links:
Zweifaches codiertes Discount-Reiserad vor Papstwappen
rechts:
Die Türme der Basilika in Ilbenstadt
Günther Gräning
Es ist lange her ...
...aber der Artikel über Freya Linder aus Heft 1/2020 hat mich daran erinnert. Es muss Mitte oder Ende der 90er Jahre gewesen sein, genauer weiß ich es nicht mehr. Und nicht für alle Einzelheiten kann ich Gewähr übernehmen. Hier folgt, was geschah:
Der Kauf: Damals gab es einen Fahrrad-Discounter in der Nähe des Frankfurter Westbahnhofs. Ein stabiles Reiserad war mein Begehr. An der Wand des Discounters hing ein entsprechender schwarzer Rahmen für 1.200 DM. Alle weiteren Komponenten waren im Geschäft verstreut. Also fragte ich, ob man mir den Rahmen bestücken könne. Man konnte, und der Fall wurde zur Chefsache erklärt, war also offenbar untypisch für einen Discounter. Aber nach ein paar Tagen war das Rad erfolgreich für deutlich über 2.000 DM gekauft.
Die Codierung: An einem Infostand des ADFC (vermutlich in Bad Homburg) bot mir kurz nach dem Kauf ein Herr namens Alfred Linder die Mitgliedschaft an und lockte mit kostenloser Codierung meines neuen Reiserades zwecks Schutzes gegen Klau. Er tat das mit einer Mischung aus Charme und Nötigung und war deswegen erfolgreich; meinem neuen Rad zuliebe nahm ich die Mitgliedschaft im ADFC billigend in Kauf. Mittlerweile hat das Rad weit über 30.000 km auf dem Buckel und wurde in Leipzig von der Polizei sicherheitshalber ein zweites Mal codiert. Ich besitze also ein doppelt codiertes Discount-Reiserad, das hat nicht jeder.
Die Tour: Als Neumitglied im ADFC ist man neugierig. Also blätterte ich im Frankfurter Tourenprogramm und fand eine Radtour von Frankfurt zur Basilika in Ilbenstadt, am Karfreitag, mit Besichtigung der Kirche und unter der Leitung von Alfred Linder. Ich fuhr also trotz schlechten Wetters am Freitag vor Ostern (viel zu früh im Jahr!) an die Niddabrücke in Harheim und wartete auf die Gruppe. Sie kam auch pünktlich an; ich erinnere mich, dass Alfred mich erstaunt als den 34. Teilnehmer begrüßte und dass die Tour zum ersten Mal stattfand. Und es sei irgendwo ein Tisch reserviert, der aber ja wohl nicht reichen werde.
Die Besichtigung: Der Priester der Basilika (oder war es der Küster?) kannte sich sehr gut aus – zu gut, wie sich herausstellen sollte. Die Basilika führe den Ehrentitel "minor", sei so alt wie Notre-Dame in Paris und dem Papst zugeeignet, daher das päpstliche Wappen über dem Eingang. Leider neigten sich die beiden Türme, jeder nach seiner Seite, so dass man werde sanieren müssen. Er wusste noch viel mehr, so viel, dass die Führung länger dauerte als geplant.
Die Mittagsrast: Leider ist mir entfallen, wo der reservierte Tisch war – jedenfalls nicht in der nahen Klosterschänke, sondern in einem anderen Ort der Wetterau. Kein Wunder also, dass die Gruppe erst am frühen Nachmittag dort eintraf, als die Wirtsleute gerade abschlossen und nach Hause wollten. Ich weiß aber noch, dass wir gegessen und getrunken haben – kein Wirt in der Wetterau lässt sich so viele Gäste entgehen.
Die Tradition: Seit dieser Zeit werden Basilika und Klosterschänke vom ADFC Bad Homburg regelmäßig an Karfreitagen angefahren. Sogar gegen den geplanten Abriss (nicht der Basilika, sondern der Schänke) haben wir erfolgreich protestiert – bilden wir uns jedenfalls ein. Höhepunkt war eine Sternfahrt mehrerer ADFC-Verbände im Jahre 2003 mit fast 300 Teilnehmern. Anne Wehr schrieb im Nachruf auf Freya Linder von 200; das ist heute nicht mehr aufzuklären. Aber eins ist klar: Hätte Freya Linder nichts weiter für den ADFC getan, als damals die zahllosen Essenswünsche per Telefon zu koordinieren, hätte sie einen Ehrenplatz verdient. Angesichts ihrer vielen sonstigen Verdienste um den ADFC müsste es aber eher ein Thron sein!
Günther Gräning