Genießen den Regen: Teilnehmer der Radtour für Flüchtlinge vor dem Gimbacher Hof
Günther Gräning
Von Königstein zur Viehweide
Königstein im Taunus, das erschien lange wie eine "terra incognita": rund 400 m hoch, nur reiche Einwohner, kaum Radfahrer, keine ADFC-Ortsgruppe, selbst die Eisenbahn gibt 100 m unterhalb der Stadt erschöpft auf…
So kann man sich täuschen!
Susanne Bittner und Patrik Schneider-Ludorff aus Oberursel haben mittlerweile dort einen ADFC-Stammtisch etabliert, und ein Uhu-Pärchen zog in diesem Jahr auf der Burg hoch oben erfolgreich mehrere Junge groß! Und nun auch das noch: Zusammen mit der Stadt Königstein organisiert Jutta Hufler vom ADFC Königstein eine Radtour für Flüchtlinge. Dafür mietet die Stadt 40 Pedelecs, nicht verkehrt angesichts des dortigen Höhenprofils.
Am 12.07.2019 gegen ein Uhr mittags geht es los. Der lange Trupp wälzt sich über den berüchtigten Kreisel zunächst in die Innenstadt und dann steil hinab über einen Bahnübergang ins Tal, dann wieder hoch nach Schneidhain. Es beginnt, heftig zu gewittern und zu regnen.
(Anderswo schließt man zur selben Zeit einen ganzen Flughafen, Nordhessen geht teilweise baden)
Wie zähmt man junge Flüchtlinge während einer Radtour mit Pedelecs, wenn sie noch nie eins benutzt haben und voller Begeisterung auf und ab toben? Gar nicht! Aber es passiert – nichts, oder fast nichts. Als Söhne der Wüste (wenn sie es denn sind) genießen sie offenbar den Regen; Blitz und Donner stören sie auch nicht. Zu Wassermassen haben sie ein eher freundschaftliches Verhältnis. Es folgt ein wilder, verwegener Ritt von Schneidhain über den Rettershof, Fischbach, den Gimbacher Hof, Gundelhart und um den Meisterturm herum bis zur Gaststätte "Viehweide".
Frage eines Teilnehmers an mich unterwegs: Warum ich als Tourenleiter kein "elektronisches" Rad habe. Meine Antwort: Weil ich es mir nicht leisten kann. ("Wenn ein Tourenleiter ein Pedelec und ein Navi hat, fährt er zu schnell und kennt sich nicht aus, also fahre ich nicht mit", das habe ich schon mehrmals gehört.)
Sieben der Flüchtlinge werden Opfer ihres wilden Ritts und fahren versehentlich zum Hofheimer Bahnhof, aber wer Deutschland findet, der findet auch die Viehweide. Niemand geht verloren. Alle erhalten in der Viehweide einen Imbiss und Getränke.
Chapeau! Dank der Umsicht von Suzanne Müller-Hess von der Stadt Königstein klappt der wegen der Nässe erforderliche Rücktransport per Bus nach Königstein. 18 km wurden gefahren, die 13 km des geplanten Rückwegs fallen aus wegen des Wetters.
Günther Gräning