Ausgabe 6/2000 Nov. / Dez. |
Einbahnstraßen
"Es bedarf der politischen Willensbildung" Das jahrelange Ringen um die weitere politische Weichenstellung zur Öffnung von Einbahnstraßen in den Frankfurter Tempo 30-Zonen für den Radverkehr in Gegenrichtung ist in eine entscheidende Phase getreten. Der Magistrat hat die Erarbeitung seines Gesamtkonzepts für beendet erklärt und fordert das Parlament zur politischen Willensbildung auf. Er ist allerdings offensichtlich nicht gewillt, die Entscheidung des Parlaments abzuwarten: In einem Bericht an den Ortsbeirat 1 lehnt der Magistrat die vom Ortsbeirat gewünschte Öffnung von Einbahnstraßen in zwei Tempo 30-Zonen im Gutleutviertel ab. In Sachen Öffnung von Einbahnstraßen war Frankfurt einmal Spitze. Im Mai 1991 hatte die Stadt beim hessischen Minister für Wirtschaft und Verkehr die Genehmigung für einen Modellversuch beantragt, schon im August 1991 gab dieser seine Zustimmung, in den drei Tempo 30-Zonen Bornheim, Bockenheim und Heddernheim alle Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung zu öffnen. Es sollte aber noch fast drei Jahre dauern, bis im Frühjahr 1994 endlich der Startschuss fiel. Sechs Monate später legte der Magistrat einen ersten positiven Zwischenbericht vor (B 645 vom 4.11.94): "Die Befürchtung, mit dem Modellversuch könnte sich die Unfallbilanz verschlechtern, läßt sich bisher nicht bestätigen. Das Unfallgeschehen zeigt keine auffälligen Unterschiede im Vorher-/ Nachhervergleich, die auf eine Verringerung der Verkehrssicherheit schließen lassen." Rundweg positiv und optimistisch für die Zukunft äußerte sich Ulrich Schöttler, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde nach einer dreitägigen Konferenz mit seinen Kollegen aus allen Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern im Mai 1995 im Frankfurter Römer (s. Frankfurt Rundschau vom 9.5.95) Positiv auch die Haltung des damaligen verkehrspolitischen Sprechers der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Ernst Hinsken. In einer Pressemitteilung ließ er am 10.8.1995 die Öffentlichkeit wissen: "Bundesverkehrsminister Wissmann ist in seinem Vorhaben zu unterstützen über eine Verordnung versuchsweise eine Öffnung von Einbahnstraßen für gegenläufigen Radverkehr zu genehmigen. Durch die zeitlich befristete Versuchsverordnung können Erfahrungen gesammelt werden, ob den Interessen aller, insbesondere auch der Sicherheit des Straßenverkehrs Rechnung getragen ist." Eindeutig positiv auch der Erfahrungsbericht, den die Straßenverkehrsbehörde Ende 1997 vorlegte, bevor in Wiesbaden die Entscheidung fiel, den Frankfurter Modellversuch bis zum Ende der bundesweiten Versuchsreglung im Rahmen der StVO-Novelle weiterzuführen (siehe Auszüge). Positiv auch das Urteil der Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU, bis 1998) und Klimmt (SPD), derzeitiger Amtsinhaber: Nicht zuletzt die guten Frankfurter Erfahrungen führten zur Aufnahme der Versuchsregelung in die StVO-Novelle. Die Bundesregierung hat mitteilen lassen, dass sie die Ende 2000 auslaufende Versuchsregelung als Dauerreglung übernehmen will. Stillstand Seit vor drei Jahren die bundesweite Versuchsregelung in Kraft trat, hat sich in Frankfurt allerdings so gut wie nichts mehr bewegt. Seitdem antwortet der Magistrat mit stets den gleichen dürren Worten auf die Vielzahl von Forderungen nach Öffnung weiterer Einbahnstraßen: "Es wird zur Zeit eine Gesamtkonzept zur Öffnung von Einbahnstraßen in Tempo 30-Zonen für Radverkehr in Gegenrichtung erarbeitet. Sobald diese Konzept vorliegt, wird unaufgefordert berichtet." Oder: "Die ämterinternen Abstimmungen zu einem Gesamtkonzept zur Öffnung von Einbahnstraßen in Tempo 