Mainkai autofrei – wer ist schuld wenn es scheitert?
Das Spiel mit dem schwarzen Peter geht in die nächste Runde!
So langsam fällt es immer mehr Politikern in Frankfurt auf: ein neu gestaltetes Flussufer ohne Autoverkehr und mit hoher Aufenthaltsqualität, wie es andere Städte schon längst haben, wäre eine feine Sache und auch in der Bevölkerung durchaus populär. Sobald sich die Diskussion auf die städtebaulichen Chancen fokussiert und nicht nur auf die verkehrlichen Nebeneffekte, "kippt" das Meinungsbild in die positive Richtung. Mittlerweile hat sich auch der hochkarätig besetzte Städtebau-Beirat für eine Neugestaltung des Mainufers positioniert. Seit Juni gibt es immerhin den ersten Versuch, eine Vision vom autofreien Mainufer der Zukunft aufzuzeigen. Architekt*innen vom Büro "Drei Eins" aus dem Nordend visualisierten einmal beispielhaft, was aus dem Mainufer werden könnte. Sehr zur Ansicht zu empfehlen:
Der Anblick von Flussufern anderer Städte, aber auch von Beispielen zur Gestaltung von urbanen Aufenthaltszonen, beflügelt die Fantasie darüber, was aus der derzeitigen drögen Asphaltfläche einmal werden könnte.
Idee: eine elegante Überdachung wie hier am Bremer Domshof könnte auch am Mainufer entstehen. Events darunter könnten das bislang tote westliche Ende des Mainkais im Bereich der Untermainbrücke beleben
Bild: Bertram Giebeler
Idee: so etwa wie hier am Saoneufer in Frankfurts Partnerstadt Lyon, mit begehbaren Stufen, könnte der große Höhenunterschied am Mainkai im Bereich der Alten Brücke abgefangen werden
So einiges wird von Initiativen und Verbänden getan, um den Mainkai mit Leben zu erfüllen – hier Kinderparcours, Fahrradcheck und Infostand am 21. Juni
Bild: Ecki Wolf
Auf alle Fälle wurde in den letzten Monaten viel für eine Belebung des Mainkais getan. Fleißig aktiv war in der bisherigen Corona-Zeit die Bürgerinitiative "Mainkai für alle" am nördlichen Ufer. Die Online-Petition für die Verlängerung der Testphase erreichte immerhin bisher über 9.000 Unterschriften - Stand 21.07.2020.
..hier gibt's weitere Infos zu den Aktivitäten der BI "Mainkai für alle"
Auch das "Netzwerk Nachhaltigkeit Lernen in Frankfurt", dem so manche Organisationen aus der Umweltbewegung angeschlossen sind, organisierte über 7 Wochen jeden Donnerstag die Bespielung des Mainkais mit themenbezogenen Infos und Aktionen, u.a. zu nachhaltiger Mobilität. Bis Ende August werden Aktive aus der BI "Mainkai für alle" und anderen Verbänden, u.a. ADFC und Radentscheid, jeden Sonntag Nachmittag von 15 bis 18 Uhr einen Kinder- Parcours, einen Technik-Check und Infos zu Fuß- und Radverkehrsthemen anbieten und damit den Mainkai beleben.
Die letzten Wochen brachten ein derartiges Hin- und Her auf der lokalpolitischen Bühne, dass es schon schwierig war, den aktuellen Stand nachzuvollziehen. Beginnen wir Mitte/Ende Juni: der Wortführer der BI "Sachsenhausen wehrt sich" und vehemente Gegner des autofreien Mainkais, Herbert Schmoll, scheiterte mit dem Versuch, den RP in Darmstadt gegen den autofreien Mainkai in Stellung zu bringen und einen sofortigen Abbruch der bis Ende August terminierten Testphase zu erzwingen; Verkehrsdezernent Oesterling zitierte den Bescheid des RP genüsslich im Verkehrsausschuss. Wenig später jedoch kam aus demselben RP die Ansage, dass Verkehrstests maximal ein Jahr dauern dürfen. Klaus Oesterling (SPD) ging nun öffentlich davon aus, dass er dann doch schweren Herzens den Test abbrechen und am 1.9.2020 wieder Autos rollen lassen müsse, weil ja der RP, eine Landesbehörde unter Einfluss des GRÜNEN Verkehrsministers Tarek Al-Wazir, das Ende des Tests dekretiert habe - schwarzer Peter bei den Grünen. Die Grünen wiederum konterten, Oesterling hätte nur Al Wazir um eine Sondererlaubnis fragen müssen, um den Test bis 2021 weiterzuführen – Erstaunen im Fachpublikum, wechselseitige Schuldzuweisung in der Stadtverordnetenversammlung, Oesterling-Bashing in einigen Medien, schwarzer Peter bei der SPD. Dann wiederum, am 8. Juli, kommt aus dem RP eine neue Ansage: die Befristung auf maximal ein Jahr gelte hier gar nicht, das Ganze sei doch gar kein Verkehrsversuch sondern eine städtebauliche Maßnahme, wenn die Stadt es beschließe könne das Mainufer ohne weiteres noch länger autofrei bleiben.
Wie geht es nun weiter? Der Ball liegt also im Feld der Römer-Koalition, die rein technisch noch die Möglichkeit hätte, eine Verlängerung bis Anfang/Mitte 2021 zu beschließen. Dort ist das Thema aber umstritten, die CDU will den Test (der laut RP Darmstadt eigentlich keiner ist) auf keinen Fall länger als Ende August laufen lassen. Bewegt sich die CDU keinen Millimeter, war es das wohl erst mal, und ab September werden wieder Autos über den Mainkai rollen. Alles andere hätte einen Koalitionsbruch zur Folge, und das riskiert kurz vor der Wahl keiner der jetzigen Koalitionäre – man weiß schließlich nicht, wie die Wahl ausgeht und ob man nicht wieder koalieren muss.
Aber vielleicht vermag die Vision vom "Mainkai für alle" doch noch so viel Kreativität freizusetzen, dass sich die Bürgerbewegung dafür noch verbreitert und die Koalition sich einen Ruck gibt. Eins ist sicher: der autofreie Mainkai wird zu einem mitentscheidenden Faktor bei der Kommunalwahl Anfang 2021!