Kundschaft zweiter Klasse
Es ist eigentlich immer das gleiche: Ich fahre zum Einkaufen und finde keine Möglichkeit, mein Fahrrad sicher abzustellen, sei dies bei HL, Aldi, Lidl, Minimal, Idea oder wem auch immer. Felgenklemmer in einer engen Ecke oder quer über den Gehweg sind das Nonplusultra an Abstellmöglichkeit, das der Einzelhandel der Rad fahrenden Kundschaft zu bieten hat. Irgendwie fühlt man sich angesichts der vielen schönen PKW-Parkplätze dann doch eher wie Kundschaft zweiter Klasse, ein wenig Schmuddelkind halt. Hält der Einzelhandel Radler immer noch für ärmlich, Kundschaft halt, die keinen Umsatz bringt und für die es nicht lohnt, sich überhaupt ins Zeug zu legen? Ist es nicht so, dass, wer mit einem Spielzeug und Freizeitgerät im Alltag herumfährt, doch nicht ganz ernst zu nehmen ist? Manchmal habe ich schon den Eindruck, und das wird dann durch ein Erlebnis wie das folgende auch noch verstärkt. An einem frühen Freitagnachmittag, es war der 12. März so gegen 15 Uhr, habe ich ein wenig Zeit, also versuche ich es mal mit einem Telefonanruf bei Rewe in Köln, schließlich haben die ja in Frankfurt reichlich Märkte, und alle sind mit diesen unsäglichen Drahtgestellen ausgestattet, die die Industrie als „Fahrradständer“ anpreist. Zuerst werde ich von der netten Dame in der Telefonzentrale an die für Frankfurt zuständige Niederlassung in Wiesloch verwiesen. Dort zeigt man sich überrascht und erklärt mir, die zuständigen Leute seien bereits seit Mittag im Wochenende – so tolle Arbeitszeiten möchte ich auch mal haben! Also rufe ich wieder in Köln an, diesmal werde ich von einer anderen Telefonistin zu einer Abteilung „Investition“ verbunden, es meldet sich ein Herr Damsch. Ich nenne meinen Namen und erkläre ihm mein Anliegen. Noch bevor ich richtig ausgeredet habe, fragt er mich barsch, wer ich sei. „Wie ich bereits sagte, mein Name ist Eva Kröcher.“ - „Wer sind Sie? Eine Firma? Wollen Sie mir etwas verkaufen?“ - „Ich bin weder eine Firma noch will ich Ihnen etwas verkaufen, ich bin eine Kundin der verschiedenen Märkte des Rewe-Konzerns und habe ein generelles Problem, dort mein hochwertiges Fahrrad diebstahlsicher anzuschließen. Das würde ich gern geändert wissen.“ Er erklärt mir knapp und ungehalten, dieses Problem gedenke man weder für mich noch für andere Radler zu lösen. Er sei selbst aktiver Radler und habe ein hochwertiges Fahrrad, damit würde er jedoch nicht einkaufen fahren. Ende der Belehrung, Ende des Gesprächs. Nun, mein lieber Herr Damsch, das ist sicherlich Ihre private Entscheidung, ob Sie überhaupt mit einem Fahrrad zum Einkauf fahren und wenn ja, dann mit welchem. Nur habe ich mir mein bequemes Leib- und Magenfahrrad für alle Alltagszwecke nicht zugelegt, um dann aus Angst vor einem möglichen Diebstahl mit einer alten Rostgurke zum Supermarkt zu schraddeln. Ob Sie mit Ihrer obrigkeitsstaatlichen Art (ich fühlte mich fast wie eine Bittstellerin beim Ordnungsamt) der Kundschaft gegenüber etwas für Ihren Arbeitgeber gut gemacht haben, kann Ihnen auch egal sein. Schließlich ist Kundenkontakt und Service nicht Ihre Tätigkeit, und die Wettbewerber bieten ja bei den „Fahrradständern“ das gleiche Bild des Jammers – also habe ich zu meinem Bedauern keine Vorteile davon, dorthin zu wechseln und Rewe zu meiden. Nur weiß ich zukünftig ein wenig genauer, was ich von der Kundenorientierung eines Konzerns zu halten habe, der zwar regelmäßig zum Frühjahr buntes Fahrradzubehör und billige Trekkingräder anbietet, der radelnden Kundschaft aber ansonsten die kalte Schulter zeigt. Eva Kröcher |
16. Mai 2004 ADFC Frankfurt am Main e. V. |