Radweg oder Fußweg? Oder was?
Kreative Verkehrsführung in Bad Vilbel
Friedberger Straße, Abzweig Heinrich-Heine-Straße
Theo Sorg
Man tut viel für den Radverkehr in Bad Vilbel – und markiert in auffälligem Rot eine Furt für Radelnde, obgleich dort gar kein Radweg ausgewiesen ist. An diesem Beispiel wird deutlich, wie sich gut gemeinte Ideen in ihr Gegenteil verkehren können.
Zu besichtigen ist dieses Beispiel auf der Friedberger Straße, dort wo die Heinrich-Heine-Straße im rechten Winkel abzweigt. Ab der Kreuzung der östlich der Friedberger Straße parallel verlaufenden Gießener Straße verbietet das Verkehrszeichen 267 die Einfahrt in die Heinrich-Heine-Straße, nimmt allerdings mit dem Zusatzzeichen 1022-10 den Radverkehr von diesem Verbot aus. Demgegenüber gibt es an der Einmündung der Heinrich-Heine-Straße in die Friedberger Straße kein Einbahnstraßen-Zeichen. Die Heinrich-Heine-Straße ist somit eine sogenannte unechte Einbahnstraße: Die Einfahrt ist für Kfz nur von der Friedberger Straße aus erlaubt, doch innerhalb des Abschnitts bis zur Kreuzung mit der Gießener Straße ist der Kfz-Verkehr in beiden Richtungen zulässig (was Anwohner*innn entgegenkommen kann). Es gibt diese Art von Straße in der StVO eigentlich nicht; sie hat dennoch ihre Berechtigung, wirkt sie doch verkehrsberuhigend. Andererseits führt das oftmals dazu, dass den der vermeintlichen echten Einbahnstraße entgegengesetzt Fahrenden der Vogel gezeigt wird.
Theo Sorg
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Verkehrszeichen "Radverkehr frei" – kaum zu erkennen, durch ein Werbeschild verdeckt
Theo Sorg
In der Mitte der Friedberger Straße gibt es einen dritten Fahrstreifen, der ebenfalls rot markiert ist. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Fahrradstreifen – nein, er ist eine Mehrzweckspur, eine Besonderheit in Bad Vilbel, die es so in der StVO ebenfalls nicht gibt. Diese Spur soll den Verkehrsfluss fördern, indem sie von Linksabbiegenden genutzt wird und außerdem das Überholen langsamerer Fahrzeuge ermöglichen soll. Leider wissen viele Autofahrende den Zweck der Spur nicht einzuordnen, und so kommt es vor, dass Linksabbiegende auf beiden Fahrstreifen stehen und warten; sie sind hier schlichtweg überfordert. Da die Mehrzweckspur auf ihrer gesamten Länge von mehreren Mittelinseln unterbrochen ist, sind die Überholdistanzen dementsprechend begrenzt, was oft zu einem zu kurzen Einscheren der Überholenden vor den Überholten führt; gerade auch Radelnde werden bei Überholvorgängen oft geschnitten.
Weil in der Friedberger Straße in beiden Richtungen ein Radverkehrsstreifen fehlt, hat man ersatzweise den Gehweg für den Radverkehr freigegeben. Das bedeutet für Radelnde, dass sie auf den Fußverkehr besondere Rücksicht zu nehmen haben, und es gilt für sie Schrittgeschwindigkeit. Alltagsradelnde fahren da lieber regelkonform auf der Fahrbahn. Dort kommen sie schneller voran, sind besser sichtbar und laufen nicht Gefahr, mit zu Fuß Gehenden aneinanderzugeraten. Allerdings führt ein für Radelnde freigegebener Fußweg bei manchen Autofahrenden zu falschen Erwartungen. In Unkenntnis der Rechtslage bedrängen sie Radelnde und fordern sie auf, auf den vermeintlichen Radweg auszuweichen. Solche Situationen gehören auf der Friedberger Straße zum Alltag. Wenn dann noch am Übergang Heinrich-Heine-Straße eine auffällige Markierung auf die Straße gepinselt wird, verstärkt dies nur den falschen Eindruck einer Benutzungspflicht des Gehwegs für den Radverkehr. Hinzu kommt: Das Verkehrszeichen "Gehweg" mit dem Zusatzzeichen "Radverkehr frei" ist kaum zu erkennen, weil es durch ein Werbeschild verdeckt wird.
Es wäre wünschenswert, wenn die Stadtverwaltung sich im Rahmen ihrer Planungen und Entscheidungen öfter auf den Fahrradsattel schwingen würde, um nachzuvollziehen, wie sich die Verkehrsführung aus der Sicht des Radverkehrs darstellt – und wenn sie auch die Erkenntnisse moderner Wissenschaft stärker beherzigen würde: weniger regeln, dafür jedoch eindeutig, das heißt, klare Strukturen schaffen. So ließen sich viel Enttäuschung und Ärger vermeiden – aufseiten des motorisierten ebenso wie des Rad- und des Fußverkehrs.
Es wird viel Steuergeld ausgegeben – und doch erreicht es die Betroffenen oftmals nicht.
Theo Sorg