Unterwegs auf dem Wunder, hier in Fahrtrichtung Karben
Peter Sauer
Das Wunder vom Pappelweg
Ein Quantensprung für den Radverkehr zwischen Bad Vilbel und Karben
Elektronische Archive geraten an ihre Grenzen, wenn es darum geht, herauszufinden, seit wann es die Forderung nach einem fahrradfreundlichen Ausbau des sogenannten Pappelwegs, der Verbindung zwischen Alt-Dortelweil und dem Industriegebiet Karben, gibt. Der Ausbau dieser Strecke wurde stets durch das Argument blockiert, dass dann Auto-Schleichverkehr nicht zu verhindern sei.
In den 1980er Jahren wurde auf Betreiben eines Landwirts eine Schranke als Gegenmaßnahme gerichtlich untersagt. Und so blieb es jahrzehntelang bei einem Zustand, der durch Schlaglöcher und Matsch nach Regen nur Hardcore-Radelnde nicht davon abhielt, diese direkte Verbindung zu nutzen. Die Bezeichnung des Wegezustands als "schlecht" hätte noch als Euphemismus durchgehen können.
Bewegung kam 2014 in die Sache, als die Idee der "Kurzen Wetterau" geboren wurde, einer Radverbindung zwischen Butzbach und Bad Vilbel, die vor allem das vorhandene Wegenetz an der Nidda so ergänzen soll, dass möglichst direkt geradelt werden kann. Und ja: Ein kurzer Blick auf eine Karte lässt sofort erkennen, dass der Schwenk der Nidda über Gronau dieser Direktheit widerspricht.
Im Jahr darauf, 2015, überraschte die Stadt Karben mit dem Ausbau ihres – allerdings sehr kurzen – Teilstücks, das insofern für den Radverkehr noch keinen deutlichen Qualitätsgewinn brachte. Auffallend war ein Schild, das an der Gemarkungsgrenze postiert wurde, mit der freundlichen Aufschrift "Auf Wiedersehen in Karben". Das hatte für mich schon den Unterton von "Sie verlassen den amerikanischen Sektor", fast eine leichte Provokation in Richtung der Nachbarstadt Bad Vilbel.
Die Polleranlage, von Ferne steuerbar und mit Solarstrom betrieben
Christian Martens
Der Ausbau des Bad Vilbeler Abschnitts wurde im Radverkehrskonzept der Stadt Bad Vilbel vom August 2017 festgehalten und dort sogar mit den Attributen "hohe Priorität" und "kurzfristig" bedacht. Die Hoffnung auf eine nachhaltige positive Veränderung wurde also wieder genährt. Im Dezember 2019 stellte der Bad Vilbeler Verkehrsdezernent Sebastian Wysocki eine Umsetzung bis Ende 2020 in Aussicht, nachdem man sich geeinigt hatte, dass ein durch die Landwirte per Fernsteuerung versenkbarer Poller das Problem des drohenden Auto-Schleichverkehrs lösen soll. Und tatsächlich: Es wurde Wort gehalten. Kurz vor Weihnachten konnten die Fahrradreifen erstmals über den neuen Asphalt surren.
Und daher kann jetzt in den Worten der Weihnacht formuliert werden: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Radlervolk zwischen Bad Vilbel und Karben widerfahren wird, denn Euch ist jetzt ein Radweg eröffnet, welcher setzt ganz neu Maßstäbe. Und weiter: Kommet, ihr Radler, ihr Männer und Fraun, kommet, den herrlichen Radweg zu schaun. Verzeihung, wenn die Weihnachtsstimmung noch mit mir durchgeht: Ich schreibe dies am 27.Dezember.
Die Strecke vom Alten Rathaus in Bad Vilbel bis zum Bürgerhaus in Karben ist durch den Ausbau des Pappelwegs gegenüber dem Niddaradweg um 3,4 Kilometer kürzer geworden, also etwa 10 bis 15 Minuten schneller. Sie misst nun nur noch 6 Kilometer und verläuft größtenteils abseits des Straßenverkehrs. Wäre die Fertigstellung nicht mitten im harten Lockdown erfolgt – und überdies zu einer Jahreszeit, die nicht gerade als Hochsaison für den Radverkehr gilt –, so wäre ein großer Festakt nach dieser Vorgeschichte sehr angemessen.
P.S.: Manche mögen sich über den Begriff "Pappelweg" wundern. Bis Oktober 2012 wurde der Weg von mehr als 50 Pappeln gesäumt, die weithin sichtbar waren. Die Pappeln wurden gefällt, der Name blieb und wird wohl auch noch ein Weilchen fortbestehen.
Christian Martens