30-Zonen für Radverkehr in Gegenrichtung sind noch nicht abgeschlossen. Sobald ein Gesamtkonzept vorliegt, wird unaufgefordert berichtet". Kurz vor der Sommerpause dann: "Die vorbereitenden Arbeiten zur Öffnung von weiteren Einbahnstraßen in Tempo 30-Zonen für den Radverkehr in Gegenrichtung sind weitgehend abgeschlossen. Es bedarf jedoch der politischen Willensbildung." (s.a. frankfurt aktuell 4/2000) Das Gesamtkonzept - worauf mussten wir so lange warten? Schon in den vergangenen Jahren hatte der Magistrat verschiedene Versuche gestartet, über die Definition zusätzlicher Bedingungen die Anwendung der StVO-Regelung willkürlich einzuschränken, die einschlägigen Berichte wurden aber vom Parlament regelmäßig zurückgewiesen. Eindeutig als Bremser hat sich bislang nur die CDU betätigt, die seit Ende 1995 die zuständigen Dezernenten stellt, aber auch die FDP tat sich hin und wieder schwer. Gegenstand der Auseinandersetzung sind wie so oft die auslegungsfähigen Verwaltungsvorschriften zur StVO. Die Befürworter fordern angesichts der großen Bedeutung für den Radverkehr im Einklang mit praktisch allen Experten und nach dem Vorbild vieler anderer Städte eine großzügige Praxis – zwar wie vorgeschrieben mit Einzelfallprüfung, aber eben nicht nur im Einzelfall. Die Gegner suchten nach einer Handhabe, die ungeliebte Regelung möglichst einzudämmen. Aus der Formulierung – "... die versuchsweise ... Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung kommt nur in Betracht, wenn ... nach der flächenhaften Radverkehrsplanung die Benutzung der bestimmten Straßenstrecke innerorts erforderlich ist." – leiteten sie ab, nur Einbahnstraßen, die in dem 1992 beschlossenen ersten Teil der Frankfurter Radverkehrskonzeption (Gesamtstädtisches / regionales Netz) enthalten seien, dürften geöffnet werden. Das wären nach den mir vorliegenden Informationen ganze 50 der über tausend Frankfurter Einbahnstraßen. Wenn diese Deutung richtig wäre, dürfte genau das nicht geschehen, was sinnvolle Praxis in allen fahrradfreundlichen Gemeinden ist, die möglichst zahlreiche Öffnung der Einbahnstraßen abseits der Hauptstraßen im Interesse von Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs. Der Forschungsbericht der Stadt Münster (Radfahrer in unechten Einbahnstraßen, 1/92 PGV Hannover) empfiehlt schon 1992 nach langjähriger Erprobung gerade die möglichst flächenhafte Anwendung, um die Verkehrsteilnehmer nicht durch ständig von Straße zu Straße wechselnde Regelungen zu überfordern (s. dazu auch die Auszüge des Frankfurter Erfahrungsberichts). Die willkürliche Beschränkung auf die oberste der drei Netzebenen, die die "Radverkehrskonzeption Frankfurt" vorsieht und die als einzige bisher stadtweit bearbeitet wurde, würde gerade die so wichtige Erhöhung der Durchlässigkeit des Straßennetzes auf der Stadtteilebene unmöglich machen. Es ist schon eine absurde Vorstellung, dass ausgerechnet der Kurzstreckenverkehr im Stadtteil, der die eigentliche Stärke und Attraktivität des Fahrrades als Alltagsverkehrsmittel begründet, bei der wichtigsten und kostengünstigsten Maßnahme zur Förderung des Fahrradverkehrs außen vor bleiben soll. Das sogenannte Gesamtkonzept zur Öffnung von Einbahnstraßen ist ein Gesamtkonzept zur Verhinderung der Öffnung. Die Ziele der "Radverkehrskonzeption Frankfurt" im Bezug auf die Öffnung von Einbahnstraße kann jeder unschwer nachlesen. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage: Was ist die flächenhafte Radverkehrsplanung der Stadt Frankfurt? Diese Frage muss politisch entschieden werden und nicht von der Verwaltung. Genau das ist es, was ansteht meint Fritz Biel |
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