Per Tandem rund um die Welt
Ute und Konrad lassen für fünf Jahre alles hinter sich
Ute und Konrad vor der Abfahrt auf ihrem Tandem
Foto: Sigrid Hubert
Schon ganz lange spukte es ADFC-Mitglied Konrad Hötschl aus Nieder-Erlenbach durch den Kopf. Zahlreiche Bücher hatte er darüber gelesen und immer wieder Vorlesungen besucht: Eine Weltreise wollte er machen, per Fahrrad.
Doch wie es so geht im Leben, es kam immer wieder etwas dazwischen, vor allem seine Glasfirma, die er nicht von einem auf den anderen Tag aufgeben konnte. In der Zwischenzeit steigerte er seine Kondition mit Marathonläufen und langen Fahrradtouren, wie Mailand – San Remo und London – Edinburgh – London. Aber die Idee der Weltreise per Fahrrad ließ ihn nie los und wurde im Lauf der Jahre immer intensiver. Dann, vor vier Jahren, traf er die Entscheidung. Wenn noch etwas daraus werden sollte, musste er jetzt anfangen. Noch länger Warten hätte bedeutet, dass er diesen Plan wohl für immer aufgeben konnte. Frühling 2016 sollte der Startschuss fallen.
Und dann ist da noch Ute, seine Lebensgefährtin seit dreißig Jahren. Ute sollte mitkommen – für Konrad gab es keinen Moment des Zweifels daran, dass Ute nicht mitkommen würde. Auch Ute hatte eine Firma und es gab ein paar Familienmitglieder, die sie nicht so zurücklassen konnte. Und Konrad fünf Jahre allein ziehen zu lassen – das kam auch nicht in Frage. Sie war wohl nicht die treibende Kraft hinter der Weltreise, aber dass sie mitfahren würde, das stand von vorne herein fest. Nur war da noch die Frage, ob sie, die nicht die vielen Krafttouren von Konrad mitgemacht hatte, mit seiner Kondition mithalten konnte. Zwar hatten die beiden in den letzten Jahren mehrmals zusammen dreiwöchige Radtouren gemacht, doch das ist immer noch etwas anders als eine Welttour. Natürlich kann man, wenn man fünf Jahre Zeit hat, die Länge der Tagesetappen etwas bescheidener halten, aber die beiden fanden es trotzdem nicht schön, wenn jedesmal der Eine auf die -Andere warten sollte. Das ist frustrierend und wenn man fünf Jahre so intensiv zusammen verbringt, sollte man das lieber von vorne herein vermeiden. Deshalb entschieden sich die beiden dazu, mit einem Tandem statt mit zwei Einzelfahrrädern zu fahren.
Das richtige Tandem zu finden war dann auch nicht so einfach. Das größte Problem bestand darin, dass ein Tandem zu groß und zu schwer ist um als Gepäck in einem Bus, Zug oder Flieger befördert zu werden. Die Lösung fand Konrad beim jährlichen Tandemtreffen in Rosenheim. Der europäische Vertreter des amerikanischen Herstellers Santana konnte ein Modell mit Titanrahmen anbieten, wodurch sich das Gewicht auf 20 Kilogramm beschränken würde. Der größte Teil des Gewichts geht davon noch auf das Konto der Gepäckträger. Der Clou bei dem Ganzen ist die Möglichkeit, mit zwei Kupplungen das Tandem in zwei Einzelteile zu zerlegen, die je nicht größer und schwerer sind als ein normales Fahrrad.
Das Tandem hat, abgesehen vom teuren Titanrahmen, so viel konventionelle Technik wie möglich, mit normalen 26-inch-Reifen und Felgenbremsen, so dass Reparaturen auch in fern abgelegenen Gebieten problemlos möglich bleiben. Zudem hat das Tandem eine Schleifbremse, die bei langen oder steilen Abfahrten zusätzlich eingesetzt werden kann. Was übrigens den Nachteil nicht beseitigt, dass man auf einem Tandem kein doppeltes Gepäck mitnehmen kann. Alles muss in vier große Gepäcktaschen verstaut werden, ein Zelt und die Schlafsäcke gehen hinten auf den Träger und in den Lenker- und Satteltaschen wird die Technik für unterwegs verstaut. Die große Freiheit der langen Reise wird mit erheblichen Einschränkungen an mitgenommenem Gepäck erkauft. "Wir lassen buchstäblich sehr viel hinter uns", sagt Konrad, "aber hoffentlich werden unsere Freunde uns nicht vergessen".
In den letzten Monaten ging es dann darum, alles vorzubereiten. Das idyllische Haus an der Untermühle in Nieder-Erlenbach musste für 5 Jahre vermietet werden, die notwendigen Impfungen mussten eingeholt, die Versicherungen angepasst werden, Reisepässe und Einreise-Visa waren zu regeln und aller Hausrat musste bei Freunden und Bekannten untergebracht werden. Und dann war auch noch diese eine Kleinigkeit zu regeln, die sie fast vergessen hätten: Um in der arabischen Welt ohne Probleme reisen zu können, haben Konrad und Ute nach dreißig gemeinsamen Jahren auch noch schnell geheiratet. Wie es nach all diesen Jahren dann doch noch zur Eheschließung kommen konnte! Glückwunsch jedenfalls für das frisch vermählte Ehepaar.
Und dann am 3. April ging die große Reise los. Freunde und Bekannte begleiteten die beiden noch ein erstes Stück, doch dann fing die Weltumrundung an. Über Bayern, unser innerstes Ausland, geht es Richtung Balkan, Türkei und Iran. Von da an hängen die Pläne von der Mitarbeit der jeweiligen Behörden ab, ob es möglich sein wird, über Kasachstan und China nach Thailand zu radeln, oder ob sie den Seeweg nach Indien nehmen müssen, um weiter nach Thailand fahren zu können. Danach soll die Reise dann weiter gehen, quer durch Australien und anschließend durch ganz Amerika, vom Norden Alaskas bis in den Süden Chiles.
Eine Verwandte von Ute, die einen Blog schreibt, wird in regelmäßigen Abständen über das Vorankommen der beiden berichten und so die Verbindung mit der Heimat aufrecht halten. Vielleicht werden wir in Frankfurt aktuell darauf in Zukunft auch noch einmal zurückkommen, um die Erlebnisse unserer Tandem-Weltenbummler weiter zu verfolgen. Wir wünschen Ute und Konrad jedenfalls viel Erfolg, viel Spaß und vor allem viele spannende Erlebnisse auf ihrer Reise!
Paul van de Wiel