswechsel und bei allen Unterschieden in der Schwerpunktsetzung weiter Bestand hat. Für diesen Jahresrückblick hat sich der Autor einen besonderen Schwerpunkt gesetzt und betrachtet die Fortschritte des letzten Jahres einmal vom Main aus, sozusagen aus der Flussperspektive. Links und rechts des Mains In den letzten Jahren ist zu beiden Seiten des Mains eine äußerst erfreuliche Entwicklung in Gang gekommen, von der auch der Radverkehr profitiert und die durch die Fortschritte im abgelaufenen Jahr Anlass gibt, hier einmal genauer beleuchtet zu werden. Zwischen Fechenheim und Sindlingen hat sich eine Menge getan. Während der WM 2006 konnten sich täglich Hundertausende davon überzeugen. Auf beiden Seiten des Flusses stehen im Bereich der Innenstadt mittlerweile breite asphaltierte Wege zur Verfügung, die normalerweise nur während der gelegentlichen Überschwemmung des Tiefkais nicht passierbar sind. Weniger überzeugend war allerdings die Art, wie die Organisatoren der „Main-Arena“ mit der Vielzahl von Radfahrern umgingen, die gewöhnlich die Mainuferwege bevölkern. Keinerlei Umleitungsangebote halfen den an den wochenlangen Absperrungen Gestrandeten durch das Dickicht der festlich überfüllten Stadt. Schaumainkai – neuer Radweg auf dem Hochkai Umso wichtiger ist ein Projekt, das im letzten Jahr nach langem Vorlauf konkrete Formen annahm und für Fußgänger und Radfahrer auf dem Hochkai des südlichen Mainufers große Verbesserungen bringt. Auf Vorschlag des ADFC hatte das Stadtparlament den Magistrat im Herbst 2001 aufgefordert, „eine Gesamtplanung für den Radverkehr auf dem Hochkai zwischen Theodor-Stern-Kai und Deutschherrnufer vorzulegen“ und im Vorgriff darauf bei der Grundsanierung des Schaumainkais zwischen Friedensbrücke und Alter Brücke einen ausreichend breiten Zweirichtungsradweg auf dem Hochkai zu realisieren (§ 1061 vom 27.9.2001, Antrag der Grünen NR 187/01). Was den zweiten Teil des Beschlusses betrifft, kann mittlerweile jeder das Ergebnis vor Ort bestaunen (s. Titelfoto). Auf ganzer Länge ist das attraktive Asphaltband zwischen Friedensbrücke und Alter Brücke seit einigen Wochen befahrbar. Das bringt nicht zuletzt auch dem Uferweg auf dem Tiefkai Entlastung, der an den Wochenenden oder zu anderen festlichen Anlässen zeitweise doch arg übervölkert ist. Im Stadtplanungsamt werden derzeit die Planungen für die Fortsetzung des Radweges im Bereich des Deutschherrnufers zwischen Alter Brücke und Flößerbrücke mit den anderen Ämtern abgestimmt. Das sieht alles sehr gut aus und ich hoffe, dass wir nicht mehr allzu lange warten müssen, bis auch die letzte Lücke des Radweges auf dem Sachsenhäuser Hochkai geschlossen ist. Damit stünde dann wenigstens auf einer der beiden Mainseiten eine attraktive Ost-West-Verbindung mit direkter Anbindung an alle Mainbrücken zur Verfügung. Bislang schmuggeln sich die Radfahrer in diesem Abschnitt irgendwie auf den Gehwegen durch, immer in Gefahr, mit Fußgängern zu kollidieren oder an einer der Brücken von einem abbiegenden Fahrzeug erfasst zu werden. An allen südlichen Brückenköpfen sollen im Zuge der Realisierung des Projekts endlich die fehlenden Überwege ergänzt werden. Damit profitieren auch die Fußgänger in erheblichem Umfang von dem Projekt. Bis es so weit ist, werden die Radfahrer noch eine Weile mit dem unbeliebten Schild leben müssen, das bis auf weiteres das Ende des neuen Radwegs an der Alten Brücke markiert (s. Foto). Neue Rampen Um dem Ganzen das Sahnehäubchen aufzusetzen, hat der Magistrat sich entschlossen, auch alle zum Tiefkai führenden Rampen in die Sanierung einzubeziehen. In der Septembersitzung genehmigte das Stadtparlament eine entsprechende Mehrkostenvorlage (M 115/06). Darin heißt es u.a.: „Für die Oberflächenbefestigung wird das historische Großpflaster wiederverwendet. Neu ist die Schaffung eines Geh- und Radweges, der zur besseren Benutzbarkeit mit Betonsteinplatten befestigt wird. Die Trennung zwischen Fahrbahn und Geh- und Radweg erfolgt durch eine 3-reihige Natursteinpflasterrinne.