Einigungs-Pressekonferenz am 18.6. beim Verkehrsdezernat.
Torsten Willner
Auf dem Weg zur "Fahrradstadt Frankfurt"
Römer-Koalition und Radentscheid einigen sich auf
Programm zur Radverkehrsförderung
Er hat wirklich lange gedauert, der Prozess von juristischer Unzulässigkeitserklärung des Frankfurter Radentscheids und von parallel dazu laufenden Gesprächen in der Sache – so lange, dass manch eine/r in den letzten Monaten schon von Verschleppungstaktik ausgehen mochte. Bis zur Pressekonferenz am 18. Juni blieb der Text der Einigung streng vertraulich, und es war auch bis zum letzten Tag davor nicht hundertprozentig klar, ob wirklich alle Fraktionen der Römer-Koalition mitziehen. Dann aber wurde er doch gemeinsam vorgestellt und noch am gleichen Tag im Verkehrsausschuss in den parlamentarischen Geschäftsgang gebracht: der gemeinsame Antrag "Fahrradstadt Frankfurt am Main" von CDU, SPD und GRÜNEN, über Monate verhandelt mit dem Radentscheid.
Die drei Vertrauensleute des Radentscheids:
v. l. Alexander Breit, Heiko Nickel, Norbert Szep
Torsten Willner
Diese Vereinbarung ist ein Quantensprung in der Radverkehrsförderung in Frankfurt. Die beschlossenen Maßnahmen stehen teilweise schon länger auf der Liste dringender Forderungen – auch und gerade des ADFC – zur Verbesserung der Situation für Radfahrer/innen. Dass sie jetzt aber auch tatsächlich angegangen werden, ist dem Druck der Radentscheid-Kampagne mit ihren 40.000 Unterschriften zu verdanken – und auch dem guten Willen der Verhandlungspartner auf Koalitionsseite, die teilweise in ihren Fraktionen so einige Bedenken und Widerstände wegzuräumen hatten. Sicherlich war das gesamtpolitische Klima der letzten Monate ein zusätzliches Momentum für eine Einigung: niemand wollte jetzt ein Projekt scheitern lassen, dessen Nutzen für Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung so offensichtlich ist.
Radentscheid: wir haben nicht nur verhandelt, sondern überzeugt!
Die Grünen hatten von Anfang an wenig Probleme mit dem Radentscheid, aber man täte auch den Koalitionären von SPD und CDU unrecht, wenn man ihnen nur ein Angstmotiv vor einer momentanen "grünen Welle" unterstellt. Viele derjenigen, die auf Koalitionsseite an den Verhandlungen beteiligt waren, haben starkes Interesse an Radverkehrsförderung, fahren selber im Alltag Rad und erkennen im öffentlichen Druck des Radentscheids eine Chance, etwas voranzubringen. Heiko Nickel, einer der drei Vertrauensleute des Radentscheids, brachte es so auf den Punkt: "Der Radentscheid hat nicht einfach verhandelt, er hat überzeugt!"
Radverkehrsförderung ist keine "grüne Klientelpolitik", sondern Steigerung der Lebensqualität unserer Städte. Auch die Parteizugehörigkeit international bekannter Kommunalpolitiker, die mit expliziter Pro-Fahrrad-Politik in ihren Städten Wahlen gewonnen haben, spricht gegen das Klientel-Argument: Michael Bloomberg in New York war Republikaner, Bernard Delanoé und Anne Hidalgo in Paris Sozialisten, während der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson – "Boris-Bikes" – im Begriff ist, Chef der konservativen Tories zu werden.
In Karlsruhe, Deutschlands Sieger-Kommune beim aktuellen Fahrradklimatest, kam die treibende Kraft der Radverkehrsförderung vom früheren Bürgermeister Michael Obert von der FDP!
Daher unser Appell an alle Koalitionsparteien und auch an alle anderen, die eine zukunftsfähige Verkehrspolitik in Frankfurt wollen: Unterstützen Sie den Antrag "Fahrradstadt Frankfurt" während und nach den Sommerferien in Ihren Parteiorganisationen, in Ihren Ortsbeiratsfraktionen, im Verkehrsausschuss und in der Gesamtfraktion, damit am 29. August ein klarer Beschluss der Stadtverordnetenversammlung den Weg freimacht für die Fahrradstadt Frankfurt!
Der kurze Link zum PDF mit dem Wortlaut der Vereinbarung zwischen der Stadt Frankfurt und Radentscheid: adfc-hessen.de/=6BM4
Die wichtigsten Verhandlungsergebnisse in Kürze:
- Bei zwei wichtigen Straßen (Bockenheimer Landstraße und Schwarzwaldstraße), bei denen die Umbauplanungen schon weit gediehen sind, wird noch 2019 die Planung für den Neu- und Ausbau der Radwege vorgelegt.
- Für die Schweizer Straße in Sachsenhausen gibt es einen städtebaulichen Gestaltungswettbewerb.
- Für 7 Hauptverkehrsstraßenabschnitte (Konrad Adenauer/Kurt Schumacher Straße, Friedberger Landstraße vom Friedberger Tor bis Friedberger Platz, Mörfelder Landstraße von Mühlberg bis Breslauer Straße, Hanauer Landstraße vom Anlagenring bis Ratswegkreisel, Mainzer Landstraße in Einzelabschnitten zwischen Galluswarte und Mönchhofstraße, am Hauptbahnhof zwischen Platz der Republik und Baseler Platz, Schöne Aussicht) werden durch provisorische Maßnahmen getrennte Radverkehrsführungen geschaffen. Diese Provisorien werden evaluiert und bei Erfolg zu dauerhaften baulich getrennten Radwegen (2,30 m breit) umgebaut.
- 11 Straßen werden auf ihre Eignung zur Fahrradstraße geprüft.
- Cityring, Anlagenring und Nördliches Mainufer werden auf ihre Eignung zur Fahrradtrasse (Standard Radschnellverbindung) geprüft.
- Frankfurt stellt die zwei schon geplanten Radschnellwege von und nach Darmstadt und Hanau auf seinem Stadtgebiet fertig.
- 15 Kreuzungen werden so umgestaltet, dass sie für Radfahrer/innen sicherer zu passieren sind als derzeit.
- 2.000 Fahrradstellplätze pro Kalenderjahr werden in den nächsten Jahren geschaffen.
- Die Stadt Frankfurt betreibt eine Kampagne zur Förderung des Radverkehrs.
- Für die "Projektgruppe Fahrradfreundliche Stadt" werden 18 auf 5 Jahre befristete Stellen in Verwaltung und Verkehrspolizei geschaffen.
- Die Stadt verstärkt ihr Personal zur Falschparkerabwehr und zur Baustellenkontrolle.
- Die Stadt stellt im Doppelhaushalt 2020/2021 insgesamt zusätzlich 21 Millionen Euro für die Radverkehrsförderung bereit.
- Die Stadt erstellt 2021 einen Radverkehrsentwicklungsplan, der alle 2 Jahre fortgeschrieben wird.
Bertram Giebeler