Endlich ernst genommen
Den schönen neuen roten Fahrradstreifen an der Kurt-Schumacher-Straße hatte ich mehrmals auf dem Weg von der Innenstadt nach Hause ausprobiert und war immer schwer beeindruckt gewesen. Dann ergab sich eine Gelegenheit, es auch einmal andersherum zu probieren, von Bornheim zum Mainufer. Das war noch viel großartiger, weil es bergab ging. Ich fühlte mich wirklich wie auf dem roten Teppich. Es gab sowohl die Versuchung zu träumen, als auch die zu rasen. Beides ließ ich bleiben, ich fuhr konzentriert und fühlte mich dabei unbeschwert wie lange nicht mehr. Die Schlange der sich drängelnden Blechkarossen ließ ich links liegen. Ein Geräusch hinter mir brachte mich auf andere Gedanken. Ein Blick nach hinten zeigte, dass da ein großer, breiter Notarztwagen gerade auf das Stauende zusteuerte. Mein schöner roter Radstreifen bot sich ihm als ideale Fortsetzung seines Weges an. Souverän lenkte ich ganz an den rechten Rand und blieb dort stehen. Durch Blickkontakt nach hinten signalisierte ich, dass von mir keine unbedachte Reaktion zu erwarten war. Der Notarztwagen hatte jetzt den roten Radstreifen unter die Räder genommen. Auf einem der alten baumwurzelgewellten Radwege hätte es keine Konkurrenzsituation gegeben, so aber war meine Kooperation gefragt und es befriedigte mich sehr, sehen zu können, wie das Fahrzeug ohne Zögern nicht nur an mir, sondern auch an der langen Autoschlange elegant vorbei kam. Bei aller Begeisterung für die Radstreifen war ich bisher noch nicht auf die Idee gekommen, dass hier die ideale Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge geschaffen worden war. Vorausgesetzt natürlich, die Rad Fahrenden sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Ich hatte kein Problem damit. Im Gegenteil: Endlich fühlte ich mich ernst genommen. Auf mich und mein Fahrrad kam es an, als es um die Rettung von Menschenleben ging.
Ingolf Biehusen