“ Wer sich bisher hin und wieder eine der Katzenkopfpisten herauf oder hinunter gequält hat, wird den neuen Komfort sehr zu schätzen wissen. Alte Brücke Eine wichtige Rolle bei der Vernetzung der neuen Ost-West-Achse spielt die anstehende Grundsanierung der Alten Brücke. Von beiden Seiten des Mains laufen nach der „Radverkehrskonzeption Frankfurt am Main“ Fahrradrouten auf die Alte Brücke zu, im Norden durch die Fahrgasse ankommend, von Süden über die Elisabethenstraße. Es fügt sich in das Bild einer fahrradfreundlichen Zukunft, dass die Stadtverordneten nicht der Versuchung erlegen sind, auf Kosten des Radverkehrs ein bisschen Breite und einige Millionen an Kosten einzusparen. Die neue Alte Brücke wird neben den heute schon vorhandenen Gehwegen über ausreichend breite Radwege verfügen, ein weiterer dicker Pluspunkt für den innerstädtischen Radverkehr. Hibbdebach Trotz der glanzvollen Geschichte gehörte das nördliche Mainufer lange Jahre eher zu den vernachlässigten Bereichen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Verschwunden der mit dem Fahrrad kaum passierbare Flaschenhals an der alten Rollschuhbahn. Ein breiter Asphaltweg lädt ein zum Flanieren, ob mit oder ohne Fahrrad. Inzwischen kann man flussabwärts, wenn man sich im neuen Westhafenviertel nicht verirrt, bis zur Eisenbahnbrücke fahren und findet dort Anschluss in Richtung Gallus oder über die Brücke nach Niederrad. Weniger schön ist, dass Fußgänger und Radfahrer am Fuß von Frankfurts größtem „Gerippten“ die stark befahrene Mainuferstraße noch immer ungeschützt überqueren müssen. Aber auch hier ist Abhilfe in Sicht. Fahrradroute Bockenheim-Niederrad Noch ist der Aufstieg zur Brücke recht mühsam und der Fußgängersteg ziemlich schmal, von der unsäglichen Holztreppe mit den gefährlich glatten Schieberillen ganz zu schweigen. Aber die Zukunft hat auch hier schon begonnen. Im Juli letzten Jahres beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Vorplanung für eine weitere Fahrradroute, die künftig Bockenheim mit dem Niederräder Mainufer verbinden wird. Sie quert das Messegelände über die Emser Brücke, findet dann Anschluss an das künftige Europaviertel, um im weiteren Verlauf das Gallus zu durchqueren, bis sie etwas mühsam an der Galluswarte den Zugang eröffnet zur Camberger Brücke und damit zum Gutleut. Highlight der neuen Route ist dann die Mainquerung über die Main-Neckar-Brücke, die auf beiden Seiten behindertengerechte Rampen erhält. Der Fußgängersteg auf der Brücke selbst wird erneuert und auf drei Meter verbreitert. Fahrradroute Bockenheim-Museumsufer Auf dem Weg zum Westhafen unterquert man den Holbeinsteg. Hier mündet, vom Westend her kommend, die Fahrradroute Bockenheim-Museumsufer. Der größte Teil der Route wurde schon vor einigen Jahren fertiggestellt, aber der Lückenschluss durch das Bahnhofsviertel ließ auf sich warten und damit auch die wegweisende Beschilderung. Nun ist Land in Sicht, oder besser gesagt der Main. Zwischen der Mainzer Landstraße und dem Holbeinsteg sind seit einigen Wochen die Bauarbeiten in Gang, um die Achse durch Moselstraße und Windmühlstraße endlich für den Radverkehr in beiden Richtungen fit zu machen (s. Foto). In wenigen Wochen wird damit das Kuriosum ein Ende haben, dass der Frankfurter Fahrradstadtplan eine Fahrradroute ausweist, die so gar nicht legal befahrbar ist. Der neue Osten Auch mainaufwärts tut sich diesseits des Flusses so einiges. Das knochenschüttelnde, historisierende Großpflaster am Brückenkopf des Eisernen Stegs lassen wir mal außen vor. Es gehört aus Sicht des Radfahrers sicher nicht in die Kategorie Fortschritt. Das gilt schon eher für die geplante Umgestaltung der Verkehrsfläche vor dem Neubau der alten Stadtbibliothek. Nachdem das Stadtparlament Anfang 2006 die Vorlage des Magistrats (M 143/05) nach langem Hin und Her endgültig abgelehnt hatte, eröffnete sich die Chance, Einfluss zu nehmen auf die erforderliche Umplanung. Die Kritik des ADFC wurde in einem Antrag der SPD (NR 2151/05) aufgegriffen und landete als Prüfauftrag beim Magistrat. Noch ist nicht entschieden, wie es weitergeht, aber es scheint sichergestellt, dass die meisten Kritikpunkte des ADFC in der neuen Planung Berücksichtigung finden. Das würde insbesondere die Radverkehrsführungen im Verlauf der Flößerbrücke erheblich verbessern. Schon vor einigen Jahren wurde die Weseler Werft umgestaltet. Der Neubau der Europäischen Zentralbank und in seinem Gefolge ein völlig neues Verkehrskonzept eröffnet nun weitere Möglichkeiten der durchgängigen Befahrung des