Schwer gefreut – schwer verletzt
Radfahren in der Stadt Offenbach
Roter Teppich für den Radverkehr? Davon ist auch Offenbach noch ein Stück entfernt. (Hier eine Aktion des VCD im Hafenquartier)
Foto: Peter Sauer
Innerhalb von nur zwei Jahren hat Offenbach, ehedem ein armes Stiefmütterchen in der Entwicklung des Radverkehrs, sehr ordentlich aufgeholt. Frankfurt war uns da immer weit voraus gewesen. Beispiele: Zulassung des Radfahrens auf der Einkaufsmeile, Befahren der Einbahnstraßen in Gegenrichtung, Radstreifen auf den Fahrbahnen, Einrichtung eines Fahrradbüros, städtischer Fahrradbeauftragter. Und neidvoll blickten wir über den Main und sahen dort immer mehr Menschen auf den Rädern, während die Quote der Radler im Vergleich zu den Kfz-Betreibern standhaft unter den 10 % klebte.
Also, das wurde nun wirklich (nachhaltig sowieso) geändert, denn wir erhielten die Radler-Einbahnstraßen-in-Gegenrichtung-zum-Ärger-der-Autofahrer-Befahrenslegitimation auch in der Innenstadt. Nicht viel später wurden durchgängig Hinweisschilder für Radfahrer angeschraubt, so dass diejenigen Radler, die Offenbach wegen seines immer noch schlechten Images möglichst schnell durchfahren und dieses nicht selber überprüfen wollen, sich zurecht finden, ohne die Eingeborenen nach dem direkten Wege fragen zu müssen. Und erst Ende November erhielten wir die Absegnung der Fußgängerzonennutzung durch Radfahrer von Wissenschaftlern der Fachhochschule Erfurt. Und es geht noch weiter, wir hatten es euch schon in Heft 6/17 mitgeteilt: Offenbach wird "Fahrradstraßenstadt", weil – diesmal ging es wirklich vom ADFC aus – eine 5-Mio-Förderung des Bundesumweltamtes es erlauben wird, die Stadt durch ein Netz von bis zu sieben Fahrradstraßen im Sinne der Förderung des Radfahrens nachhaltig umzubauen.
So haben wir sehr gute Gründe, uns über die Fortschritte in der Verkehrspolitik und über das real verbesserte Radfahrangebot der Stadt zu freuen!
Die reine Freude am Radfahren in der Stadt – gibt es das, kann es das geben? Die Realität zeigt etwas Anderes: Die Straßen, unsere Verkehrsräume, sind viel zu eng, um allen Fußgängern, Radfahrern, Motorrad-, Auto- und LKW-Fahrern ausreichend sichere Bewegungsflächen zu bieten. Vor allen anderen dominiert der Autoverkehr, und er setzt sich als Masse und Energie gegen die anderen "Partner" rücksichtslos durch, wenn er nicht durch staatliche Organe kontrolliert und eingedämmt wird.
Dazu aber ist bisher viel zu wenig seitens der dafür zuständigen Politik geschehen, vielmehr ist die Autolobby immer noch erfolgreich. Sie hat sich längst in der Regierung selbst festgesetzt. Statt dafür zu sorgen, dass geschützte Radfahrstreifen immer mehr Menschen den Anreiz geben, vom Auto auf das Fahrrad umzusteigen, wird das Elektroauto propagiert – und die Umsätze der Autohersteller steigen unaufhörlich.
Das hat konkrete Folgen. Innerhalb einer Novemberwoche wurden in Darmstadt zwei Radfahrende von Rechtsabbiegern getötet. Wenige Tage später wurde ein Radfahrer in Offenbach von einem überholenden PKW von hinten angefahren und schwer verletzt. Anfang Dezember wurde ich auf einem für Radler zugelassenen Zebrastreifen von einem SUV angefahren und zu Sturz gebracht.
Übrigens kann man sich jetzt einen BMW mit 600 PS im Laden kaufen.
Wolfgang Christian