Die Kunst der Interpretation
Neue Verkehrszeichen erleichtern Autofahrern das Leben – ganz ehrlich!
Als gottes- und StVO-fürchtiger Mensch bin ich spätestens seit meiner Ausbildung zum ADFC-Tourenleiter stets bestrebt, die Verkehrsregeln auch mit dem Fahrrad zu beachten. Das ist mitunter nicht leicht, da gerade an Übergängen zwischen sogenannten Radverkehrsanlagen und öffentlichen Straßen nicht alles so genau geregelt ist – und schon gar nicht immer praktikabel umgesetzt wurde.
Die neuen Verkehrszeichen – endlich Entlastung für den Pkw-Verkehr!
Grafik: Matthias Marcks
Trotzdem will ich gerade als Tour-Guide Vorbild sein und mag die Rüpel- und Kampfradler-Parolen nicht mehr hören. In jüngster Zeit beobachte ich aber in Bad Vilbel ein Verhalten motorisierter Verkehrsteilnehmer, welches durchaus in die Kategorie der so Gerügten fällt – wobei freilich deren Kampfgewicht um mindestens eine Zehnerpotenz höher liegt. Ich kann mir dieses Verhalten – auf das ich sogleich näher eingehen werde – nur dadurch erklären, dass manche Verkehrszeichen durch die Windschutzscheibe einfach anders wahrgenommen werden.
Ich scheue keine auch noch so große Mühe, um der momentanen Einbahnstraßenregelung in der Homburger Straße in Bad Vilbel auch mit dem Fahrrad Folge zu leisten. Also fahre ich beispielsweise zum Einkaufen von meinem Wohnort in Massenheim über den Schulweg zum sogenannten Schwimmbadkreisel, um dann wieder ein Stück bergauf zu Aldi oder REWE zu gelangen. Währenddessen kommen mir auf dem Heimweg in genau diesem Stück Einbahnstraße immer wieder Pkw entgegen, deren Fahrer die 50 Meter lange Einbahn-Passage einfach ignorieren und zur Not über den Gehweg zu Aldi abbiegen. Auch durch gelegentliche Polizeikontrollen konnte diesem Verhalten noch nicht Einhalt geboten werden.
Was Wunder! Wird doch beim Blick durch die Windschutzscheibe Folgendes klar: Hier ist das neue Verkehrszeichen 267a aufgestellt, welches die Einfahrt nur für Radfahrer verbietet. Bei tiefergelegten Pkw mit getönter Windschutzscheibe erscheint sogar zuweilen das weiße Zusatzschild mit der Aufschrift "Nur bei Gegenverkehr". Diese Erkenntnis ist mir kürzlich wie im Traum erschienen. Oder wie Schuppen von den Augen gefallen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr so genau.
Und noch von einer weiteren Beobachtung will ich berichten: Der Schleichverkehr über die Straße Im Mühlengrund und die B3-Brücke zur Huizener Straße hat zugenommen. Eigentlich sollte hier nur der VILBUS fahren, aber das, was ich bislang für Vogeldreck auf dem Zusatzschild gehalten habe, entpuppt sich beim Blick durch die Windschutzscheibe ganz klar als neue Regelung: "Schleich- und Linienverkehr frei". So hat Massenheim auch während der umfangreichen Baumaßnahmen einen zweiten Ausgang bekommen.
Jede Baustelle hat ein Ende, und so habe ich doch noch die Hoffnung, dass sich auch diese Wahrnehmungsstörungen wieder zurückbilden werden.
Matthias Marcks