Mainufers. Die Main-Promenade wird bis zur Honsellbrücke verlängert. Über Rampen gelangt man dort auf die Brücke und hat künftig die Möglichkeit, entweder über die Franziusstraße weiterzufahren oder über die geplante neue Mainbrücke auf die andere Mainseite zu wechseln und dort die Barriere der Hafenbecken des Oberhafens zu umfahren. Entlang der Eisenbahnlinie über die Deutschherrnbrücke wird eine Verbindung zum Ostpark geschaffen. Noch nicht endgültig geklärt ist, ob auch die Deutschherrnbrücke künftig befahrbare Rampen erhält. Nur am Rande sei erwähnt, dass der dem Erschließungskonzept der EZB zugrunde liegende Stadtteilverkehrsplan (M 195/06) im Detail eine ganze Reihe weiterer Verbesserungen für den Radverkehr vorsieht. Wer es sich genauer anschauen will, kann sich den Plan hier herunterladen: http://www.stvv.frankfurt.de/parlisobj/M_195_2006_AN1.pdf Höchster Mainpromenade Doch nicht nur die Innenstadt profitiert von dem neuen Main-Bewusstsein. Auch in Höchst hat sich etwas getan im letzten Jahr. Unterhalb der Höchster Altstadt, die leider im fernen Römer noch immer nicht die Aufmerksamkeit erfährt, die ihrem historischen Rang zukäme, wurde auf dem Gelände des ehemaligen Hafens eine Promenade gestaltet, die sich vor der innerstädtischen Konkurrenz nicht verstecken muss. Der Mainradweg Im Glanz all der geschilderten Fortschritte kann sich ein weiteres Projekt erst so richtig in Szene setzen. Dem Planungsverband und hier besonders seinem Fahrradbeauftragten Joachim Hochstein ist es im letzten Jahr gelungen, alle hessischen Mainanrainerkreise dazu zu bringen, sich endlich eines lange Jahre eher ungeliebten Kindes anzunehmen. Die Rede ist vom so genannten Main-Radweg. Schon seit vielen Jahren wird der Radfernweg entlang des Mains vom bayrischen Regierungsbezirk Unterfranken sehr erfolgreich beworben, aber selbst in der vom ADFC betreuten Radtouristik-Broschüre „Deutschland per Rad entdecken“ endete der Main-Radweg bislang an der hessichen Landesgrenze. Das wird in Zukunft anders. Die betroffenen hessischen Kreise beteiligen sich künftig an der zentralen Vermarktung des Main-Radwegs. Erste sichtbare Zeichen sind die neuen Wegweiser auf hessischem Gebiet, die die alten, kaum lesbaren Holzschilder aus der Zeit des seit langem aufgelösten Umlandverbandes ablösten. Es bleibt zu hoffen, dass die Eltern dem neuen Kind auch die erforderliche Pflege angedeihen lassen. Noch immer gibt es auf dem Main-Radweg Abschnitte, die zeitweise eher als Trainingsstrecke für Querfeldeinfahrten geeignet sind. Erinnert sei an die im Hessischen Fernsehen vor einiger Zeit dokumentierten Seenplatten im Bereich der Staustufe Offenbach. Zu den Ärgernissen zählt an vorderster Stelle die wenig attraktive Umfahrung des Werksgeländes der ehemaligen Hoechst AG. Nicht weniger ärgerlich, auch wenn es nicht den offiziellen Main-Radweg betrifft, ist die Unterbrechung des nördlichen Mainuferwegs im Bereich des Werks Griesheim. Mit Freude hat der ADFC den jüngsten Vorstoß der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth für einen durchgehenden Radweg entlang des Mains zur Kenntnis genommen. Zwar stieß auch sie umgehend auf Ablehnung der Werksherren, aber auf Dauer wird sich die Infraserve dem berechtigten Anliegen nicht entziehen können. Das geht nicht ohne langen Atem, aber den haben wir ja. Nicht umsonst sieht die Radverkehrskonzeption auf beiden Seiten des Mains durchgehende Verbindungen vor. Ausblick Trotz aller Fortschritte gibt es noch immer genügend Anlass, zur Beschleunigung der zähen Abläufe kräftig am Schwungrad zu drehen. Lutz Sikorski, seit dem 13. Juli 2007 grüner Verkehrsdezernent der Stadt Frankfurt, hat in den letzten Monaten erste Zeichen gesetzt. Stellvertretend sei die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr genannt. Bis Ende 2008 sollen die etwa 700 verbliebenen Einbahnstraßen im restlichen Stadtgebiet abgearbeitet sein. Darüber hinaus warten noch eine Vielzahl von bereits beschlossenen Planungen seit Jahren auf ihre Umsetzung. Der ADFC wird auch im Jahr 1 nach der Weltmeisterschaft auf Ballhöhe bleiben. Das geht nicht ohne kräftige Unterstützung. Deshalb zum Start ins neue Jahr ein herzliches Dankeschön an alle, die uns im letzten Jahr geholfen haben. Ein gutes neues Jahr wünscht Fritz Biel |