Öfter eine ganze Corona ...
... von Radfahrern begegnet einem in letzter Zeit auf dem Mainuferweg, auf dem Industriebahnweg oder auf der Senefelderstraße. Vor der Viruswelle war das eher selten zu beobachten, doch in diesen Wochen werden sie zur Gefahrenquelle, wenn sie sich mit Skatern, Kinderwagen und zwei- bis vierjährigen Radfahranfängerinnen und Radfahranfängern die Asphaltstreifen teilen müssen.
Finden wir das gut?
Ja, denn wir werden mehr! Eine dauerhafte Verbesserung in unserer alltäglichen Kampfzone mit den Vierrädrigen ist nur dann erreichbar, wenn wir aus dem Minderheitenstatus herauswachsen. Im politischen Geschäft zählt eben nur Zählbares, also Wählerstimmen! Der ehemalige Offenbacher OB Grandke pflegte zu Anliegen aus der Bürgerschaft zu fragen: "Wieviel Leute stehen hinter Ihnen?"
Solange wir Radfahrenden im 10 %-Ghetto verharren, können Verkehrspolitiker mit der sicheren Zustimmung der 90 % Motorisierten rechnen, die fast alle Vorteile auf und neben der Straße für sich beanspruchen. Erst wenn wir 15 bis 20 % – mit wachsender Tendenz –aufweisen können, könnten ansonsten autofixierte Verkehrspolitiker ins Grübeln kommen. Zumal diese Zunft an ihrer Spitze bereits geschwächt ist: Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) lässt mehr Gelder als bisher in den Etat eintragen. Der Vorteil für die radfahrenden Verkehrsteilnehmer*innen kommt allerdings kaum vom Zuwachs, sondern von der Angst vor Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in den Städten: Je mehr Menschen auf den ÖPNV oder aufs Rad umsteigen, desto weniger steigt die Luftverschmutzung und umso mehr die Chance für die Dieselfahrer, bei ihrer Gewohnheit zu bleiben, jeden Kilometer in der Stadt mit dem Auto zurückzulegen.
Es gibt vermutlich auch weitere Gründe dafür, dass schon im Winter 2019/2020 mehr Menschen ihre Wege auf dem Rad zurücklegten als früher: die vor allem durch die "Fridays-for-future"-Bewegung geförderte Einsicht, die klimaschädliche CO2-Überproduktion senken zu wollen. Das ist zwar bisher keine Massenerscheinung, kann es aber auch nicht sein, weil sich Einsichten bekanntlich nicht unmittelbar in Handeln umsetzen. Ferner wurde die zunehmende Benutzung des Fahrrads im Alltag auch durch den milden Winter erleichtert.
Wie auch immer: Es geht voran! Wir haben also, verkehrspolitisch gesehen, auch (oder gerade) in Krisenzeiten ungewohnten Rückenwind. So wie ihn der Bundes-ADFC mit Nachdruck für seine Kampagne "Mehr Platz fürs Rad" nutzt, tun wir es auch in den Kreisverbänden: diese Gelegenheit ergreifen, um mehr Druck im Kessel der Kommunalpolitik zu erzeugen!
Wolfgang Christian