Radeln und Ruhen Während wir Luft und Landschaft auf 2 Rädern geniessen, reiben die Wirtschaftsdezernenten in deutschen Urlaubsregionen fröhlich Daumen und Zeigefinger aneinander. Das Anlegen von Radwegen auf stillgelegten Bahntrassen und entlang der Flüsse bringt endlich wieder etwas Geld in die schlaffen Beutel der Kommunen. Bei der Radtour durch verträumte Dörfer und romantische Täler kann RadlerIn für Hotel und Verpflegung bei mässiger Sparsamkeit 60 E pro Tag loswerden. Da ist noch kein Souvenir, kein Schwimmbad-, Museums- oder Werkstattbesuch drin. Für den Preis von „Urlaub ab Haustür“ könnte man sich auch bequem (und viel länger) auf einer fernen Trauminsel verwöhnen lassen. Wir hassen Flugzeuge über unseren Köpfen, also vermeiden wir auch, sie zu besteigen. Ohne Erholungsverluste durch Jetlag und Klimastress gönnen wir unsere Urlaubskasse den heimischen Gastronomen – und den jeweils lokalen Verkehrs- und Touristikmanagern den Erfolg, dass gut ausgeschilderte Fern-Radwege auch genutzt werden. Der ADFC hat sich des Themas mit dem Projekt Bett-und-Bike angenommen, unterstützt von den Touristikverbänden der jeweiligen Länder. Die b-&-b Unterkunftsverzeichnisse stecken zwischen Funktionswäsche, Tubenwaschmittel und Werkzeug in den Packtaschen. Beim Abendessen wird die nächste Tagesetappe abgesteckt, mit einem Blick aufs Wetter und die aktuelle persönliche Kondition. Und dann hinein ins wohlverdiente, nicht ganz billige Kuschelbett! Kuschelbett?? Viele Hotelkopfkissen ähneln dem mageren Geldbeutel der Gastronomen. Über 15jährige Altfedernsäcke liegen schlaff unterm müden Haupt des Radwanderers und widerstehen jedem Versuch, doch noch eine Stütze für den tagsüber strapazierten Radlernacken daraus zusammen zu stopfen. Wo nichts drin ist, hat der radelnde Gast sein Recht verloren. Wenn dann beim ebenso schlaffen Frühstücksbrötchen hippe Musik aus einem Radio dudelt, mag auch der wortkarg eingenommene Kaffee nichts mehr ausrichten. Die Kondition geht nach solcher Nacht auf 30 %: den ausgeguckten b-&-b Betrieb erreichen wir dann am Abend nicht mehr. Ein cleverer Wirt gewinnt nun den Eindruck, dass wir müde genug sind für ein 1,40 breites Bett mit Aldi-Rollmatratze auf soliden Brettern, die auch unsere Isomatte nicht erweichen kann. Es ist ein Vorgeschmack auf das finale Erdmöbel, wo keine Knochen mehr weh tun. Unterhaltsam informiert die Kirchturmuhr alle 15 Minuten darüber, wie lange man nun schon wach liegt. Wir sind nicht so verschrocken und auch nicht auf den Mund gefallen. Den Gastwirt darauf hinweisen, dann wird der den Mangel an seiner Leistung bemerken und die Betten aufrüsten? Nach einer 35-_-Übernachtung (pro Person im Doppelzimmer) hören die geräderten Gäste, dass ein Kissen ja _ 10,- kostet, und man habe 40 Zimmer in dem vor 5 Jahren (samt Betten) übernommenen Haus ... Oder dass Matratzen nicht viel kosten dürfen, weil sie so stark strapaziert werden. So weit ich weiß, wären Gastronomen froh über die Auslastungsquote häuslicher Betten. Die Aussage, dass die Schlafgelegenheit dem Hotelier zu teuer ist, wiederholt sich in Variationen, ebenso wie die Nächte, die den Erholungswert vergällen. Im Restaurant zahlt man fürs Essen und im Hotel fürs Schlafen. Was aber, wenn die Hauptleistung im Tourismusgewerbe immer schlechter wird? Ich kann mir keine Ferienverlängerung per gelbem Urlaubsschein leisten. Wir haben den Rückzug angetreten und für den Rest des Urlaubs das häusliche Wohlfühlbett mit ergonomischem Nackenstützkissen und softiger 7-Zonen-Komfortschaummatratze auf 3-motorigem Federholzrahmen genossen, etwas weniger gebräunt und trainiert, aber ausgeschlafen. PS.: Der Saaletalradweg von Hassfurt bis Gemünden am Main ist auf 150 km Länge fast perfekt ausgebaut und beschildert, Eröffnung war im Frühjahr 2004. Die Topografie und eine bezaubernde Landschaft wurden geschickt eingeflochten, interessante Ziele liegen aufgereiht wie Perlen an der fränkischen Saale. Vom Jossa- und zum Sinntal gibt es reizvolle Verbindungen. Freya Linder |
21. September 2004 ADFC Frankfurt am Main e. V. |