Direkte Radwegweisung auf benutzungspflichtigem Fußweg, und keinen im Ordnungsamt schert das.
Gabriele Wittendorfer
Meldeplattform Radverkehr im Main-Taunus-Kreis oder:
Besuch in einem Potemkinschen Dorf
Radverkehr spielt sich im kleinsten Kreis der Bundesrepublik naturgemäß selten innerhalb kommunaler Grenzen ab. Wer einmal in die Pedale tritt, hat Eschborn schon verlassen und befindet sich z. B. in Schwalbach. Wer in Hochheim losrollt, muss erst in Flörsheim wieder Kraft einsetzen…
Maßnahmen zur Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur werden traditionell – wenn überhaupt – zwischen kommunalem Rathaus und Kirchturm verantwortet und gedacht. Daran haben weder der Regionale Flächennutzungsplan noch das MTK Radverkehrskonzept etwas geändert. Was daraus folgt, kann man sehr schön am Einsatz der Meldeplattform Radverkehr im MTK ablesen.
Im Jahr 2015 konnte der ADFC beim Runden Tisch Radverkehr (eine Veranstaltung zu der damals der MTK-Radverkehrsbeauftragte alle Kommunen und den ADFC eingeladen hatte) Vertreter:innen aus der Verwaltung überzeugen, dass die Meldeplattform, ein von der ivm (siehe Kasten) entwickelter und von der Landesregierung kostenfrei bereitgestellter Service, sowohl den Radfahrenden als auch den Kommunen dienlich sein könnte:
- die Kommunen konnten die Online-Kommunikation von der Meldung bis zur Sachbearbeitung einfach in der eigenen Verwaltung implementieren
- die Radfahrer:innen konnten das, was ihnen unterwegs auffiel, immer auf demselben Weg weitergeben ohne zuvor herausfinden zu müssen, auf welchem kommunalen Gebiet man sich auf dem jeweiligen Flurstück gerade befindet
Gesagt, getan – aber was in Sulzbach vier Wochen später lief, funktioniert in Bad Soden bis heute nicht
Schon bei der Umsetzung dieses Unterfangens spiegelte sich die Praxis der "Radverkehrs-Förderung" in den unterschiedlichen Kommunen wieder:
- die Ungleichzeitigkeit – von vier Wochen bis Sankt Nimmerlein
- die Ernsthaftigkeit des Angebots – selbst wenn die Meldung ankam, wurde sie in einzelnen Kommunen verlässlich als nicht relevant abgebügelt
- die Verlässlichkeit des Angebots – bis heute gibt es Kommunen, die den Meldenden außer der automatischen Rückantwort keinerlei Information zukommen lassen, d.h. man weiß nie, ob die Meldung auch wirklich angekommen ist und bearbeitet werden wird
Von der schlichten Einbettung des Services auf der kommunalen Homepage einmal ganz zu schweigen. Natürlich reagierte man auf die jährlichen Test-Anfragen der ADFC Vorsitzenden; zumindest erhielt sie früher oder später eine Antwort, meist an ihre E-Mail-Adresse, d.h. außerhalb des Workflows. Aber unbekannte Nutzer:innen warten nicht selten bis heute auf eine Reaktion, geschweige denn die Behebung des Mangels.
Um das Ausmaß des Potemkinschen Dorfes zu erheben, haben einige Aktive des ADFC Main-Taunus deshalb mit Ansage (die Kommunen konnten im MTK FahrRad-Kurier die Ankündigung dieser Aktion lesen) im Juni dieses Jahres zu einer Großmeldung aufgerufen, bei der ADFC Mitglieder "unsinnige Beschilderungen" über die Plattform melden sollten. Die Idee dahinter: Beschilderungsprobleme sind am einfachsten zu beheben, denn ein Zusatzschild "Rad frei" ist auch in Corona-Zeiten installierbar. Die Ergebnisse waren erschütternd:
- von den sechs Kommunen, für die zehn Meldungen reinkamen, wurden zwei Mängel bis heute behoben
- keine einzige Kommune hat eine Erledigungs- oder sonstige Antwort an die Melder:innen gesandt; zwei Kommunen haben dies selbst auf Nachfrage bis heute nicht getan
- Meldungen für die Kommune Hofheim waren zum Zeitpunkt des Tests nicht möglich – was aber niemandem aufgefallen ist (weder auf Seiten der ivm noch bei der Stadt Hofheim) und nur durch massives Nachhaken des ADFC überhaupt behoben wurde
- gemeldete Mängel im MTK werden auf der ivm-Karte nicht mit Fähnchen markiert, im Gegensatz zu Mängelmeldungen auf Frankfurter Stadtgebiet
Ja, die Meldeplattform hat auch als IT-Service ihre Macken, aber vor allem hat der Gedanke, dass Radverkehrs-Services durchgängig, verlässlich und relevant sind, noch in viel zu wenigen Köpfen im MTK Einzug gehalten.
Und da hilft es auch nicht, wenn einzelne Kommunen nun auf "eigene Online-Meldeangebote" verweisen. Erstens ist zu befürchten, dass auch dort Mängel auf Radrouten meist weggebügelt werden. Außerdem erschließt sich einem der Vorteil nicht, dass Meldungen für nicht geleerte Mülltonnen, für gefundene Geldbörsen und falsch beschilderte Radrouten nun zunächst von einer Person in der Kommunalverwaltung richtig zugeordnet werden müssen. Dieser Zwischenschritt war bei der Meldeplattform Radverkehr nicht nötig, wo doch die MTK-Kommunen eh zu wenig Personal haben…
Gabriele Wittendorfer