Endlich wieder ein Wellnessbereich fürs Autofahren, weil frei von Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und ähnlichen Störfaktoren: der Frankfurter Mainkai im September 2020
Peter Sauer
Mainkai wieder voller Blech –
Frankfurt verpasst die Chance!
Mittlerweile ist es amtlich: ein neu gestaltetes Flussufer ohne Autoverkehr und mit hoher Aufenthaltsqualität, wie es andere Städte schon längst haben, wäre eine feine Sache und auch in der Bevölkerung durchaus populär – das ergab eine Umfrage des Verkehrsdezernats im Februar. Sogar eine weitgehend autofreie City wäre in Frankfurt mehrheitsfähig – das ergab eine Umfrage in Verantwortung des CDU-geführten Baudezernats. Auch der hochkarätig besetzte Städtebau-Beirat hat sich für eine autofreie Neugestaltung des Mainufers positioniert.
Trotzdem wird daraus erst mal nichts, die CDU bewegte sich bei der Frage der Verlängerung der autofreien Testphase keinen Millimeter bei der Stadtverordnetenversammlung am 3. September. Und niemand wollte deswegen die Koalition platzen lassen. Also haben wir am zentralen historischen Flussufer dieser Stadt, die immerhin so manche Kaiserkrönung gesehen hat, wieder nur die seit Jahrzehnten sattsam bekannte Autopiste. Echt Weltniveau!
Ginge es nur um bessere Infrastruktur zum Radfahren am Mainkai, würde auch links und rechts ein Radstreifen reichen, den man gegen Falschparken sichern und für den man den Autoverkehr auf je einen Streifen pro Richtung begrenzen müsste. Dieser Vorschlag ist auch schon lange im Raum. Wir als ADFC könnten sagen: gebt uns den Radstreifen (was übrigens platzmäßig gar nicht so einfach geht) und wir sind zufrieden.
Es geht aber beim Mainkai nicht vorrangig um Radverkehr, sondern um Stadtentwicklung. Wir haben uns im letzten Jahr erlaubt, mit der Unterstützung des Projekts "Autofreier Mainkai" über unseren eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Das werden wir auch an anderer Stelle tun, etwa bei der Neuplanung von Hauptstraßen in Frankfurt oder bei der Diskussion über ein Gesamtverkehrskonzept Innenstadt – wir wissen, dass wir als Radfahrer*innen nicht allein auf der Welt sind und dass Radfahrende auch noch andere Ansprüche an ihr urbanes Umfeld haben, als schnell irgendwo durchzuradeln.
Das Thema autofreier Mainkai wird jetzt Kommunalwahlthema vor dem 14. März 2021. Gut so, wenn es richtig angegangen wird. Sobald sich die Diskussion auf die städtebaulichen Chancen fokussiert und nicht nur auf die verkehrsbedingten Nebeneffekte, etwa in Sachsenhausen, "kippt" das Meinungsbild in die positive Richtung. Der Anblick von Flussufern anderer Städte, aber auch von Beispielen zur guten Gestaltung von urbanen Aufenthaltszonen, wird kreative Fantasie freisetzen darüber, was aus der derzeitigen Asphaltfläche am Mainkai einmal werden könnte. Die Frankfurter*innen sollen endlich einen noch besseren Grund haben, von der Geschäftscity zum Mainufer zu gehen, ohne wie jetzt (wieder) eine Autopiste queren zu müssen. Auch Touristen könnte ein schöneres Flussufer-Erlebnis geboten werden. Nach Corona soll schließlich der Wirtschaftsfaktor Tourismus wieder anspringen. Der nächste Magistrat muss das mutig angehen – Zeit, dass sich was ändert!
Bertram Giebeler